1. Zu den – hier in Bezug auf einen überbreiten Mähdrescher nicht erfüllten – objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer arglistigen Täuschung i. S. von § 123 I Fall 1 BGB und § 442 I 2 BGB durch Verschweigen eines zu offenbarenden Umstands.
  2. Bei der Beurteilung, ob einem Käufer grobe Fahrlässigkeit i. S. von § 442 I 2 BGB anzulasten ist, ist zwar zu beachten, dass Käufer prinzipiell nicht zu einer Untersuchung der Kaufsache oder gar zur Zuziehung eines Sachverständigen verpflichtet ist. Grobe Fahrlässigkeit i. S. des § 442 I 2 BGB, also eine besonders schwere Missachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, liegt aber dann vor, wenn der Käufer dringend zur Vorsicht und zur weiteren Prüfung anhaltende Umstände außer Acht lässt. Das ist der Fall, dem Käufer bekannte Indizien den Verdacht, dass die Kaufsache – hier: ein wegen Überbreite jedenfalls nicht ohne Weiteres auf öffentlichen Straßen nutzbarer Mähdrescher – mangelhaft ist, so nahe legen, dass es unverständlich erscheint, diesem Verdacht nicht weiter nachzugehen.

LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 18.12.2020 – 10 O 5016/20

Sachverhalt: Der Kläger, ein in Burgebrach im Landkreis Bamberg ansässiger Landwirt, verlangt von dem Beklagten, der 2015 die Landwirtschaft seines Vaters in Velburg (Landkreis Neumarkt i. d. OPf.) übernommen hat und seitdem ebenfalls als Landwirt tätig ist, im Wesentlichen die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen gebrauchten Mähdrescher.

Dieses 2010 gebaute Fahrzeug – einen Fendt Mähdrescher 6300 C AL – erwarb der Kläger von dem Beklagten mit mündlichem Kaufvertrag vom 10.06.2020 für 86.275 €. Seinerzeit wies der Mähdrescher rund 1.140 Betriebsstunden auf. Den Kaufpreis zahlte der Kläger, indem er den geschuldeten Betrag auf ein Bankkonto des Klägers überwies. Die Parteien vereinbarten, dass der Kläger den Mähdrescher spätestens am 29.06.2020 bei dem Beklagten abzuholen habe.

Am Tag vor Abschluss des Kaufvertrags, am 09.06.2020, hatte der Kläger den Mähdrescher in einer Scheune auf dem Hof des Beklagten besichtigt und war damit auch ein kurzes Stück aus der Scheune hinausgefahren. Dabei hatte er bemerkt, dass das Fahrzeug „ersichtlich über 3 m breit“ ist „und deshalb für den Betrieb auf Straßen eine Ausnahmegenehmigung benötig[t]“ (Klageschrift, S. 3).

Der Kläger erwog, dass deshalb der Mähdrescher mit einem „Bayernpaket“ ausgestattet werden müsse, also eine modulare Kennzeichnung für überbreite selbstfahrende Arbeitsmaschinen (SAM) der Land- und Forstwirtschaft unter anderem mit Rundumleuchten benötige, um eine Erlaubnis zur übermäßigen Straßennbenutzung (§ 29 III StVO) zu erhalten. Er beauftragte am 12.06.2020 einen Dritten damit, das Fahrzeug entsprechend auszustatten, was am 02.07.2020 geschah und wofür dem Kläger 1.863,78 € in Rechnung gestellt wurden. In diesem Zusammenhang – das heißt nach Abschluss des Kaufvertrags – wurde der Mähdrescher vermessen. Es stellte sich heraus, dass der Mähdrescher 3,88 m breit ist; eine Erlaubnis zur übermäßigen Straßenbenutzung wird indes – was dem Kläger bekannt war – in Bayern seit vielen Jahren nur Fahrzeugen erteilt, die maximal 3,50 m breit sind.

Der Kläger verlangte deshalb von dem Beklagten, dass der Kaufvertrag rückabgewickelt werde, hatte damit jedoch keinen Erfolg. Deshalb erklärte der spätere Prozessbevollmächtigte des Klägers gegenüber dem Beklagten mit Schriftsatz vom 30.06.2020 die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung sowie den Rücktritt vom Kaufvertrag und setzte dem Beklagten eine Frist zur Rückabwicklung des Vertrags bis zum 08.07.2020. Der spätere Prozessbevollmächtigte des Beklagten wies den geltend gemachten Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags unter dem 06.07.2020 zurück und verlangte seinerseits, dass der Kläger den Mähdrescher spätestens am 14.07.2020 bei dem Beklagten abhole. Dieser behalte sich vor, ab dem 29.06.2020 eine „tägliche Standgebühr“ in Höhe von 25 € geltend zu machen.

Der streitgegenständliche Mähdrescher steht nach wie vor auf dem Hof des Beklagten in Velburg, da diese selbstfahrenden Arbeitsmaschine mangels Erteilung einer Erlaubnis nach § 29 III StVO oder einer Ausnahmegenehmigung (§ 70 StVZO) nicht, wie vom Kläger beabsichtigt, durch Fahren auf öffentlichen Straßen ins rund 125 :km entfernte Brugebrach überführt werden kann. Ein Transport des Fahrzeugs kam und kommt für den Kläger nicht in Betracht.

Der Kläger hat im Wesentlichen behauptet, er habe schon bei der Besichtigung des Mähdreschers am 09.09.2020 gegenüber dem Beklagten „angemerkt“ bzw. diesen „darauf hingewiesen“, dass der Mähdrescher überbreit sei und mit einem „Bayernpaket“ ausgestattet werden oder eine Ausnahmegenehmigung erhalten müsse. Es sei „vereinbart“ worden, dass er, der Kläger, das „Bayernpaket“ auf seine Kosten nachrüsten lasse und sodann die entsprechenden Anträge stelle.

Der Kläger wirft dem Beklagten zum einen eine arglistige Täuschung vor. Der Beklagte – so hat er geltend gemacht – sei Landwirt und habe den Mähdrescher selbst genutzt; er habe deshalb gewusst, jedenfalls aber wissen müssen, dass das Fahrzeug wegen seiner Überbreite nicht am Verkehr auf öffentlichen Straßen teilnehmen dürfe und es rechtlich nicht mögich sei, daran etwas zu ändern. Dem Beklagten sei auch klar gewesen, dass er, der Kläger, mit dem Mähdrescher öffentliche Straßen habe befahren wollen, um von deinem Hof zu seinen Feldern zu gelangen; andernfalls hätte es des „Bayernpakets“ nicht bedurft.

Zum anderen hat der Kläger geltend gemacht dass der Mähdrescher i. S. von § 434 I 2 Nr. 1 BGB mangelhaft sei, weil er sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eigne. Zwar sei die Arbeitsmaschine für das Mähen und Dreschen von Getreide geeignet; sie eigne sich aber nicht für die Teilnahme am Verkehr auf öffentlichen Straßen. Dehalb könne er, der Kläger, mit dem Mähdrescher nicht von seinem Hof zu seinen Feldern gelangen, sodass er vom Kaufvertrag habe zurücktreten dürfen. Den Rücktritt vom Kaufvertrag könne er auch darauf stützen, dass die beiden vorderen Reifen des Mähdreschers „defekt“ seien und ausgetauscht werden müssten und das Seil der Handbremse gerissen sei.

Mit seiner Klage hat der Kläger zunächst die Rückzahlung des Kaufpreises (86.275 €) sowie den Ersatz der für das „Bayernpaket“ aufgewendeten Kosten (1.863,78 €), also insgesamt die Zahlung von 88.138,78 €, nebst Zinsen und vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten (1.863,40 € nebst Zinsen) begehrt. Im Nachgang zur mündlichen Verhandlung hat er die Zahlung von 88.138,78 € „hilfsweise“ Zug um Zug gegen Rückübereignung des Mähdreschers begehrt.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Widerklagend hat er den Kläger – jeweils nebst Zinsen – auf Zahlung von „Standgebühren“ für die Zeit vom 30.06.2020 bis zum 18.09.2020 in Höhe von 2.025 € auf Ersatz vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten in Anspruch genommen.

Der Beklagte hat Vereinbarungen hinsichtlich des „Bayernpakets“ in Abrede gestellt. Insbesondere – so hat er behauptet – habe er mit dem Kläger nicht vereinbart, dass der Mähdrescher ohne Weiteres auf öffentlichen Straßen genutzt werden könne; der Kläger habe im Gegenteil unter Hinweis auf das Fehlen eines „Bayernpakets“ den Kaufpreis „gedrückt“. Er, der Beklagte habe „zu keinem Zeitpunkt“ gewusst, dass man mit Mähdrescher nicht am Verkehr auf öffentlichen Straßen teilnehmen dürfe. Die insoweit einschlägigen Vorschriften kenne er nicht. Sein Vater habe den streitgegenständlichen Mähdrescher 2013 in „Standardausführung“ erworben und anschließend im unveränderten „Originalzustand“ landwirtschaftlich genutzt. Beim Kauf des Fahrzeugs sei sein Vater vom Verkäufer nicht darauf hingewiesen worden, dass der Mähdrescher nicht auf öffentlichen Straßen bewegt werden dürfe. Die Reifen, mit denen das Fahrzeug ausgestattet sei und die zu seiner Überbreite führten, seien „original“.

Der Beklagte hat abgestritten, den Kläger arglistig getäuscht zu haben, und darauf hingewiesen, dass sich schon aus der Klageschrift ergebe, dass der Kläger die Überbreite des Mähdreschers bereits bei dessen Besichtigung am 09.06.2020 gekannt habe. Er, der Beklagte, sei nicht verpflichtet gewesen, den Kläger über irgendwelche straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften und Pflichten aufzuklären.

Der Mähdrescher – so hat der Beklagte geltend gemacht – leide insoweit auch nicht an einem Mangel, weil kaufvertraglich nicht vorausgesetzt worden sei, dass er am Verkehr auf öffentlichen Straßen teilnehmen dürfe.

Dass die vorderen Reifen des Fahrzeugs „defekt“ seien und ausgetauscht werden müssten und dass das Seil der Handbremse gerissen sei, hat der Beklagte bestritten. Insoweit lägen allenfalls nur geringfügige Mängel vor, auf die ein Rücktritt vom Kaufvertrag nicht gestützt werden könne.

Zur Begründung seiner Widerklage hat der Beklagte geltend gemacht, dass der Kläger am 18.06.2020 gemäß § 929 Satz 1 BGB Eigentümer des Mähdreschers geworden sei und sich daher mit der Annahme des Fahrzeugs in Verzug befinde. Daher schulde ihm der Kläger „Standgebühren“ in Höhe von insgesamt 2.025 € für die Zeit vom 30.06.2020 bis 18.09.2020 nebst Zinsen und Ersatz der Rechtsanwaltskosten, die er, der Beklagte, für die Aufforderung vom 06.07.2020, das Fahrzeug abzuholen, aufgewendet habe. Standgebühren in Höhe von 25 €/Tag für den Mähdrescher, der sich zunächst in einer überdachten Halle befunden habe, dann aber auf eine „Wiese“ gefahren worden sei, seien angemessen, da der Platzbedarf des Mähdreschers in etwa dem von vier Pkw entspreche.

Der Kläger hat darauf erwidert, dass er bei der Besichtigung des Mähdrescher am 09.06.2020 dessen Eigenschaften und insbesondere seine Breite nicht habe überprüfen können. Die Überbreite des Fahrzeugs sei „relativ geringfügig“, hindere aber einen Betrieb des Mähdreschers auf öffentlichen Straßen, und das sei „sicherlich nicht mit bloßem Auge erkennbar“. Er müsse sich deshalb nicht vorwerfen lassen, bei Abschluss des Kaufvertrags die Überbreite des Fahrzeugs gekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt zu haben (§ 442 I BGB), zumal er zuletzt vor 30 Jahren mit einem Mähdrescher gefahren sei. Denn für ein „ungeschultes Auge“ sei nicht erkennbar, dass das Fahrzeug über 3,50 m breit sei. Damit habe er, der Kläger, auch nicht rechnen müssen, weil deratige Überbreiten nur ganz ausnahmsweise vorkämen und er damals angenommen habe, dass es sich bei dem Mähdrescher um ein von einem deutschen Hersteller für den deutschen Markt produziertes Fahrzeug handele. Selbst die Fachleute, die das „Bayernpaket“ installiert hätten, hätten die Überbreite erst durch Nachmessen festgestellt, obwohl sie mit Fahrzeugen der streitgegenständlichen Art gut vertraut seien.

Er, der Kläger, könne zwar einen Großteil seiner Felder, aber eben nicht alle erreichen, ohne öffentliche Straßen befahren zu müssen.

Aus Sicht des Klägers hätte ihm der Beklagte im Verkaufsgespräch offenbaren müssen, dass der Mähdrescher überbreit sei. Dafür, dass der Beklagte einen entsprechenden Hinweis arglistig unterlassen habe, spreche auch, dass er den Mähdrescher in einem Internetportal zum Kauf angeboten und dabei durchaus detaillierte Angaben gemacht, die Breite des Fahrzeugs aber nicht genannt habe.

Der Beklagte hat insbesondere eingewandt, es sei auch in Deutschland keinesfalls ausgeschlossen, dass es Bauernhöfe gebe, die – wie seiner – durch private Feldwege mit den dazugehörigen Feldern verbunden seien. Beim Erstellen des Internetinserats habe er, der Beklagte, kein Pflichtfeld mit der Breite des Mähdreschers ausfüllen müssen.

Klage und Widerklage hatten keinen Erfolg.

Aus den Gründen: II. Der Kläger kann sich weder durch Anfechtung (dazu unter II 1) noch im Wege des Rücktritts (dazu unter II 2) von dem zwischen den Parteien (unstreitig) am 10.06.2020 mündlich geschlossenen Kaufvertrag über den Mähdrescher lösen. Er hat daher keinen Anspruch auf Rückabwicklung des streitgegenständlichen Kaufs.

1. Eine Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung des Klägers durch den Beklagten scheidet aus. Der Kläger ist hinsichtlich des Anfechtungsgrunds beweisfällig geblieben.

a) Gemäß § 123 I Fall 1 BGB kann derjenige, welcher zur Abgabe einer Willenserklärung (hier: zum Abschluss eines Kaufvertrags) „durch arglistige Täuschung … bestimmt“ worden ist, die Erklärung anfechten (andere Anfechtungsgründe macht der Kläger weder geltend, noch sind solche im Streitfall sonst ersichtlich).

aa) Dies erfordert in objektiver Hinsicht zunächst eine Täuschungshandlung. Darunter ist die Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums durch Vorspiegelung falscher oder durch Unterdrückung wahrer Tatsachen zu verstehen, wobei die Täuschung durch positives Tun oder durch Unterlassen erfolgen kann. Im Fall einer Täuschung durch Verschweigen von wertbildenden Merkmalen (hier: der Überbreite des Mähdreschers) gilt, dass sich grundsätzlich derjenige, der einen Vertrag schließt, selbst darüber zu vergewissern hat, ob das Geschäft für ihn von Vorteil ist oder nicht. Das Verschweigen von Tatsachen stellt danach nur dann eine Täuschungshandlung dar, wenn eine entsprechende Offenbarungspflicht besteht, wobei entscheidend ist, ob der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung im Einzelfall redlicherweise eine Aufklärung über den verschwiegenen Umstand erwarten durfte. Insbesondere ist über solche Umstände aufzuklären, die nur der eine Vertragsteil kennt und von denen er weiß oder wissen muss, dass sie für den anderen Teil von wesentlicher Bedeutung sind, etwa weil sie den Vertragszweck vereiteln können; zu dieser Fallgruppe gehört auch das von der Klagepartei angeführte Beispiel des Verschweigens eines Unfallschadens (siehe z. B. BeckOK-BGB/​Wendtland, Stand: 01.11.2020, § 123 Rn. 7, 11, 13; jeweils m. w. Nachw.).

bb) Zusätzlich muss die Täuschung in subjektiver Hinsicht „arglistig“ gewesen sein, das heißt, der Täuschende muss wissen und wollen, zumindest aber billigend in Kauf nehmen, dass der andere Teil durch die Täuschung zur Abgabe einer Willenserklärung veranlasst wird, die er andernfalls (so) nicht abgegeben hätte. Im vorliegend in Rede stehenden Fall einer Offenbarungspflicht (hinsichtlich der Überbreite des Mähdreschers) muss der Aufklärungspflichtige wissen oder zumindest damit rechnen und billigend in Kauf nehmen, dass der andere Teil von den verschwiegenen Umständen keine Kenntnis hat und bei Kenntnis den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte. Unbedingt erforderlich ist dabei stets, dass auch der Täuschende selbst die Unrichtigkeit der für den Getäuschten bedeutsamen Umstände kennt. Dem steht es gleich (bedingter Vorsatz), wenn der Täuschende unrichtige Behauptungen ohne tatsächliche Grundlage „ins Blaue hinein“ aufstellt bzw. unzutreffende Angaben macht, zu deren sachgemäßer Beurteilung ihm die erforderlichen Kenntnisse fehlen, und er dem anderen Teil seine fehlende Sachkenntnis verschweigt. Allerdings handelt nicht arglistig, wer gutgläubig unrichtige Angaben macht, mag auch der gute Glaube selbst auf Leichtfertigkeit beruhen; auch grobe Fahrlässigkeit genügt nicht (BeckOK-BGB/​Wendtland, a. a. O., § 123 Rn. 17 m. w. Nachw.).

Im Ergebnis muss also ein Täuschungswille festzustellen sein, der auf lrrtumserregung und Beeinflussung der Willensentschließung beim anderen Teil gerichtet, ist. Das setzt die Kenntnis der Bedeutung des eigenen Verhaltens beim Täuschenden voraus. Ist der Täuschende davon überzeugt, dass seine Angaben für die Entschließung des Erklärenden zur Abgabe seiner Willenserklärung ohne Bedeutung sind, handelt er nicht arglistig (BeckOK-BGB/​Wendtland, a. a. O., § 123 Rn. 18 m. w. Nachw.)

b) Bei Anwendung dieser Maßstäbe auf den Streitfall kann dem Beklagten (bei dem gegebenen Sach- und Streitstand) weder ein Verstoß gegen eine Offenbarungspflicht noch ein arglistiges Verhalten zur Last gelegt werden. Der Beklagte hat sich – aus Sicht des Gerichts schlüssig – sowohl schriftsätzlich als auch informatisch in der mündlichen Verhandlung dahin gehend eingelassen, er habe den Mähdrescher (zusammengefasst) bei der Übernahme der Landwirtschaft von seinem Vater „mit“ übernommen (aktuell sei er dabei, die Landwirtschaft aufzulösen bzw. umzustrukturieren respektive zu verkleinern; von dem Erlös aus dem Kauf des Mähdreschers habe er sich ein Waldgrundstück gekauft). Er habe von den hier streitrelevanten straßenverkehrsrechtlichen Vorgaben betreffend die Zulassung von überbreiten landwirtschaftlichen Arbeitsmaschinen zum Betrieb auf öffentlichen Straßen keine Kenntnis gehabt. Dies sei für ihn (bislang) auch nicht erforderlich gewesen, weil die mit dem Mähdrescher bewirtschafteten Flächen – was der Kläger zuletzt selbst so vorgetragen bzw. eingeräumt hat – im Wesentlichen unmittelbar an die Hofstelle der beklagten Partei angrenzten. Dem Vater seien beim Kauf des Mähdreschers im Jahr 2013 … keine diesbezüglichen Hinweise erteilt worden (zu dieser Zeit gab es, wie der Zeuge Z bestätigte, noch keine bundeseinheitliche Empfehlung für die Erlaubniserteilung zur übermäßigen Straßenbenutzung durch überbreite landwirtschaftliche Arbeitsmaschinen; erst seit 2014 werden solche Fahrzeuge bei einer Breite von über 3,50 m generell nicht mehr zum Betrieb auf öffentlichen Straßen zugelassen, vielmehr bedarf es seither einer Polizeieskorte; auch mit einem „Bayernpaket“ ist aktuell zusätzlich die Heranziehung eines Begleitfahrzeugs notwendig), zumal der Kläger wegen der für ihn relevanten straßenverkehrsrechtlichen Vorgaben von sich aus die Anbringung eines „Bayernpakets“ in die Wege geleitet habe.

Solches verwirklicht keine arglistige Täuschung im vorgenannten Sinne.

Der insoweit beweispflichtige (vgl. BeckOK-BGB/​Wendtland, a. a. O., § 123 Rn. 41) Kläger hat die nach Überzeugung des Gerichts glaubhafte Einlassung des Beklagten nicht zu widerlegen vermocht.

2. Davon ausgehend stehen dem Kläger auch keine kaufvertraglichen Gewährleistungsrechte zu, welche ihn gemäß §§ 434 I, 437 Nr. 2 Fall 1, §§ 323, 440 BGB zum Rücktritt vom gegenständlichen Kaufvertrag über den Mähdrescher berechtigen würden.

Das Gericht brauchte nicht weiter zu vertiefen, ob die Überbreite des Fahrzeugs überhaupt als Sachmangel i. S. von § 434 I BGB qualifiziert werden kann und, falls ja, welche Variante dieser Vorschrift im Streitfall konkret einschlägig wäre (vorliegend spricht vieles dafür, dass wegen der Überbreite, die den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen faktisch ausschließt, zumindest unter dem Gesichtspunkt des § 434 I 2 Nr. 2 BGB ein Sachmangel angenommen werden könnte; wegen der diesbüzglichen Einzelheiten verweist das Gericht auf die Ausführungen des Zeugen Z im Termin am 19.10.2020). Denn Rechte des Klägers wegen eines in der Überbreite (gegebenenfalls) zu erblickenden Mangels sind vorliegend nach § 442 I 2 BGB ausgeschlossen.

a) Gemäß § 442 I 1 BGB sind die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen, wenn er bei Vertragsschluss den Mangel kennt. Liegt, wovon im Streitfall ausgegangen werden muss, keine positive Kenntnis („kennt“) in diesem Sinne vor, bestimmt § 442 I 2 BGB, dass der Käufer die Rechte wegen eines ihm infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt gebliebenen Mangels nur geltend machen kann, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat.

aa) Wie bereits unter II 1 b ausgeführt, steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte dem Kläger die Überbreite des Mähdreschers nicht arglistig verschwiegen hat. Auch ist nicht davon auszugehen, dass der mündlich geschlossene Kaufvertrag eine „Garantie“ des Beklagten umfasste, der Mähdrescher sei so beschaffen, dass er eine bestimmte maximale Breite nicht überschreite bzw. in jedem Fall zum Betrieb auf öffentlichen Straßen zugelassen werden könne. Eine derartige ausdrückliche Zusage des Beklagten hat der Kläger nicht behauptet; von einer solchen konkludent ausgesprochenen Zusicherung kann vor dem Hintergrund der unwiderlegten Einlassung des Beklagten (s. erneut II 1 b) nach Überzeugung der Gerichts im Streitfall nicht die Rede sein.

bb) Grob fahrlässig i. S. von § 442 I 2 BGB handelt der Käufer, wenn er die verkehrserforderliche Sorgfalt in einem ungewöhnlich hohen Maße verletzt und dasjenige unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Dabei ist zwar im Ausgangspunkt zu beachten, dass Käufer prinzipiell nicht zur Untersuchung der Kaufsache oder gar zur Zuziehung eines Sachverständigen verpflichtet ist. Allerdings ist in Literatur und Rechtsprechung allgemein anerkannt, dass der Käufer unter anderem dann nähere Erkundigungen einholen muss, wenn die Umstände des Falls ihn zu besonderer Vorsicht mahnen müssen. Bemerkt er gar Indizien, die konkret dafür sprechen, dass die Sache mangelhaft ist, muss er ihnen weiter nachgehen (siehe z. B. BeckOK-BGB/​Faust, Stand: 01.11.2020, § 442 Rn. 23, 25 m. w. Nachw.). Anders gewendet: Grobe Fahrlässigkeit liegt – zusammengefasst – dann vor, wenn nach bestimmten, dem Käufer bekannten Indizien und Tatsachen der Schluss auf einen möglichen Mangel so nahe liegt, dass es unverständlich erscheint, diesem Verdacht nicht weiter nachzugehen; der Käufer muss also dringend zur Vorsicht und zur weiteren Prüfung anhaltende Umstände außer Acht gelassen haben (MünchKomm-BGB/​Westermann, 8. Aufl., § 442 Rn. 8 m. w. Nachw.).

b) Die unter II 2 a bb genannten rechtlichen Vorgaben zugrunde gelegt, ist dem Kläger nach Überzeugung des Gerichts im Streitfall ein grob fahrlässiges Verhalten anzulasten.

Sein eigener Vortrag in der verfahrenseinleitenden Klageschrift geht bereits dahin, er habe bei der Besichtigung des Mähdreschers am 09.06.2020 erkannt; dass dieser „ersichtlich (!) über 3 m breit“ sei.

Auch der Sachverständige S hat im Termin zur mündlichen Verhandlung auf Fragen des Klägervertreters erklärt, beim Hinschauen auf die Maschine werde erkannt, dass sie überbreit sei. Als er, der Sachverständige, auf die Maschine zugekommen sei, habe er direkt geschätzt, jene sei circa 4 m breit. Wenn er dies sehe, sei dies für ihn Anlass zu messen, ob die zulässigen Breitenmaße eingehalten würden.

Eine solche Messung hat der Kläger – bei dem es sich nicht um einen noch nie mit selbstfahrenden landwirtschaftlichen Arbeitsmaschinen befassten Laien, sondern um einen Landwirt handelt, der wegen der von ihm de facto erkannten „Breite-Problematik“ sogleich eine Nachrüstung mit dem „Bayernpaket“ ins Spiel gebracht hat – indes nicht vorgenommen. Solches erfüllt nach Überzeugung des Gerichts aufgrund der im Streitfall gegebenen konkreten Umstände die Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit.

Der dagegen vorgebrachte Einwand des Klägers, er habe wegen der von ihm nicht erkannten und auch nicht vermuteten ausländischen (italienischen) Fabrikation des Mähdreschers nicht mit der gegebenen Überbreite gerechnet, und diese sei seiner Auffassung nach auch „sicherlich nicht mit bloßen Auge erkennbar“ gewesen, entlastet ihn nicht vom Vorwurf grob fahrlässigen Verhaltens. Vielmehr hätte auch und gerade der Umstand, dass die Überbreite nicht durch bloßen Augenschein erkennbar war, jedermann bei Einhaltung der im vorliegenden Verkehrskreis zu beachtenden Sorgfalt dazu veranlasst, vor Kaufvertragsschluss bei einer Investition in vorliegender Größenordnung (86.275 € brutto) eine Messung vorzunehmen bzw. – wenigstens – den Verkäufer zu der vorliegenden Fahrzeugbreite näher zu befragen. Daran ändert der Umstand nichts, dass speziell für den deutschen Markt produzierte Mähdrescher entsprechend den jeweils in Deutschland geltenden Breitenvorgaben konzipiert werden. Denn vorliegend handelte es sich, was der Kläger wusste, nicht um ein Neufahrzeug, sondern um einen gebrauchten Mähdrescher des Baujahres 2010; auch dies hätte ihn – ungeachtet des Umstands, dass die Typbezeichnung „Fendt“ nicht unmittelbar auf eine italienische Produktion schließen ließ – unbedingt zum Nachmessen oder Nachfragen veranlassen müssen. Dies gilt umso mehr, als auch das Onlineinserat des Mähdreschers keine Angabe zu dessen Breite enthielt.

c) Ein Rücktritt kommt auch wegen der weiteren behaupteten Mängel an den vorderen Reifen und der Handbremse (Riss des Bremsseils) des Mähdreschers nicht in Betracht (hier ist bereits zweifelhaft, ob die diesbzüglichen Ausführungen auf S. 7 der Klageschrift überhaupt als – allenfalls konkludente – Rücktrittserklärung qualifiziert werden können). Denn zum einen wäre insoweit zunächst das Recht des Beklagten zur zweiten Andienung (sog. Vorrang der Nacherfüllung) zu beachten gewesen (§ 323 I BGB; insbesondere wurden im von der Beklagtenseite zurückgewiesenen Forderungsschriftsatz der Klagepartei vom 30.06.2020 [Anlage K 3] weder Mängel an den Reifen noch an der Handbremse geltend gemacht, sodass diesbezüglich nicht von einer ernsthaften und endgültigen Leistungsverweigerung i. S. von § 323 II Nr. 1 BGB ausgegangen werden kann; im Klageverfahren wurde das Vorliegen dieser Mängel von der beklagten Partei bestritten, was insoweit1Gemeint ist: für eine Erfüllungsverweigerung i. S. von § 323 II Nr. 1 BGB. nicht ausreichend ist; siehe z. B. BeckOK-BGB/​H. Schmidt, Stand: 01.11.2020, § 323 Rn. 25 m. w. Nachw.).

Hinzu tritt, ohne dass es darauf noch entscheidend ankommt, dass der Vortrag zu den behaupteten Mängeln an der Bereifung zu unspezifisch ist („defekt“) und daher einem konkreten sachverständigen Begutachtungsauftrag in dieser Form nicht zugänglich gemacht werden konnte (der Auftrag, die vorderen Reifen generell zu untersuchen, hätte eine unzulässige Beweiserhebung „ins Blaue hinein“ dargestellt). Das vom Sachverständigen S gefertigte Lichtbild (Frontaufnahme) des Mähdreschers (S. 2 des schriftlichen Gutachtens vom 17.09.2020) lässt keinen augenscheinlichen Defekt an den vorderen Reifen erkennen.

Soweit angesichts dessen allein auf das – angeblich – mangelhafte Handbremsseil abzustellen wäre, griffe § 323 V 2 BGB ein. Danach kann der Käufer nicht vom Vertrag zurücktreten, wenn der in Rede stehende Sachmangel unerheblich ist. Dabei ist bei – wie hier – behebbaren Mängeln der Kaufsache der für eine Mängelbeseitigung erforderliche Aufwand ins Verhältnis zum Kaufpreis (hier 86.275 €) zu setzen, wobei in der Regel als Grenze einer unerheblichen Pflichtverletzung ein Aufwand von fünf Prozent des Kaufpreises (hier circa 4.000 €) angesetzt wird (siehe z. B. BeckOK-BGB/​H. Schmidt, a. a. O., § 323 Rn. 47 m. w. Nachw.). Die Klagepartei hat nicht vorgetragen und es liegt (auch nach der forensischen Erfahrung des Einzelrichters) keineswegs auf der Hand, dass bereits die Reparatur (allein) des Handbremsseils mehr als circa 4.000 € kosten würde.

3. Die Nebenforderungen des Klägers teilen das Schicksal seiner Hauptforderung (Klageabweisung).

III. 1. Dem Beklagten steht kein Anspruch auf Ersatz der von ihm geltend gemachten „Standgebühr“ (Lagerkosten) zu. Zwar bestimmt § 304 BGB, dass der Schuldner (hier: der Beklagte in Bezug auf die – untechnisch formuliert – Überlassung des Mähdreschers) im Falle des Annahmeverzugs des Gläubigers Ersatz der Mehraufwendungen verlangen kann, die er unter anderem für die Aufbewahrung des geschuldeten Gegenstands machen muss. Voraussetzung ist allerdings, dass die geltend gemachten Mehraufwendungen tatsächlich entstanden sind und auch objektiv erforderlich waren, wofür der Schuldner die Beweislast trägt (siehe z. B. BeckOK-BGB/​S. Lorenz, Stand: 01.11.2020, § 304 Rn. 2, 5). Die tatsächliche Entstehung von Lagerkosten hat der Beklagte mit dem Vortrag, er habe den Mähdrescher auf einer „Wiese“ abgestellt, nicht belegt. Die Vorschrift des § 354 I HGB, wonach Kaufleute unabhängig von den ihnen tatsächlich entstandenen Mehraufwendungen auch ein Lagergeld nach den an dem Orte üblichen Sätzen fordern können, findet im Streitfall keine Anwendung, da der Beklagte gemäß § 3 HGB nicht als Kaufmann zu qualifizieren ist (zum Ganzen z. B. BGH, Urt. v. 14.02.1996 – VIII ZR 185/94, NJW 1996, 1464, 1465; dass der Beklagte gem. § 2 HGB im Handelsregister eingetragen ist, ist weder vorgetragen noch aus seiner Rechnung vom 10.06.2020 erkennbar).

2. Schließlich kann der Beklagte auch nicht den Ersatz der Mehraufwendungen (§ 304 BGB) für die im Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 06.07.2020 (Anlage K 4) enthaltene außergerichtliche Abholungsaufforderung verlangen. Denn der Termin zur Abholung des Mähdreschers war von den Parteien bereits vertraglich für die „KW 25/26 im Juni 2020“ (Anlage K 1), also bis spätestens 29.06.2020, fest vereinbart. Um den Kläger in Annahmeverzug zu versetzen, war ein zweites „erfolgloses Angebot“ gemäß § 296 Satz 1 BGB objektiv nicht erforderlich.

Auch unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes nach § 280 I 1 BGB greift der Anspruch nicht durch, weil sich der Beklagte bei der gegebenen Sachlage nicht zur Zuhilfenahme eines Rechtsanwalts veranlasst sehen musste, allein um den Kläger (gesondert und absehbar erfolglos) zur Abholung des Mähdreschers aufzufordern (vgl. Palandt/​Grüneberg, BGB, 79. Aufl., § 249 Rn. 57). …

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