Beim Kauf eines Gebrauchtwagens von privat ist die Haftung des privaten Verkäufers für Mängel des Fahrzeugs nicht automatisch deshalb ausgeschlossen, weil es sich um ein älteres Fahrzeug handelt. Grundsätzlich hat der Käufer vielmehr auch in diesem Fall wegen eines Mangels die in § 437 BGB genannten Rechte.

AG Essen-Borbeck, Urteil vom 22.08.2019 – 14 C 26/18
(nachfolgend: LG Essen, Hinweisbeschluss vom 10.06.2020 – 13 S 85/19)

Sachverhalt: Der Kläger nimmt die Beklagte im Anschluss an eine abgebrochene eBay-Auktion auf Schadensersatz in Höhe von 1.296 € nebst Zinsen in Anspruch.

Die Beklagte bot im Mai 2014 auf der Internetplattform eBay einen 14 Jahre alten VW Golf IV mit einem Kilometerstand von 226.300 unter Angabe eines Startpreises von 1 € zum Kauf gegen Höchstgebot an. In der Artikelbeschreibung hieß es unter anderem:

„TÜV bis Dezember 2014, vor Kurzem wurde der Zahnriemen, alle dazugehörigen Rollen, Zylinderkopfdichtung, Luftfilter, Motor-Getriebelager gewechselt. Manchmal leuchtet beim Starten die Leuchte Öl Sensor auf.“

Der Kläger gab am 10.05.2014 ein Maximalgebot von 900 € ab.

Die Beklagte beendete die Auktion vorzeitig und strich alle vorhandenen Gebote. In der Folgezeit veräußerte sie das angebotene Fahrzeug an einen Händler.

Der Kläger hat geltend gemacht, er sei bei Abbruch der eBay-Auktion mit einem Gebot von 704 € der Höchstbietende gewesen. Das streitgegenständliche Fahrzeug habe einen Verkehrswert von 2.000 € gehabt, sodass ihm – dem Kläger – folglich ein Schaden in Höhe von 1.296 € entstanden sei.

Die Beklagte hat behauptet, sie habe die eBay-Auktion abgebrochen, weil während einer Probefahrt mit einem Kaufinteressenten der Zahnriemen des streitgegenständlichen Fahrzeugs gerissen sei und dies zu einem Motorschaden geführt habe. Der Pkw sei danach nicht mehr reparaturwürdig gewesen. Die Beklagte meint, ihr habe deshalb ein berechtigter Grund zur vorzeitigen Beendigung der eBay-Auktion zur Seite gestanden.

Die Klage hatte nur teilweise Erfolg.

Aus den Gründen: Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch in Höhe von 396 € aus §§ 280 I, III, 283, 433 I BGB zu.

Die Parteien haben einen Kaufvertrag über den streitgegenständlichen VW Golf geschlossen, indem die Beklagte die Auktion eröffnet hat und der Kläger ein Maximalgebot abgab. Die Willenserklärungen, die im Rahmen der Plattform eBay abgegeben werden, sind nach §§ 133, 157 BGB vor dem Hintergrund der eBay-AGB auszulegen. Danach stellt bereits das Warenangebot ein verbindliches Vertragsangebot dar, das durch die Bestellung (Höchstgebot) des Kunden angenommen wird, sodass in diesem Moment der Vertrag geschlossen ist (Föhlisch, in: Hoeren/Sieber/Holznagel [Hrsg.], Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.4 Rn. 195). Dabei ist ein Angebot bei einer eBay-Auktion so auszulegen, dass es unter dem Vorbehalt einer (nach diesen eBay-Bedingungen) berechtigten Angebotsrücknahme steht.

Die Beklagte bleibt beweisfällig für einen berechtigten Grund zur Gebotsrücknahme.

Unter Auslegung der Hinweise von eBay zum vorzeitigen Auktionsabbruch ist eine eintretende nicht verschuldete Unmöglichkeit der Übergabe ein berechtigter Grund; auch ein nachträglich eintretender Mangel von einer gewissen Erheblichkeit, den der Anbieter nicht zu vertreten hat, kann ein Recht zur vorzeitigen Beendigung der Auktion begründen (AG Eschweiler, Urt v. 01.10.2013 – 26 C 111/13, BeckRS 2013, 19100).

Die Beklagte bleibt vorliegend beweisfällig dafür, dass der VW Golf unverschuldet untergegangen ist oder ein erheblicher Mangel unverschuldet eintrat. Das Gericht ist nach der Beweisaufnahme nicht überzeugt davon, dass das Fahrzeug tatsächlich nach einer Probefahrt einen solchen Motorschaden erlitten hat, dass (subjektive) Unmöglichkeit eingetreten ist, oder dass ein erheblicher Mangel vorlag, der kausal für die Gebotsrücknahme war. Die Angaben der Beklagten und des Zeugen Z zum Zustand des Fahrzeugs nach der Probefahrt sind bereits nicht miteinander vereinbar. So führte die Beklagte aus, dass das Fahrzeug nicht mehr repariert werden sollte, während der Zeuge Z gerade eine Reparatur bestätigte. Welche Reparaturschritte konkret durchgeführt wurden, ist nach der Beweisaufnahme nicht eindeutig festzustellen, sodass auch nicht beurteilt werden kann, welches Ausmaß die Beschädigung hatte. So sind die Aussagen des Zeugen Z, wann welche Reparatur durchgeführt wurde, widersprüchlich. Zunächst schilderte er, dass vor dem Anbieten bei eBay nur der Zahnriemen zu reparieren gewesen sei und dass auch im Anschluss der Zahnriemen und ein Ventil repariert worden seien. Auf Vorhalt der eBay-Anzeige schilderte der Zeuge wiederum, dass noch andere Reparaturschritte bei der ersten Reparatur durchgeführt worden seien und dass bei der zweiten Reparatur auch noch das Motorlager gewechselt worden sei. Da der Zeuge sich selbst als Kfz-Techniker bezeichnet, ist es auch unwahrscheinlich , dass die unterschiedlichen Schilderungen auf einem Versehen zum Beispiel hinsichtlich der einzelnen Fahrzeugteile beruhen.

Zudem kann hier nicht festgestellt werden, dass ein Mangel unverschuldet eingetreten ist. Dass die Probefahrt mit einem der Bieter der eBay-Auktion stattgefunden hat, trägt die Beklagte bereits nicht vor. Während der Laufzeit der eBay-Auktion bestand für die Beklagte aber gerade kein Anlass, weitere Probefahrten mit anderen Interessenten durchzuführen.

Die Beklagte hat dem Kläger das Fahrzeug entgegen ihren Verpflichtungen aus § 433 I BGB nicht übergeben und übereignet.

Die Erfüllung der Vertragspflichten wurde nach dem Vertragsschluss auch unmöglich (§ 275 I BGB), die Beklagte war nicht mehr Eigentümerin des Fahrzeugs. Da die Beklagte nicht angeben konnte, an wen das Fahrzeug veräußert wurde, muss davon ausgegangen werden, dass sie die Verfügungsmacht nicht mehr erlangen und zur Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs auch nicht auf die Sache einwirken kann (s. BeckOK-BGB/Lorenz, Stand: 01.08.2019, § 275 Rn. 47). Bei einem Gebrauchtwagenkauf ist regelmäßig eine Ersatzlieferung wegen des Unikatcharakters des Gebrauchtwagens nicht möglich (s. BGH, Urt. v. 12.03.2008 – VIII ZR 253/05, NJW 2008, 1517 Rn. 21).

Der Schaden des Klägers wird mit 396 € beziffert (§ 287 ZPO). Die Höhe des Schadens ergibt sich dabei aus der Different des Kaufpreises und des Marktpreises im Zeitpunkt des Erlöschens des Primärerfüllungsanspruchs (BeckOK-BGB/J. W. Flume, Stand: 01.08.2019, § 249 Rn. 277).

Der Wert des Fahrzeugs beträgt 1.100 € (§ 287 ZPO). Dabei folgt das Gericht hinsichtlich der bewertungstechnischen Fragen dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen S. Der Sachverständige verfügt für die Bewertung eines Fahrzeugs als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Kfz-Schäden- und Bewertung über die notwendige Sachkunde. Der Sachverständige hat die über das streitgegenständliche Fahrzeug vorhandenen Informationen ausgewertet und anhand von in der Praxis verwendeten Bewertungssystemen den Wert des Fahrzeugs ermittelt. Seihe Ausführungen hat er in der mündlichen Anhörung erneut erläutert und vor allem verständlich darauf abgestellt, dass eine Gesamtbetrachtung vorgenommen werden muss.

Nach den Erläuterungen des Sachverständigen ist es für das Gericht überzeugend, sich vor allem an den Werten aus dem System „WinValue“ zu orientieren. Dieses System, das eine rückwirkende Wertermittlung für den Zeitraum des eBay-Verkaufs ermöglicht, bildet am besten von den Systemen (DAT, Schwacke-Liste) den Markt ab.

Der ermittelte Durchschnittswert in Höhe von 1.400 € ist dabei anhand der konkreten weiteren Merkmale des streitgegenständlichen Fahrzeugs im Wege einer Gesamtbetrachtung zu korrigieren. Die als Vergleichsgrundlage genommenen Fahrzeuge spiegeln in ihrer Ausstattung nicht diejenige des streitgegenständlichen Fahrzeugs wieder. Abzüge sind wegen der Beschreibung der aufleuchtenden Lampe Öl-Sensor beim Start und der begrenzten HU-Gültigkeitsdauer vorzunehmen. Dabei ist bei der aufleuchtenden Lampe Öl-Sensor von der Notwendigkeit einer größeren Wertminderung zwischen 300 bis 500 € auszugehen, da diese Beschreibung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das Vorliegen eines größeren Mangels wie eines defekten Öldruckschalters schließen lässt. Nach lebensnaher Auslegung ist nicht anzunehmen, dass lediglich ein zu geringer Ölstand vorgelegen hat. So ist dies zum einen nicht mit der Problembeschreibung vereinbar, dass das Problem manchmal beim Starten auftritt (und nicht durchgehend vorhanden ist). Zum anderen ist im Kontext der in der Anzeige beschriebenen Reparaturschritte nicht realistisch, dass ein kleineres Problem nicht behoben worden sein soll. Auch die begrenzte HU-Dauer von 7,5 Monaten führt zu einer höheren Wertminderung, da der technische Zustand nur noch für die genannte Zeit abgedeckt ist, während zumeist bei gebrauchten Fahrzeugen gerade vor dem Verkauf eine HU-Abnahme stattfindet. Auch die Arbeiten am Motor, die eine Zerlegung desselben erforderlich gemacht haben, sind als Risiko in die Wertminderung einzustellen.

Das Gericht ist sich bewusst, dass bei dieser Gesamtbetrachtung, die zu einem Verkehrswert von 900 € (ohne Einbeziehung der Gewährleistung) geführt hat, nicht immer mit exakten Werten gearbeitet wurde. Die Einschätzung des Sachverständigen mit der in der mündlichen Verhandlung ergänzten Bezifferung der Gewährleistung hält es aber für überzeugend. Es liegt in der Natur der Sache, dass bei gebrauchten Fahrzeugen und bei: diesen vorhandenen Mängeln eine Schätzung anhand des konkreten Fahrzeugs erfolgen muss.

Ergänzt werden muss diese Schätzung in Höhe von 900 € um den Wert der Gewährleistung. Das Gericht sieht hier keinen konkludenten Gewährleistungsausschluss allein in der Tatsache, dass es sich hier um einen Gebrauchtwagenkauf unter Privatleuten gehandelt hat. Es ist für den Kläger aus dem objektiven Empfängerhorizont nicht erkennbar gewesen, dass die Gewährleistung ausgeschlossen werden sollte. Die Anwendbarkeit der §§ 437 ff. BGB ist grundsätzlich auch bei einem solchen Kauf gegeben. Im Sinne der Privatautonomie gibt es auch keinen allgemeingültigen Erfahrungssatz, dass bei einem Privatkauf eines älteren Fahrzeugs die Gewährleistung automatisch ausgeschlossen ist. Der Wert einer solchen vorhandenen Gewährleistung kann im vorliegenden Fall nicht höher als mit 200 € bewertet werden. Ansatzpunkt für eine Wertermittlung ist die Differenz des Händlereinkaufspreises und des Händlerverkaufswerts, so wie sie nach dem DAT-System ermittelt worden ist. In dieser Differenz von 800 € sind einerseits die Rücklagen für die Gewährleistung und andererseits der Unternehmergewinn enthalten. Für die Gewährleistung wäre dann circa die Hälfte der Summe anzusetzen, wobei wiederum der konkrete Zustand des Fahrzeugs zu berücksichtigen ist. Dieser ist in der genannten DAT-Bewertung noch nicht enthalten gewesen. Auch hier ergibt sich der ermittelte Wert in Höhe von 200 € durch eine zulässige Gesamtbetrachtung, in der der Zustand des Fahrzeugs berücksichtigt wird. …

Hinweis: Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Das LG Essen hat sie mit Beschluss vom 27.07.2020 – 13 S 85/19 – zurückgewiesen, nachdem es mit Beschluss vom 10.06.2020 – 13 S 85/19 – auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hingewiesen hatte.

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