Der Hersteller oder der Verkäufer eines Kraftfahrzeugs (hier: eines Tesla Model X P100D) darf die Beschaffenheit, die dieses Fahrzeug bei der Übergabe an den Käufer hatte, nur dann durch ein Softwareupdate nachträglich ändern, wenn der Käufer mit der Installation dieses Updates einverstanden ist. Für ein wirksames Einverständnis des Käufers kann es erforderlich sein, den Käufer vor der Installation des Updates über dessen Inhalt und Auswirkungen – hier in Gestalt einer Beschränkung der Höhenverstellbarkeit des Fahrzeugs – aufzuklären.

LG München I, Urteil vom 13.09.2021 – 34 O 15883/20

Sachverhalt: Die Klägerin erwarb von der Beklagten für 154.430 € einen Pkw Tesla Model X P100D, der ihr am 24.09.2018 übergeben wurde. Im Kaufvertrag vom 18.09.2018 ist als Ausstattung ein „Enhanced Autopilot“ zum Preis von 6.000 € aufgeführt. Die Rechnung vom 19.09.2018 weist den im Kaufvertrag enthaltenen Gesamtkaufpreis (154.430 €) aus; die ausgewiesenen Einzelpreise differieren jedoch von den im Kaufvertrag ausgewiesenen Einzelpreisen.

Mit Antrag vom 27.09.2019 leitete die Klägerin selbstständiges Beweisverfahren gegen die Beklagte ein. In diesem Verfahren beschloss das LG München I unter dem 03.12.2019, dass durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens Beweis über die Behauptung der (hiesigen) Klägerin zu erheben sei, der streitgegenständliche Pkw gebe „bei starken Beschleunigungen ein laut klackendes Geräusch von sich, das als Mangel im technischen Sinn zu bewerten ist“. Der Sachverständige wurde gebeten, die Ursache dieses Geräuschs zu ermitteln und festzustellen, ob und gegebenenfalls mit welchem Kostenaufwand das Geräusch, das die Klägerin mit einem Defekt der vorderen Antriebswelle in Verbindung brachte, dauerhaft beseitigt werden könne.

Nachdem dem Sachverständigen die Verfahrensakte übersandt worden war, zeigte das streitgegenständliche Fahrzeug dem seinerzeit fahrenden Geschäftsführer der Klägerin an, dass ein Softwareupdate zur Verfügung stehe. Näheres hierzu wurde nicht mitgeteilt. Der Geschäftsführerin der Klägerin installierte das Update, das die Höhenverstellbarkeit der Luftfederung beschränkte. Mit einer solchen Beschränkung hatte der Geschäftsführer der Klägerin nicht gerechnet.

Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 26.10.2020 auf, das streitgegenständliche Fahrzeug bezüglich der Höhenverstellbarkeit wieder in den ursprünglichen Zustand zu versetzen. Dafür setzte sie der Beklagten eine Frist bis zum 08.11.2020 und erklärte nach deren erfolglosem Ablauf den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Rückzahlung des um eine Nutzungsentschädigung (23.718,27 €) verminderten Kaufpreises nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Ru?ckgabe und Ru?cku?bereignung des Tesla Model X P100D, in Anspruch genommen. Sie macht geltend, mit der Beklagten eine Beschaffenheitsvereinbarung (§ 434 I 1 BGB) des Inhalts getroffen zu haben, dass die Luftfederung des streitgegenständlichen Pkw höhenverstellbar sei. Die Beklagte habe die Höhenverstellbarkeit deshalb nicht durch ein Update einschränken dürfen, ohne sie – die Klägerin – näher darüber aufzuklären, wozu die Installation des Updates führe.

Die Beklagte hat eine Beschaffenheitsvereinbarung bezüglich der Höhenverstellbarkeit in Abrede gestellt. Sie hat gemeint, Rechte wegen eines Sachmangels stünden der Klägerin insoweit schon deshalb nicht zu, weil diese das Fahrzeug schon am 24.09.2018 erhalten, die eingeschränkte Höhenverstellbarkeit aber erst am 26.10.2020 geru?gt habe. Ein Ru?cktritt wegen des Updates – so hat die Beklagte geltend gemacht – sei auch deshalb ausgeschlossen, weil sie beziehungsweise ihre Muttergesellschaft Tesla, Inc. das Update nur angeboten habe. Die Klägerin habe es installieren können, aber nicht müssen. Sie, die Beklagte, habe die Klägerin nicht über den Inhalt des Updates aufklären müssen, weil zwischen ihr und der Klägerin kein Dauerschuldverhältnis bestehe.

Die Klage hatte Erfolg.

Aus den Gründen: Die zulässige Klage ist begru?ndet.

I. Die Klägerin hat einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus § 280 I BGB.

1. Gewährleistungsanspru?che kommen im vorliegenden Fall nach der Gesetzeslage nicht in Betracht.

Urspru?nglich bemäkelte die Klägerin ein Knacken im Fahrzeug. Die Klägerin fu?hrte dieses Knacken auf die Antriebswelle des Fahrzeugs zuru?ck. Die Antriebswelle dient dazu, die Kraftu?bertragung, die im Motor erzeugt wird, auf die Räder zu u?bertragen. Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass aufgrund der Höhenverstellbarkeit des gesamten Fahrzeugs (außer der Räder) die Antriebswelle ihren Winkel zum angetriebenen Rad bei Wahl einzelner Höhenstufen verändern muss. Ein Knacken des Fahrzeugs beim Fahren kann darauf zuru?ckzufu?hren sein. Eine Entscheidung hieru?ber ist fu?r den vorliegenden Fall jedoch nicht erforderlich.

Jedenfalls gab der Geschäftsfu?hrer der Klägerin im Termin informatorisch an, dass die Knackgeräusche durch das Update wohl beseitigt seien. Sollte dies der Fall sein, wäre das Fahrzeug ab dem 25.08.2020 insoweit mängelfrei gewesen.

2. Allerdings ist nunmehr die Höhenverstellbarkeit nicht mehr so gegeben wie zum Zeitpunkt der Auslieferung des Fahrzeugs an die Klägerin. Dies hat die Beklagtenseite dem Grunde nach auch so eingeräumt.

Somit wu?rde eine Mängelbeseitigung zum Entstehen eines anderen Mangels fu?hren. Das Gericht geht von einem Mangel aus, da die Klageseite unwidersprochen vorgetragen hat, dass die Höhenverstellbarkeit bei dem streitgegenständlichen Modell zur Regelausstattung gehört.

Ein Einwirken auf den Zustand des Fahrzeugs zum Zeitpunkt der Übergabe durch eine nachträgliche Maßnahme des Herstellers oder des Verkäufers ist nach Überzeugung des Gerichts nur möglich, wenn der Käufer als Betroffener damit einverstanden ist. Richtig ist, dass die Klägerin mit dem Aufspielen des Updates objektiv einverstanden war, denn der Geschäftsfu?hrer der Klägerin hat eigenverantwortlich den Befehl zum Aufspielen des Updates erteilt. Allerdings hat die Klägerin unwidersprochen vorgetragen, dass zum Zeitpunkt der Bestätigung des Aufspielens des Updates eine Kenntnis des Inhalts und der Auswirkungen des Updates nicht gegeben war. Der Geschäftsfu?hrer der Klägerin gab nachvollziehbar an, dass er bei der Mitteilung, es sei ein neues Update verfu?gbar, davon ausgegangen ist, dass dieses Update im Zusammenhang mit der Beschreibung aus dem Kaufvertrag „Enhanced Autopilot“ stehe.

Insoweit hat die Klägerin ein gesondertes Kaufprodukt fu?r den gesonderten Preis von 6.000 € erworben. Die Beklagte hat zuletzt hierzu eingewandt, dieses gesonderte Paket habe nur ein Freischalten von bereits vorhandenen Funktionalitäten beinhaltet. Dem widerspricht jedoch die von der Beklagtenseite selbst vorgelegte Anlage B 2. Dort heißt es im letzten Absatz:

„Die verbesserte Tesla Autopilot-Funktionalität wird gegenwärtig implementiert. Sobald die einschlägigen Pru?fungen abgeschlossen sind, werden weitere Merkmale und Funktionen hinzugefu?gt, vorausgesetzt sie werden rechtlich genehmigt.“

Nach dem Verständnis der deutschen Grammatik bedeutet dies, dass es sich nicht lediglich um ein aktuelles Freischalten von Funktionen zum Zeitpunkt des Kaufs und der Übergabe handelt, sondern dass in der Zukunft weitere Funktionen aufgespielt werden. Der Geschäftsfu?hrer der Klägerin durfte daher, ohne sich dem Vorwurf eines Mitverschuldens auszusetzen, davon ausgehen, dass das am 25.08.2020 angebotene Update im Rahmen des Pakets „Enhanced Autopilot“ (auf deutsch etwa: „verbesserter Autopilot“) erfolgte. Dies war zur Überzeugung des Gerichts aber nicht der Fall. Vielmehr betraf das Update die Höhenverstellbarkeit des Fahrzeugs und schränkte diese gegenu?ber dem Zustand bei Übergabe des Fahrzeugs in erheblicher Weise ein.

Insoweit liegt eine Pflichtverletzung der Beklagten vor, da sie u?ber die Funktion des angebotenen Updates vorab nicht aufgeklärt hat. Eine Aufklärung wäre jedoch erforderlich gewesen, da ein Eingriff in die Höhenverstellbarkeit ein wesentlicher Gesichtspunkt ist.

3. Die Pflichtverletzung hat die Beklagte im Rahmen eines gesonderten Schuldverhältnisses nach § 311 II BGB begangen.

Zum gleichen Ergebnis kommt man, wenn man dem an und fu?r sich punktuellen Kaufvertrag im Hinblick auf das zusätzliche Paket „Enhanced Autopilot“ eine Dauerschuldqualität zukommen lässt. Fu?r das Gericht steht fest, dass der vorliegende Kaufvertrag nicht nur ein zeitlich begrenztes und punktuelles Schuldverhältnis darstellt, sondern auch Merkmale eines Dauerschuldverhältnisses beinhaltet. Wie aus der Anlage B 2 ersichtlich, sollte die Beklagte und Verkäuferin noch weitere Leistungen fu?r die gesonderte Gegenleistung in Höhe von 6.000 € erbringen.

Gemäß diesem gesonderten Schuldverhältnis war die Beklagte gemäß § 241 II BGB verpflichtet, Ru?cksicht auf die Rechte, Rechtsgu?ter und Interessen der Klägerin zu nehmen. Hier bestand die Pflicht, u?ber einen Eingriff in die Höhenverstellbarkeit im Rahmen des Angebots eines Updates vorab gesondert aufzuklären. Der Inhalt des Updates war fu?r die Klägerin u?berraschend. Damit musste sie nicht rechnen. Der Fall ist nicht mit einem routinemäßigen Update eines cell phones zu vergleichen. Das streitgegenständliche update griff in eine bestehende Funktion ein und setzte diese weitgehend außer Kraft.

4. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass das Update nicht von ihr, sondern von dem Unternehmen Tesla, Inc. veranlasst wurde. Das Unternehmen Tesla, Inc. wurde hier im Rahmen der gesonderten Verpflichtung „Enhanced Autopilot“ als Erfu?llungsgehilfe fu?r die Beklagte tätig. Nach dem Kaufvertrag wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, die Pflichten aus dem gesonderten Schuldverhältnis zu erfu?llen. Zur Erfu?llung dieser Pflichten hat sich die Beklagte des Unternehmens Tesla, Inc. bedient. Insbesondere hätte sich die Beklagte mit ihrem Mutterunternehmen in Verbindung setzen mu?ssen, da zum Zeitpunkt des Aufspielens des Updates bereits Kenntnis vom Beweissicherungsverfahren bestand.

Die obigen Ausfu?hrungen halten auch einer Bewertung anhand von § 242 BGB stand. Die Konzerneigenschaft zwischen der Verkäuferin und der Anbieterin des Updates können sich nicht zum Nachteil des Verbrauchers auswirken.

II. Ein Schadensersatzanspruch besteht im vorliegenden Fall auch aus § 826 BGB. Die Beklagtenseite hat in unlauterer Weise in das Eigentum der Klägerin eingegriffen beziehungsweise hat in sittenwidriger Weise nicht darauf Einfluss genommen, dass die Tesla, Inc. diesen Eingriff unterlässt. Die Sittenwidrigkeit i. S. des § 826 BGB ergibt sich im vorliegenden Fall daraus, dass mit dem Update die Bemu?hungen des Sachverständigen zur Klärung im Rahmen des selbstständigen Beweisverfahrens unmöglich gemacht wurden. Aufgrund der Gesamtumstände, insbesondere des Zeitablaufs, so wie im Tatbestand dargestellt, geht das Gericht auch davon aus, dass dies die Absicht des Updates der Tesla, Inc. war.

III. Schadensersatz ist im vorliegenden Fall durch Ru?ckabwicklung des Kaufvertrags zu leisten (§ 249 I BGB). Die Klägerin ist so zu stellen, wie sie vor Abschluss des Kaufvertrags stand.

Hierzu gehört auch, dass sich die Klägerin die gezogenen Nutzungen anrechnen lassen muss. Hierzu ist das Gericht von einer Gesamtlaufleistung von 303.000 km ausgegangen. Die Klägerin ist bis zum Zeitpunkt der mu?ndlichen Verhandlung bereits 47.057 km gefahren. Dies ergibt Nutzungen in Höhe von 23.983 €. Somit verbleibt ein Restwert in Höhe von 130.446 €.

Der Anspruch auf die Zinsen ergibt sich aus §§ 286 I, 288 I BGB. …

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