Eine defekte Zylinderkopfdichtung ist bei einem über zehn Jahre alten Gebrauchtwagen auch dann kein Sachmangel i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB, sondern eine übliche Verschleißerscheinung, wenn die Laufleistung des Fahrzeugs (hier: 58.295 km) bei Abschluss des Kaufvertrags relativ gering war.

AG Limburg, Urteil vom 09.11.2020 – 4 C 393/20 (10)

Sachverhalt: Der Kläger erwarb von dem in Limburg ansässigen Beklagten am 01.02.2019 für 1.500 € einen Gebrauchtwagen. Das 2005 erstzugelassene Fahrzeug hatte seinerzeit eine Laufleistung von 58.295 km. Im schriftlichen Kaufvertrag heißt es unter anderem, der Pkw werde „unter Ausschluss jeglicher Sachmängelhaftung“ verkauft.

Am 21.05.2019 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass der Motor des Fahrzeugs sehr heiß werde und dieses Wasser verliere; offenbar sei die Zylinderkopfdichtung defekt. Der Beklagte erwiderte, dass der Kläger den Pkw nach Limburg bringen müsse, damit der Wagen dort nachgebessert werden könne, falls ein entsprechender Gewährleistungsanspruch bestehe. Er wies den Kläger ausdrücklich darauf hin, dass dieser keinesfalls mit dem Pkw nach Limburg fahren dürfe, weil es dann zu einem Motorschaden kommen werde.

In der Folgezeit gelangte das streitgegenständliche Fahrzeug zu dem Beklagten, der einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragte und für dieses Gutachten vom 13.01.2020 Kosten in Höhe von 513,84 € aufwandte.

Der Kläger erklärte mit Schreiben vom 23.12.2019 seinen Rücktritt von dem mit dem Beklagten geschlossenen Kaufvertrag. Mit seiner Klage hat er den Beklagten auf Rückabwicklung dieses Vertrags und den Ersatz außergerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten in Anspruch genommen und behauptet, der Beklagte habe eine Nachbesserung des streitgegenständlichen Pkw verweigert. Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und von dem Kläger widerklagend den Ersatz der für das Gutachten aufgewendeten Kosten nebst Zinsen verlangt.

Klage und Widerklage hatten keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Die zulässige Klage und die zulässige Widerklage sind nicht begründet.

Rücktritt vom Kaufvertrag

Ein Sachmangel des Kaufgegenstands liegt nicht vor.

Ein Sachmangel (§ 434 I BGB) liegt dann vor, wenn die vereinbarte Sollbeschaffenheit von der Istbeschaffenheit abweicht. Eine besondere Vereinbarung oder eine ausdrückliche Zusicherung einer besonderen Eigenschaft wurde zwischen den Parteien nicht getroffen. Der typische Verwendungszweck eines Kraftfahrzeugs ist jedoch die Teilnahme am Straßenverkehr und die Fahrtüchtigkeit. Aufgrund des Motorschadens, ausgelöst durch den Defekt der Zylinderkopfdichtung, ist die übliche Verwendung des Kraftfahrzeugs nicht mehr gegeben. Gleichwohl liegt nach Auffassung des Gerichts eine Abweichung der Soll- von der Istbeschaffenheit nicht vor. Bei der Beurteilung ist darauf abzustellen, welchen Fahrzeugzustand/​welche Fahrzeugbeschaffenheit gemäß dem objektiven Käuferhorizont der Kläger erwarten durfte. Bei einem Fahrzeug, das erstmals im Jahr 2005 zum Straßenverkehr zugelassen wurde und im Jahre 2019 veräußert wird, muss jeder Käufer mit üblichen Alterungsprozessen im Bereich von Getriebe und Dichtungen ausgehen. Zwar ist ein Defekt der Zylinderkopfdichtung keine Verschleißerscheinung im engeren Sinne wie Bremsen, Reifen und Ähnliches, aber eine typische Erscheinung bei über zehn Jahre alten Kraftfahrzeugen unabhängig vom Kilometerstand, der bei dem vorliegenden Fahrzeug mit 58.295 bei Abschluss des Kaufvertrags relativ gering war.

Der jeweilige Käufer eines sehr alten Fahrzeugs muss damit rechnen, dass verschiedene wichtige Fahrzeugteile aufgrund des üblichen Alterungsprozesses ausfallen beziehungsweise Defekte auch nach einer relativ kurzen Gebrauchszeit (hier: 3½ Monate) auftreten.

Aufgrund des Nichtvorliegens eines Sachmangels liegt eine Berechtigung zum Rücktritt nicht vor.

Sachverständigenkosten

Der Beklagte verfügt gegenüber dem Kläger über keinen Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten. Eine Pflichtverletzung seitens des Klägers durch Erklärung des Rücktritts liegt nicht vor. Zwar ist, wie oben gezeigt, aufgrund des nicht vorliegenden Sachmangels der Rücktritt nicht berechtigt. Die nicht berechtigte Geltendmachung von Rechten führt jedoch nicht zu einer Pflichtverletzung hinsichtlich des streitgegenständlichen Vertrags. Daher besteht gemäß § 280 I BGB kein Anspruch des Beklagten auf Erstattung der Sachverständigenkosten.

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