Die in der Lieferung eines mangelhaften Neufahrzeugs liegende Pflichtverletzung hat der Verkäufer in der Regel nicht zu vertreten. Er muss sich auch ein etwaiges Verschulden des Fahrzeugherstellers nicht zurechnen lassen, weil der Hersteller nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers ist.

OLG Hamm, Beschluss vom 23.12.2008 – 28 W 27/08

Sachverhalt: Die G-GmbH, deren Geschäftsführer der Kläger ist, erwarb von der Beklagten am 08.06.2007 einen Neuwagen und trat ihre Rechte aus dem Kaufvertrag am 10.07.2007 an den Kläger ab.

Dieser erklärte, nachdem er mit dem Wagen mehrfach eine Vertragswerkstatt aufgesucht und für 932 € neue Reifen hatte aufziehen lassen, unter dem 02.09.2007 gegenüber der Beklagten, dass er das Fahrzeug „zurückgeben oder wandeln“ möchte. Ein vom Kläger beauftragter DEKRA-Gutachter besichtigte das Fahrzeug am 05.09.2007 und kam in seinem Gutachten vom 18.12.2007 zu dem Ergebnis, dass beim Fahren auch trotz neuer Reifen Vibrationen zu spüren seien. Am 08.09.2007 brachte der Kläger das Fahrzeug zur Beklagten. Diese teilte ihm mit Schreiben vom 21.09.2007 mit, dass sie beanstandete Mängel behoben habe. Dem trat der Kläger durch ein auf den „05.09.2007/23.09.2007“ datiertes Schreiben entgegen.

Mit Anwaltsschreiben vom 09.10.2007 forderte der Kläger die Beklagte zur Mängelbeseitigung bis zum 15.10.2007 auf. Die Beklagte erklärte mit Anwaltsschreiben vom 09.10.2007 erneut, dass die beanstandeten Mängel behoben seien und das Fahrzeug fahrbereit sei. Nachdem außergerichtliche Vergleichsverhandlungen gescheitert waren, teilte die Beklagte durch Anwaltsschreiben vom 07.11.2007 mit, dass sie das Fahrzeug zum Kläger zurückbringen werde, und bat um Vereinbarung eines Termins. Daraufhin erklärte der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 12.11.2007 den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Mit der Klage hat der Kläger unter anderem mit der Behauptung, im Zeitpunkt des Rücktritts hätten noch mehrere – von ihm im Einzelnen dargelegte – Mängel vorgelegen, die Zahlung von 27.861,20 € verlangt. Dieser Betrag setzt sich wie folgt zusammen:

Kaufpreises für den Neuwagen 18.860,00 €
Nutzungsentschädigung 1.188,18 €
Anschaffungspreis für neue Reifen 932,00 €
Nutzungsausfallentschädigung (08.09.2007–31.01.2008) 8.673,00 €
Kosten für die Überführung des Fahrzeugs 165,50 €
Kosten für das DEKRA-Gutachten 418,88 €
Gesamtforderung 27.861,20 €

Außerdem hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Verzug befinde, und den Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangt.

In der mündlichen Verhandlung haben die Parteien einen Vergleich geschlossen und vereinbart, dass das Gericht gemäß § 91a ZPO über die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs entscheiden solle. Das Landgericht hat die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs gegeneinander aufgehoben. Es hat dafür im Wesentlichen darauf abgestellt, dass der Ausgang des Rechtsstreits offen gewesen sei, weil die Behauptung des Klägers, das Fahrzeug sei immer noch mangelhaft, beweisbedürftig gewesen sei.

Die dagegen gerichtete Beschwerde der Beklagten, die eine vollständig zum Nachteil des Klägers aufallende Kostenentscheidung erreichen wollte, hatte teilweise Erfolg.

Aus den Gründen: II. … Gemäß § 91a ZPO hat der Senat nur noch über die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs zu befinden. Diese Entscheidung hat den bisherigen Sach- und Streitstand zu berücksichtigen. Sie erfolgt zugleich auch nach billigem Ermessen. Der Senat kann sich auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage beschränken (vgl. BGH, Beschl. v. 08.06.2005 – XII ZR 177/03, BGHZ 163, 195 [197]).

1. Im Ansatz zutreffend ist das Landgericht dabei davon ausgegangen, dass der Anspruch des Klägers auf Rückgewähr des Kaufpreises (§§ 437 Nr. 2, 323, 346 I BGB i. V. mit § 398 BGB) nicht entscheidungsreif war. Es war beweisbedürftig, ob die von der Beklagten behauptete Nacherfüllung erfolglos (§ 323 I BGB) geblieben war. Dies hat der Kläger als insoweit beweisbelastete Partei (s. MünchKomm-BGB/Ernst, 5. Aufl., § 323 Rn. 276) substanziiert dargelegt. Bereits vorprozessual hat der Kläger nämlich im Einzelnen aufgezeigt, dass die Beklagte noch nicht alle Mängel beseitigt habe (Schreiben vom „05.09.2007/23.09.2007“). Im Rechtsstreit hat der Kläger dies vertieft, insbesondere durch den Schriftsatz vom 09.05.2008; zum Beweis hat er sich auf ein Sachverständigengutachten bezogen. Im Fall der Fortsetzung des Rechtsstreits hätte das Landgericht diesem Beweisantritt nachgehen müssen.

Mit Rücksicht darauf war der Kläger entgegen der Ansicht der Beklagten nicht gehalten, das Fahrzeug wieder entgegenzunehmen. Das folgt auch nicht aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB), auf den sich die Beklagte beruft. Es mag sein, dass ein Fahrzeugkäufer sich in der Regel zumindest durch Augenschein über das Ergebnis der Nacherfüllung vergewissern muss, bevor er hinreichend substanziiert behaupten kann, dass die Nacherfüllung erfolglos war (§ 138 II ZPO). Unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falls war dies jedoch entbehrlich, weil nach der Behauptung des Klägers bereits anhand von Unterlagen zu ersehen war, dass noch nicht alle Mängel beseitigt waren. Dies folgt aus dem Schreiben vom „05.09.2007/23.09.2007“. Vor diesem Hintergrund war der Rücktritt auch nicht gemäß § 323 VI Fall 1 oder Fall 2 BGB ausgeschlossen, denn für den Rücktrittsgrund war der Kläger nicht verantwortlich (Fall 1); der zum Rücktritt berechtigende Umstand war auch nicht während eines etwaigen Annahmeverzugs des Klägers eingetreten (Fall 2).

2. Wie das Landgericht – mit Ausnahme der Nutzungsausfallentschädigung (dazu 3.) – zutreffend angenommen hat, hatte die Klage damit nach dem Sach- und Streitstand im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses überwiegend Erfolgsaussichten.

a) Aussichtsreich war insbesondere der Anspruch auf Rückgewähr des Kaufpreises abzüglich der bereits vom Kläger abgesetzten Nutzungsvorteile (17.671,82 €). Die vom Kläger gezogenen Nutzungsvorteile waren nicht im Streit und sind für sich gesehen auch nicht Gegenstand der Beschwerde.

b) Erfolgsausschichten hatte auch der sich aus § 439 II BGB ergebende Anspruch auf Erstattung der Transportkosten in Höhe 165,50 €.

c) Einen Anspruch aus § 439 II BGB hat der Kläger auch schlüssig dargelegt, soweit er Kosten der Neubereifung verlangt hat. Insoweit handelt es sich nicht um Kosten einer eigenmächtigen und deshalb vom Verkäufer nicht zu erstattenden Mängelbeseitigung (st. Rspr. seit BGH, Urt. v. 23.02.2005 – VIII ZR 100/04, BGHZ 162, 219). Denn der Kläger hat vorgetragen, dass er die Reifen auf den Rat der Beklagten angeschafft hat.

d) Ob sich der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der Gutachterkosten ebenfalls aus § 439 II BGB ergibt, ist im Schrifttum streitig (ablehnend Reinking/Eggert, Der Autokauf, 9. Aufl., Rn. 331; befürwortend Palandt/Weidenkaff, BGB, 68. Aufl., § 439 Rn. 11 unter Hinweis auf Rechtsprechung zum BGB vor der Schuldrechtsreform). Da Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Rahmen einer Kostenentscheidung nach § 91a ZPO nicht abschließend klärungsbedürftig sind (BGH, Beschl. v. 08.06.2005 – XII ZR 177/03, BGHZ 163, 195 [197]; Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 91a Rn. 24; jeweils m. w. Nachw.), war der Klage auch unter diesem Gesichtspunkt Aussicht auf Erfolg nicht abzusprechen, sodass eine Kostenaufhebung für diese Position ebenfalls billigem Ermessen entspricht.

e) Erfolgversprechend war schließlich auch der Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs, dessen Wert der Senat im Regelfall – und auch hier – mit 150 € bemisst (§ 3 ZPO).

3. Ein Anspruch auf eine Nutzungsausfallentschädigung stand dem Kläger hingegen nicht zu. Es kann dahinstehen, ob es auf den Nutzungswillen und die Nutzungsmöglichkeit des Klägers ankommt oder die der GmbH, die den Kaufvertrag mit der Beklagten geschlossen hat. Jedenfalls steht dem Kläger ein Schadensersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt der Lieferung einer mangelhaften Sache (§§ 437 Nr. 3, 280 I BGB) schon deshalb nicht zu, weil es sich um einen Neuwagen handelte, sodass Mängel allenfalls auf einem Verschulden des Herstellers beruhen, nicht aber auf einem Verschulden des Verkäufers (§ 280 I 2 BGB). Ein etwaiges Verschulden des Herstellers muss der Verkäufer sich nicht zurechnen lassen, weil er nicht Erfüllungsgehilfe des Herstellers ist (BGH, Urt. v. 15.07.2008 – VIII ZR 211/07, NJW 2008, 2837 Rn. 29).

Ein Schadensersatzanspruch aus §§ 437 Nr. 3, 280 I, II, 286 BGB unter dem Gesichtspunkt verzögerter Nacherfüllung (s. dazu Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 353, 1518) steht dem Kläger ebenfalls nicht zu, weil er gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen hat (§ 254 II BGB). Das Fahrzeug war trotz der behaupteten Mängel fahrbereit. Das ist nicht streitig, zumal der Kläger das Fahrzeug selbst nach H. überführt hat und die Beklagte ihm mitgeteilt hat, dass es fahrbereit ist. Zur Vermeidung des beträchtlichen Nutzungsausfalls hätte es dem Kläger oblegen, das Fahrzeug wieder abzuholen und in Betrieb zu nehmen (§ 254 II BGB). Zu ersetzen sind danach allenfalls die Kosten einer weiteren Anreise nach H. sowie einer Rückreise nach C., deren Höhe auf jeweils 165,50 € geschätzt werden kann, insgesamt also 331 €. Auch in Höhe dieses Betrags sind die Erfolgsaussichten offen, sodass diese Position im Rahmen der Entscheidung nach § 91a ZPO billigerweise hälftig zu verteilen ist.

4. Gemessen an dem Gesamtstreitwert von 28.011,20 € (27.861,20 € als bezifferter Zahlungsanspruch nebst 150 € als Streitwert des Feststellungsantrags; die vorgerichtlichen Anwaltskosten bleiben gem. § 4 I Halbsatz 2 ZPO außer Betracht) war die Klage in Höhe von 19.503,70 € schlüssig … Da der zu erwartende Verfahrensausgang nach einer Beweisaufnahme, wie ausgeführt, offen war, ist die voraussichtliche Erfolgsquote des Klägers mit ½ von 19.503,70 € zu bewerten (9.751,85 €).

Bezogen auf den Gesamtstreitwert ergibt sich daraus eine voraussichtliche Erfolgsquote von rund 1/3 (9.751,85 € zu 28.011,20 €), sodass der Kläger 2/3 der Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Das gilt auch für die Kosten des Vergleichs. Der dem § 98 ZPO zugrunde liegende Rechtsgedanke ist nicht anwendbar, weil die Parteien eine Entscheidung des Gerichts gemäß § 91a ZPO beantragt haben (OLG Köln, Beschl. v. 28.09.2005 – 26 UF 143/05, OLGR 2006, 485; MünchKomm-ZPO/Giebel, 3. Aufl., § 98 Rn. 6). Schließlich war im vorliegenden Fall § 281 III 2 ZPO zu berücksichtigen …

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