1. Ein Nissan Navara King Cab der dritten Generation (D40) ist kraftfahrzeugsteuerrechtlich als Pkw einstufen.
  2. Die Größe der Ladefläche und ihr Verhältnis zu der Fläche, die für die Personenbeförderung vorgesehen ist, ist nur ein Gesichtspunkt bei der steuerrechtlichen Einordung eines Fahrzeugs als Pkw oder als Lkw. Ihm kommt umso größere Bedeutung zu, je deutlicher die Ladefläche die für die Personenbeförderung vorgesehene Fläche überwiegt. Ist die Ladefläche nur unwesentlich größer als die für die Personenbeförderung vorgesehene Fläche, spricht dies eher dafür, dass ein Fahrzeug nicht vorwiegend der Lastenbeförderung zu dienen geeignet und bestimmt ist (im Anschluss an FG Dessau, Urt. v. 04.12.2013 – 5 K 510/10, juris).

FG Düsseldorf, Urteil vom 27.03.2014 – 8 K 1038/13 Verk

Sachverhalt: Streitig ist, ob das Kraftfahrzeug des Klägers kraftfahrzeugsteuerrechtlich als Pkw oder als Lkw einzustufen ist.

Der Kläger ist seit dem 23.08.2012 Halter eines am Vortag erstzugelassenen Nissan Navara King Cab (D40).

Das Fahrzeug ist verkehrsrechtlich als Lkw (offener Kasten) der Klasse N1 zugelassen. Es handelt sich um ein Pick-up-Fahrzeug mit einer Eineinhalbkabine und einer offenen Ladefläche. Die Fahrerkabine ist in sich abgeschlossen und von der Ladefläche getrennt; sie ist rundum verglast. Fahrer- und Beifahrertür sind vorne, die rückwärtigen Türen sind hinten angeschlagen (sog. Doppeltüren) und kleiner als die Vordertüren. Die der Personenbeförderung dienende Fläche weist eine Größe von 2,36 m² (1. Fläche: 1,50 m Breite, 1,15 m Länge; 2. Fläche: 1,40 m Breite, 0,45 m Länge) und die Ladefläche eine Größe von 2,9 m² (1,56 m Breite, 1,86 m Länge) auf. Das Fahrzeug ist mit vier Sitzen zum Verkehr zugelassen. Alle Sitze sind gepolstert und mit Sicherheitsgurten sowie Kopfstützen ausgestattet. Das Fahrzeug verfügt laut Fahrzeugbrief über ein Leergewicht von 1.970 kg und ein zulässiges Gesamtgewicht von 3.110 kg. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 180 km/h.

Das – zunächst zuständige – Finanzamt stufte das Fahrzeug des Klägers als Pkw ein und besteuerte es gemäß § 8 Nr. 1 lit. b KraftStG i. V. mit § 9 I Nr. 2 KraftStG. Mit Bescheid vom 17.09.2012 setzte es die Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit ab 23.08.2012 auf jährlich 461 € fest.

Der Kläger hat nach erfolglosem Vorverfahren die vorliegende Klage erhoben.

Er meint, sein Fahrzeug sei steuerrechtlich als Lkw einzuordnen, weil aufgrund der objektiven Beschaffenheit des Fahrzeugs seine Eignung und Bestimmung zur Lastenbeförderung deutlich überwiege. Die Ladefläche sei größer als die der Personenbeförderung dienende Fläche. Auch sei in die Fläche der Fahrgastkabine – die dementsprechend nur etwa 2 m² betrage – nicht der Pedal- und Funktionsbereich einzubeziehen. Zu beachten sei ferner, dass das Fahrzeug nicht über vier vollwertige Sitzplätze verfüge, sondern sich hinten nur zwei einzelne hochklappbare Notsitze befänden, und das Fahrzeug lediglich zwei Türen habe. Schließlich spreche auch die Ausstattung des Fahrzeugs mit Leiterrahmen, Starrachse und Blattfedern an der Hinterachse deutlich für eine Einstufung als Lkw.

Die Zuständigkeit des beklagten Finanzamts endete am 13.02.2014. Das nunmehr zuständige Hauptzollamt ist infolge des gesetzlichen Parteiwechsels in die Beklagtenstellung eingetreten.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Der angefochtene Kraftfahrzeugsteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Das Fahrzeug des Klägers wurde zu Recht als Pkw gemäß § 8 Nr. 1 lit. b KraftStG i. V. mit § 9 I Nr. 2 KraftStG besteuert. Es handelt sich bei dem Fahrzeug des Klägers kraftfahrzeugsteuerrechtlich um einen Pkw und nicht um ein „anderes Fahrzeug“ i. S. des § 8 Nr. 2 KraftStG, insbesondere nicht um einen Lkw.

Für das KraftStG ist der kraftfahrzeugsteuerrechtliche Begriff des Pkw, wie er in § 4 IV Nr. 1 PBefG enthalten ist, maßgebend (BFH, Urt. v. 01.10.2008 – II R 63/07, BStBl. II 2009, 20). Pkw sind danach solche Kfz, die nach ihrer Bauart und Ausstattung zur Beförderung von nicht mehr als neun Personen (einschließlich Fahrer) geeignet und bestimmt sind. Dabei ist anhand der objektiven Beschaffenheit des Fahrzeugs unter Berücksichtigung aller Merkmale in ihrer Gesamtheit zu beurteilen, ob ein Kfz nach Bauart und Ausstattung zur Beförderung von Personen dient oder zur Beförderung von Gütern bestimmt ist (dann Lkw, § 4 IV Nr. 3 PBefG). Nach ständiger höchstrichterliche Rechtsprechung sind als für die Einstufung relevante Merkmale zu berücksichtigen die Zahl der Sitzplätze, die Größe der Ladefläche, die verkehrsrechtlich zulässige Zuladung, die Ausstattung mit Sitzbefestigungspunkten und Sicherheitsgurten, die Verblechung der Seitenfenster, die Beschaffenheit der Karosserie und des Fahrgestells, die Motorisierung und die damit erreichbare Höchstgeschwindigkeit, das äußere Erscheinungsbild und bei Serienfahrzeugen die Konzeption des Herstellers (BFH, Urt. v. 01.10.2008 – II R 63/07, BStBl. II 2009, 20). Dabei kann kein Merkmal von Bauart und Einrichtung des Fahrzeugs als von vornherein allein entscheidend angesehen werden (BFH, Beschl. v. 07.11.2006 – VII B 79/06, BFH/NV 2007, 778).

Unter Berücksichtigung der Gesamtheit aller Merkmale und Bewertung der objektiven Beschaffenheit ist das Fahrzeug des Klägers als Pkw i. S. des § 8 Nr. 1 KraftStG einzustufen. Das Fahrzeug ist aufgrund der Gesamtwürdigung nach Bauart und Einrichtung zur Beförderung von nicht mehr als neun Personen einschließlich des Fahrers geeignet und bestimmt.

Einzuräumen ist, dass das Fahrzeug über eine Ladefläche verfügt, die 55,13 % der Nutzfläche ausmacht. Die Ladefläche des Fahrzeugs weist einschließlich der Fläche der Radkästen (vgl. BFH, Urt. v. 29.08.2012 – II R 7/11, BStBl. II 2013, 93) eine Grundfläche von 2,9 m² auf. Bei der Fläche der Fahrgastkabine ist von einer Größe von 2,36 m² auszugehen. Denn bei der Berechnung der Fläche für die Personenbeförderung ist die Fläche des vor dem Fahrersitz befindlichen Fußraums einzubeziehen (vgl. BFH, Urt. v. 01.10.2008 – II R 63/07, BStBl. II 2009, 20).

Trotz der Größe der Ladefläche ist die Einstufung als Pkw zutreffend, da die Ladefläche die zur Personenbeförderung dienende Fläche lediglich unwesentlich überwiegt. Der Umstand, dass die Ladefläche die Hälfte der Nutzfläche überschreitet, stellt ein für die Einstufung als Lkw nicht allein entscheidendes Indiz dar (vgl. auch BFH, Beschl. v. 21.02.2006 – VII B 171/05, BFH/NV 2006, 1352). Der BFH erachtete es zwar für gerechtfertigt, typisierend davon auszugehen, dass Fahrzeuge nicht vorwiegend der Lastenbeförderung zu dienen geeignet und bestimmt sind, wenn ihre Ladefläche nicht mehr als die Hälfte der gesamten Nutzfläche ausmacht (z. B. BFH, Urt. v. 29.08.2012 – II R 7/11, BStBl. II 2013, 93). Ist die Ladefläche hingegen größer als die für die Personenbeförderung vorgesehene Fläche ist, geht die Rechtsprechung nicht umgekehrt typisierend von der Eigenschaft des Fahrzeugs als Lkw aus. Dabei ist die Größe der Ladefläche und ihr Verhältnis zur Fläche für die Personenbeförderung nur ein Gesichtspunkt im Rahmen der Gesamtabwägung, dem umso größere Bedeutung zukommt, je deutlicher die Ladefläche die Fläche für die Personenbeförderung überwiegt. Überwiegt die Ladefläche die zur Personenbeförderung dienende Fläche nur unwesentlich, spricht dies eher dafür, dass das Fahrzeug nicht vorwiegend der Lastenbeförderung zu dienen geeignet und bestimmt ist (vgl. FG Dessau, Urt. v. 04.12.2013 – 5 K 510/10, juris).

Ferner verfügt das Fahrzeug – für einen Pkw üblich – über vier vollwertig mit Sicherheitsgurten und Kopfstützen ausgestattete Sitzplätze, die über zwei Doppeltüren zu erreichen sind. Es kann dahinstehen, ob es sich, wie der Kläger anführt, bei den hinteren Sitzen tatsächlich um „Notsitze“ handelt. Es kommt für die Einstufung als Pkw nicht darauf an, dass die Beförderung für die Personen besonders bequem oder komfortabel ist (vgl. FG Köln, Urt. v-. 28.06.2013 – 6 K 3384/08, EFG 2013 1703). Denn die maßgebliche Zahl der Sitzplätze zur Abgrenzung eines Pkw von einem anderen Fahrzeug i. S. des § 8 Nr. 2 KraftStG ist von der Zulassungsstelle zu ermitteln und festzustellen, allein die verkehrsrechtliche Zulassung ist entscheidend (vgl. BFH, Beschl. v. 18.03.2008 – II B 94/07, BFH/NV 2008, 1204).

Auch die geringe Zuladungsmöglichkeit des Fahrzeugs des Klägers spricht dafür, dass es nicht vorrangig zur Beförderung von Gütern bestimmt ist. Denn ein Lkw wird maßgeblich durch die Möglichkeit geprägt, Lasten von erheblichem Umfang zu befördern (BFH, Urt. v. 24.02.2010 – II R 6/08, BStBl. II 2010, 994). Bei einer Zuladung von 1.140 kg und einem zulässigen Gesamtgewicht von 3.110 kg ergibt sich eine für einen Pkw typische Zuladungsmöglichkeit von lediglich 36,65 % des zulässigen Gesamtgewichts. Eine Zuladung in diesem geringen Umfang wird durch die Rechtsprechung allgemein nicht als so hoch angesehen, dass sie eine überwiegende Verwendung des Fahrzeugs zum Gütertransport eindeutig indiziert (BFH, Urt. v. 29.08.2012 – II R 7/11, BStBl. II 2013, 93).

Die vorwiegende Eignung des Fahrzeugs des Klägers zur Personenbeförderung wird außerdem dadurch unterstrichen, dass die Fahrzeugkabine für einen Pkw typisch rundum verglast ist. Das äußere Erscheinungsbild des Fahrzeugs mit den Doppeltüren entspricht dem eines Pkw. Demgegenüber fallen die übrigen von dem Kläger vorgetragenen Umstände, die seiner Ansicht nach für einen Lkw sprechen, nicht entscheidend ins Gewicht. Auch die für einen Pkw übliche Motorisierung und die Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h lassen den Schluss zu, dass das Fahrzeug nicht vorwiegend zum Transport von Gütern, sondern von Personen geeignet und bestimmt ist (vgl. auch BFH, Urt. v. 29.08.2012 – II R 7/11, BStBl. II 2013, 93).

Eine andere steuerliche Behandlung des Fahrzeugs ergibt sich auch nicht aus der Novellierung des KraftStG durch das Verkehrsteueränderungsgesetz vom 05.12.2012, mit dem insbesondere § 2 II KraftStG neugefasst und § 2 IIa KraftStG aufgehoben wurde. Das Fahrzeug des Klägers ist auch unter Geltung der Neuregelung des KraftStG als Pkw zu besteuern. Zwar besteht ab dem 12.12.2012 eine Bindungswirkung an die verkehrsrechtliche Klassifizierung der Kraftfahrzeuge; entsprechend wäre das Fahrzeug des Klägers grundsätzlich nach dem zulässigen Gesamtgewicht zu besteuern, da ihm die Fahrzeugklasse N1 bescheinigt wurde. Der Gesetzgeber hat jedoch – aus umweltpolitischen Gründen – in der Übergangsregelung in § 18 XII KraftStG festgelegt, dass weiterhin § 9 I Nr. 2 KraftStG anzuwenden ist, wenn die Feststellungen der Zulassungsbehörden hinsichtlich der Fahrzeugklassen und Aufbauarten zu einer niedrigeren Steuer als unter Berücksichtigung des § 2 IIa KraftStG in der am 01.07.2010 geltenden Fassung führen (vgl. Zens/Haßlbeck, in: Strodthoff, KraftStG, § 18 Rn. 24). Dies ist hier der Fall, da eine durch die Neuregelung anzunehmende Besteuerung nach dem zulässigen Gesamtgewicht unstreitig zu einer niedrigeren Steuer führen würde als unter der Anwendung von § 2 IIa KraftStG …

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