1. Ein Verkäufer muss einen Käufer nach der Verkehrssitte nur dann darüber aufklären, dass über sein Vermögen das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet wurde, wenn die Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens den Vertragszweck gefährdet und deshalb objektiv für den Kaufentschluss des Käufers von wesentlicher Bedeutung ist.
  2. Zur Aufklärung über eine wirtschaftliche Bedrängnis des Verkäufers oder über die Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens besteht dann Veranlassung, wenn der Verkäufer weiß, dass er ihn treffende Verpflichtungen nicht erfüllen kann.

LG Saarbrücken, Urteil vom 14.09.2012 – 5 S 18/12

Sachverhalt: Der Kläger ist der Insolvenzverwalter der Firma F, über deren Vermögen am 15.02.2010 das vorläufige und am 20.04.2010 das endgültige Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Er begehrt von dem Beklagten Schadensersatz wegen der verweigerten Abnahme eines Kaminofens.

Der Beklagte und die Firma F schlossen am 13.04.2010 einen schriftlichen Kaufvertrag über einen Kaminofen zum Preis von 4.900 €. Nach den Allgemeinen Geschäftsbedinungen der Firma F, die zum Gegenstand des Vertrags gemacht wurden, beträgt der von einem Käufer zu zahlende Schadensersatz pauschal 25 % des Nettoauftragswerts.

Am 13.05.2010 erklärte der Beklagte den Rücktritt von dem mit der Firma F geschlossenen Kaufvertrag mit der Begründung, er habe am 11.05.2010 erfahren, dass die Firma F in Insolvenz geraten sei. Mit Schreiben vom 07.06.2010 erklärte der Beklagte außerdem die Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung.

Das AG Saarbrücken hat den Beklagten verurteilt, an den Kläger 1.029,41 € nebst Zinsen zu zahlen sowie ihn von vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 130,50 € freizustellen. Zur Begründung hat es ausgeführt, zwischen der Firma F und dem Beklagten sei ein Kaufvertrag über einen Kaminofen zustande gekommen. Diesen Vertrag habe der Beklagte nicht wirksam widerrufen. Er sei auch nicht zur Anfechtung des Vertrags berechtigt gewesen. Es liege keine Täuschung durch Verschweigen von Tatsachen vor, da die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Firma F im Internet veröffentlicht worden sei. Der Beklagte könne sich nicht darauf berufen, von dieser öffentlichen Bekanntmachung nichts gewusst zu haben.

Die Berufung des Beklagten hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: B. … II. Das Amtsgericht hat in Höhe des noch streitgegenständlichen Betrags von 1.029,41 € nebst Zinsen und anteiliger vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten der Schadensersatzklage des Klägers zu Recht stattgegeben.

1. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Firma F, die mit dem Beklagten den streitgegenständlichen Kaufvertrag über einen Kaminofen zum Preis von 4.900 € abgeschlossen hat, ist das Recht der Firma F, über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verfügen, auf den Kläger als Insolvenzverwalter übergegangen (§ 80 I InsO). Der Kläger ist deshalb berechtigt, die der Firma F als Insolvenzschuldnerin gegen den Beklagten aus §§ 281, 280, 249 II, 252 BGB zustehende Schadensersatzforderung einzuklagen.

Dieser Schadensersatzanspruch besteht deshalb, weil der Beklagte die Abnahme (vgl. § 433 II BGB) des gekauften Kaminofens ernsthaft und endgültig verweigert hat, ohne dazu berechtigt gewesen zu sein. Die Höhe des Schadensersatzanspruchs in Form des der Firma F entgangenen Gewinns (§ 252 BGB) beträgt laut den zwischen den Parteien vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen pauschal 25 % des Nettoauftragswerts.

Somit ist der Beklagte verpflichtet, an den Kläger die erstinstanzlich zugesprochenen 1.029,41 € zu zahlen.

2. Es kann dahinstehen, ob dem Beklagten ein Widerrufsrecht aus § 312 BGB zugestanden hat. Dies hinge davon ab, ob die [Veranstaltung], auf der der streitgegenständliche Kaufvertrag abgeschlossen worden ist, eine Freizeitveranstaltung i. S. des § 312 II 1 Nr. 2 BGB darstellt oder ob es sich dabei eher um eine markt- oder messeähnliche Leistungsschau handelt (vgl. zur Problematik Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl., § 312 Rn. 16 m. w. Nachw.). Diese Problematik kann deshalb offenbleiben, weil auf jeden Fall innerhalb der zweiwöchigen Widerrufsfrist (vgl. § 355 II BGB) der Widerruf des Beklagten nicht erklärt worden ist. Der Vertrag ist am 13.04.2010 abgeschlossen worden. Der Widerruf erfolgte erst mit Schreiben vom 13.05.2010.

3. Dem Beklagten steht auch kein Sonderkündigungsrecht gemäß § 8 Nr. 2 I VOB/B zu. Denn die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB Teil B) findet auf den streitgegenständlichen Kaufvertrag keine Anwendung. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem verwendeten Vertragsformular, in dem vermerkt ist, dass die VOB/B bei Werkverträgen bzw. individuellen Anfertigungen gilt, während bei Kaufverträgen die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches Anwendung finden. Bei dem streitgegenständlichen Vertrag handelt es sich eindeutig um einen Kaufvertrag.

4. Der Beklagte hat den Kaufvertrag auch nicht wirksam wegen arglistiger Täuschung (§ 123 I BGB) angefochten.

Im vorliegenden Fall wäre allenfalls eine Täuschung des Beklagten durch die unterlassene Aufklärung über den Umstand in Betracht gekommen, dass am 13.04.2010, dem Tag des Abschlusses des Kaufvertrags, über das Vermögen der Verkäuferin, der Firma F, bereits das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet worden war.

Darüber hätte der Beklagte nur dann aufgeklärt werden müssen, wenn die Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Firma F den Vertragszweck gefährdet hätte und deshalb nach objektiven Gesichtspunkten beurteilt für den Kaufentschluss des Beklagten von wesentlicher Bedeutung gewesen wäre. In diesem Fall hätte der Beklagte nach der Verkehrssitte eine entsprechende Aufklärung erwarten dürfen (vgl. dazu BGH, Urt. v. 04.04.2001 – VIII ZR 33/00, juris; OLG Köln, Urt. v. 19.09.2003 – 12 U 80/02, ZVI 2002, 459, juris). Zur Aufklärung über eine wirtschaftliche Bedrängnis des Verkäufers oder über die Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens besteht dann Veranlassung, wenn der Verkäufer weiß, dass er ihn treffende Verpflichtungen nicht erfüllen kann (vgl. dazu OLG Köln, Urt. v. 19.09.2003 – 12 U 80/02, ZVI 2002, 459, juris).

Davon kann jedoch im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Infolge des insoweit unbestrittenen Sachvortrags des Klägers ist davon auszugehen, dass er für die Firma F den Kaufvertrag erfüllt und den gekauften Kaminofen an den Beklagten übergeben und übereignet hätte. Auch hinsichtlich eventueller Gewährleistungsrechte des Beklagten bestand dadurch eine Absicherung, dass der Kläger Rücklagen gebildet hatte und in der Lage gewesen wäre, eventuelle Gewährleistungsrechte … zu erfüllen.

Im Hinblick darauf hat der Beklagte zu Unrecht die Abnahme des von ihm gekauften Kaminofens verweigert …

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