Ein Neufahrzeug ist i. S. des § 459 I BGB a.F. fehlerfrei, wenn es dem technischen Standard der jeweils vergleichbaren Wagenklasse entspricht. Konstruktionsbedingte Besonderheiten und Eigentümlichkeiten sind keine Mängel, solange sie nicht die Gebrauchstauglichkeit des Fahrzeugs beeinträchtigen.

OLG Koblenz, Urteil vom 26.06.2003 – 5 U 62/03

Sachverhalt: Die Klägerin begehrt die Wandelung eines am 30.08.2000 mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrags über einen Pkw. Sie ist der Auffassung, das Heizungs- und Lüftungssystem mit Klimaanlage (keine Klimaautomatik) des Fahrzeugs sei fehlerhaft. Gestützt auf ein Gutachten des Sachverständigen B vom 31.07.2001 hat das Landgericht der Klage weitgehend stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Das Rechtsmittel hatte Erfolg und führte zur Abweisung der Klage.

Aus den Gründen: II. … Das Heizungs-, Lüftungs- und Klimasystem des erworbenen Fahrzeugs weist keinen Fehler auf, der den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder mindern würde (§ 459 I BGB a.F.). Ein Wandlungsanspruch besteht daher nicht. Davon ist der Senat nach der … Anhörung des Sachverständigen B überzeugt.

Ein Neufahrzeug muss sich für die Zwecke eignen, für die Fahrzeuge der gleichen Art üblicherweise genutzt werden. Es muss im Rahmen dieses gewöhnlichen Gebrauchs bei jeder Witterung, auf langen und kurzen Fahrstrecken, im stockenden und fließenden Verkehr stets betriebsbereit und verkehrssicher sein. Den Maßstab für die Beurteilung der vertragsgemäßen Beschaffenheit bildet dabei in erster Linie der Serienstand. Nur wenn alle Fahrzeuge einer Modellreihe den gleichen Konstruktions- oder Herstellungsfehler aufweisen, ist ein Vergleich mit anderen, typgleichen Fahrzeugen unter Berücksichtigung des jeweiligen Stands der Technik vorzunehmen. Dabei weist der Serienstand von Vergleichsfahrzeugen eine gewisse Bandbreite auf, weil es für unterschiedliche Problemansätze unterschiedliche Lösungswege gibt, die allesamt dem Stand der Technik entsprechen können (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 8. Aufl. [2003], Rn. 183 f.).

Nach den mündlichen Ausführungen des Sachverständigen B ist die Fahrzeugserie X in der Wirkung ihrer Klimaanlage so ausgelegt, dass sie keinen technischen Mangel aufweist. Dies gilt nach seiner Auffassung auch in Bezug auf das anlässlich der Erstellung des Gutachtens zum Vergleich herangezogene Fahrzeug eines anderen Herstellers.

Zwar hat der Sachverständige mit seinem Gutachten vom 31.07.2001 festgestellt, dass bei bestimmten Einstellungen der Luftverteilung und der Temperaturregelung erhebliche Temperaturdifferenzen zwischen dem Luftaustritt im Fußraum und den Luftaustritten an der Armaturentafel vorkommen, die „durchaus als unangenehm empfunden werden können“. Die Überprüfung von vergleichbaren Anlagen in Fahrzeugen anderer Hersteller ergebe keine oder nur geringere Differenzen. Die Auslegung dieser Anlage beim Fahrzeug der Klägerin sei „ungewöhnlich“, stelle aber keinen technischen Mangel dar.

Diese Angaben hat der Sachverständige im Termin aber dahin erläutert, dass von Herstellern solcher Klimaanlagen auch erwähnt werde, dass es im Regelfall vom Fahrer gewünscht werde, dass die Temperatur im Fußbereich etwas wärmer sei als die im Kopfbereich. Die Herstellung eines Fahrzeugs sei immer ein Kompromiss, es hänge davon ab, welches Ziel man erreichen wolle. Wolle man beispielsweise ein Fahrzeug im Winter sehr schnell aufheizen können, dann sei die hier gefundene Lösung gut. Um sodann wieder Normaltemperatur zu erhalten, müsse allerdings nachreguliert werden.

Aufgrund dieser Ausführungen kann der Senat nicht feststellen, dass das Fahrzeug der Klägerin mit einem Fehler im Rechtssinne behaftet ist.

Denn der „Stand der Technik“, an dem sich ein Neufahrzeug messen lassen muss, wird bestimmt nach dem Stand der Serie, aus der das Fahrzeug stammt, und dem Entwicklungsstand aller nach allgemeiner Zweckbestimmug und Fahrzeugklasse vergleichbaren Fahrzeuge. Der „Stand der Technik“ ist nicht zwangsläufig an der optimalen technischen Lösung ausgerichtet, denn für jedes technische Problem gibt es eine Bandbreite von Möglichkeiten der Lösung, die noch vertragsgerecht sind. Für den Hersteller besteht nur die Verpflichtung, ungeeignete Konstruktionen und Materialien, die dem Stand der Technik widersprechen, aus der Produktion zu nehmen. Im Übrigen bestimmt er Konstruktion, Ausrüstung und Fabrikationsvorgang in freier Entscheidung. Das Fahrzeug ist fehlerfrei, wenn es dem technischen Standard der jeweils vergleichbaren Wagenklasse entspricht. Konstruktionsbedingte Besonderheiten und Eigentümlichkeiten sind keine Mängel, es sei denn, sie beeinträchtigten die Gebrauchstauglichkeit (Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 192 ff.).

Nach diesem Beurteilungsmaßstab ist das Heizungs-, Lüftungs- und Klimasystem des Fahrzeugs der Klägerin nicht mangelhaft …

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