1. Die Angabe „HU neu“ im Internetinserat eines Kfz-Händlers ist eine öffentliche Äußerung i. S. von § 434 I 3 BGB.
  2. Ein taugliches Nacherfüllungsverlangen des Käufers setzt die Zurverfügungstellung der Kaufsache am rechten Ort, nämlich dem Erfüllungsort der Nacherfüllung, voraus (im Anschluss an BGH, Urt. v. 19.07.2017 – VIII ZR 278/16, NJW 2017, 2758 Rn. 21). Der Verkäufer ist nicht verpflichtet, sich auf ein Nacherfüllungsverlangen des Käufers einzulassen, bevor dieser ihm am Erfüllungsort der Nacherfüllung die Gelegenheit zu einer Untersuchung der Kaufsache gegeben hat (im Anschluss an BGH, Urt. v. 30.10.2019 – VIII ZR 69/18, NJW 2020, 389 Rn. 37 m. w. Nachw.).
  3. Einen Gebrauchtwagenhändler trifft keine generelle, anlassunabhängige Obliegenheit, ein Fahrzeug vor dem Verkauf umfassend zu untersuchen. Zu einer Überprüfung kann er vielmehr nur aufgrund besonderer Umstände, die für ihn einen konkreten Verdacht auf Mängel begründen, gehalten sein (im Anschluss an BGH, Urt. v. 15.04.2015 – VIII ZR 80/14, NJW 2015, 1669 Rn. 14 m. w. Nachw.).
  4. Sachverständigenkosten, die einem Käufer entstehen, hat ihm der Verkäufer nur dann gemäß § 439 II BGB verschuldensunabhängig zu erstatten, wenn sie nötig sind, um die Ursache einer Mangelerscheinung der Kaufsache aufzufinden und auf diese Weise zur Vorbereitung eines die Nacherfüllung einschließenden Gewährleistungsanspruchs die Verantwortlichkeit für den Mangel zu klären. Daran fehlt es, wenn der Käufer eines Gebrauchtwagens nach der Übergabe des Fahrzeugs eine Untersuchung veranlasst, um festzustellen, ob ihm der Verkäufer ein mangelfreies Fahrzeug geliefert hat.
  5. Rechtsanwaltskosten sind nur dann zum Zwecke der Nacherfüllung erforderliche Aufwendungen i. S. von § 439 II BGB, wenn der Käufer sie aufwendet, während sich der Vollzug des Kaufvertrags im Stadium der Nacherfüllung befindet, um die Durchsetzung eines Nacherfüllungsanspruchs zu ermöglichen (vgl. BGH, Urt. v. 24.10.2018 – VIII ZR 66/17, BGHZ 220, 134 Rn. 91).

AG Spandau, Urteil vom 06.07.2020 – 6 C 120/20

Sachverhalt: Der Kläger kaufte von dem beklagten Gebrauchtwagenhändler mit schriftlichem Vertrag vom 05.01.2019 einen im Mai 2011 erztzugelassenen Renault KANGOO zum Preis von 3.000 €. Dieses Fahrzeug hatte der Beklagte zuvor auf einer Internetplattform zum Kauf angeboten und dabei unter anderem „HU neu“ angegeben. Das Fahrzeug sollte dem Kläger am 12.01.2019 übergeben werden. Die Fahrzeugübergabe scheiterte jedoch, weil der Beklagte von dem Kläger die Zahlung weiterer 200 € für die Beseitigung von „TÜV-Mängeln“ verlangte und davon die Übergabe des Fahrzeugs abhängig machte. Der Kläger verweigerte die Zahlung des verlangten Betrags zunächst, zahlte ihn am 15.01.2019 aber doch, um in den Besitz des Renault KANGOO zu kommen.

Ausweislich eines TÜV-Berichts vom 10.01.2019 hatte eine Untersuchung des streitgegenständlichen Fahrzeugs am selben Tag keine Mängel ergeben.

Der Kläger ließ den Renault KANGOO am 29.01.2019 seinerseits untersuchen und wandte dafür 65,50 € auf. Das entsprechende DEKRA-Protokoll weist mehrere reparaturbedürftige Mängel aus, deren Beseitigung ausweislich vom Kläger eingeholter Kostenvoranschläge einen Kostenaufwand von insgesamt 1.733,88 € brutto erfordern soll.

Mit Anwaltsschreiben vom 27.05.2019 verlangte der Kläger von dem Beklagten die Erstattung der Kosten des DEKRA-Gutachtens, die Rückzahlung der an den Beklagten geleisteten 200 € sowie Schadensersatz.

Der Kläger behauptet, sein Fahrzeug weise die in dem DEKRA-Gutachten genannten Mängel auf; darüber hinaus sei das Fahrgastraumgebläse defekt und müsse mit einem Kostenaufwand von 696,27 € instand gesetzt werden. Er, der Kläger, habe den Beklagten mit Schreiben vom 29.01., vom 18.02. und vom 11.03.2019 vergeblich zur Nacherfüllung aufgefordert.

Mit der Klage hat der Kläger den Beklagten – jeweils nebst Zinsen – auf Zahlung von (1733,88 € + 696,27 € =) 2.430,15 € sowie auf Rückzahlung der 200 € in Anspruch genommen. Außerdem hat er – ebenfalls jeweils nebst Zinsen – eine Unkostenpauschale in Höhe von 100 € geltend gemacht und die Erstattung der für das DEKRA-Gutachten aufgewendeten Kosten (65,50 €) sowie vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten (201,71 €) begehrt.

Der Beklagte hat behauptet, der Kläger habe gewollt, dass der Renault KANGOO einer Hauptuntersuchung unterzogen werde, und dadurch seien Kosten in Höhe von 200 € entstanden.

Die Klage hatte nur hinsichtlich der Rückzahlung dieses Betrags und der Erstattung anteiliger Rechtsanwaltskosten Erfolg.

Aus den Gründen: Dem Kläger steht eine Hauptforderung nur in Höhe von 200 € zu. Diesen Betrag hat der Beklagte gemäß § 812 I 1 Fall 1 BGB zurückzuzahlen, da der Kläger ihm diese Summe ohne Rechtsgrund geleistet hat.

Es kann dahinstehen, ob der Beklagte diesen Betrag – wie er behauptet – aufgewendet hat, um für den Renault KANGOO einen „neuen TÜV“ zu erhalten. Er hatte jedenfalls keinen Anspruch darauf, etwaige Aufwendungen von dem Kläger erstattet zu bekommen. Denn er war seinerseits aufgrund des Kaufvertrags vom 05.01.2019 verpflichtet, dem Kläger das Eigentum an dem Renault KANGOO zu dem vereinbarten Preis mit „HU neu“ zu verschaffen. Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus der Vertragsurkunde. Nach § 434 I 3 BGB gehören zur Beschaffenheit der Kaufsache auch die Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen unter anderem des Verkäufers insbesondere in der Werbung oder bei der Kennzeichnung über bestimmte Eigenschaften der Sache erwarten kann, es sei denn, dass diese Äußerungen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in gleichwertiger Weise berichtigt waren. Eine solche Äußerung ist die Angabe des Beklagten im Rahmen der Bewerbung des Wagens im Internet, dass das Fahrzeug „HU neu“ habe. Es lässt sich nicht feststellen, dass der Beklagte diese Äußerung vor dem Vertragsschluss berichtigt hat. Seine Behauptung, der Kläger habe eine „neuen TÜV“ gewünscht, mag implizieren, dass der Kläger Kenntnis davon hatte, dass eine zeitnahe Hauptuntersuchung noch nicht stattgefunden hatte. Für seine Behauptung über die diesbezügliche Abrede hat der Beklagte indessen keinen Beweis angetreten; dies geht zu seinen Lasten.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe etwa erforderlicher Reparaturkosten. Sein rechtlicher Ausgangspunkt, dass sich ein solcher Anspruch nur aus § 437 Nr. 3 Fall 1, §§ 280 I, III, 281 BGB ergeben kann, ist zwar zutreffend. Deren Voraussetzung liegen indessen nicht vor. Für den behaupteten Mangel an dem Gebläse liegt dies auf der Hand, da der Kläger diesen Punkt nicht einmal in seinen Schreiben erwähnt hat. Es bedarf aber auch im Übrigen keiner Klärung, ob der Renault KANGOO die behaupteten Mängel hat und ob dem Beklagten die Schreiben des Klägers zugegangen sind. Nach der Rechtsprechung des BGH setzt ein taugliches Nacherfüllungsverlangen nämlich die Zurverfügungstellung der Kaufsache am rechten Ort, nämlich dem Erfüllungsort der Nacherfüllung, also der gewerblichen Niederlassung bzw. Werkstatt des Verkäufers voraus (BGH, Urt. v. 19.07.2017 – VIII ZR 278/16 Rn. 21); nur dann muss sich der Verkäufer auf ein Nacherfüllungsverlangen einlassen (BGH, Urt. v. 30.10.2019 – VIII ZR 69/18 Rn. 37). Dem Kläger war eine Nacherfüllung auch nicht im Hinblick auf den von ihm geschilderten Ablauf des gescheiterten Übergabeversuchs am 12.01.2019 unzumutbar (§ 440 Satz 1 Fall 3 BGB). Wie seine Schreiben, die er an den Beklagten gesendet haben will, belegen, hat er sich trotz der aufgetretenen Spannungen nicht daran gehindert gesehen, von dem Beklagten Gewährleistung zu fordern.

Auch die Kosten der DEKRA-Untersuchung hat der Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu ersetzen.

Auf die von dem Kläger bemühte Anspruchsgrundlage (§ 437 Nr. 3 Fall 1, § 280 I BGB) lässt sich die Forderung nicht stützen, da der Beklagte eine Pflichtverletzung, die in der Lieferung eines mangelhaften Kfz bestehen könnte, jedenfalls nicht zu vertreten hat (§ 280 I 2 BGB). Einen Gebrauchtwagenhändler trifft keine generelle Obliegenheit, ein Fahrzeug vor dem Verkauf umfassend zu untersuchen; zu einer Überprüfung kann er nur aufgrund besonderer Umstände, die einen konkreten Verdacht auf Mängel begründen, gehalten sein (BGH, Urt. v. 15.04.2015 – VIII ZR 80/14 Rn. 14); solche außergewöhnlichen Umstände lassen die behaupteten Mängel des Fahrzeugs nicht erkennen.

Ein Ersatzanspruch ergibt sich auch nicht aus § 439 II BGB. Allerdings kann diese Vorschrift, wonach der Verkäufer die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen zu tragen hat, eine Anspruchsgrundlage für Aufwendungen des Käufers unter anderem auch für ein Sachverständigengutachten darstellen (BGH, Urt. v. 30.04.2014 – VIII ZR 275/13, BGHZ 201, 83 Rn. 12 ff.). Voraussetzung für einen Ersatzanspruch ist aber, dass die Sachverständigenkosten zumindest auch zum Zwecke der Nacherfüllung aufgewandt wurden und aus damaliger Sicht zur Klärung der Ursache des Mangels und seiner Zurechnung erforderlich waren (BGH, Urt. v. 30.04.2014 – VIII ZR 275/13, BGHZ 201, 83 Rn. 18). So liegen die Dinge hier nicht. Denn der Kläger hat die DEKRA-Untersuchung nicht zum Zwecke der Klärung der Ursachen von Mängeln veranlasst; Ziel der Untersuchung war vielmehr festzustellen, ob der Beklagte ihm das Fahrzeug tatsächlich mangelfrei übergeben hatte.

Schließlich steht dem Kläger auch keine Schadensaufwandspauschale zu. Da der Beklagte dem Kläger nach dem Vorstehenden keinen Schadensersatz schuldet, sind die Aufwendungen für Post und Telekommunikation einschließlich Zeitaufwand, die der Kläger mit 100 € pauschaliert, soweit sie sich auf die behaupteten Mängel des Renault KANGOO beziehen, nicht zu ersetzen. Es kann mithin offenbleiben, ob der Kläger insoweit hinreichende Anknüpfungstatsachen zur Ermöglichung einer Schätzung vorgetragen hat (vgl. insoweit BGH, Urt. v. 08.05.2012 – VI ZR 37/11 Rn. 8 ff.); eigener Zeitaufwand wäre ohnehin nicht ersatzfähig (BGH, Urt. v. 08.05.2012 – VI ZR 37/11 Rn. 10).

Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten hat der Beklagte dem Kläger gemä&szlig § 280 I BGB in einer nach einem Geschäftswert von 200 € berechneten Höhe von 83,54 € zu ersetzen. Der Beklagte hat von dem Kläger vertragswidrig Zahlung weiterer 200 € gefordert. Aufgrund dieser Pflichtwidrigkeit war der Kläger berechtigt, einen Rechtsanwalt mit der Durchsetzung seines Rückzahlungsanspruchs zu mandatieren.

Eine weitergehende Ersatzfähigkeit der Rechtsanwaltskosten folgt auch nicht aus § 439 II BGB. Zwar können auch Rechtsanwaltskosten Aufwendungen i. S. von § 439 II BGB darstellen (BGH, Urt. v. 24.10.2018 – VIII ZR 66/17, BGHZ 220, 134 Rn. 87). Voraussetzung eines Zahlungsanspruchs ist aber, dass der Käufer die Anwaltskosten aufgewandt hat, als sich der Vollzug des Kaufvertrags im Stadium der Nacherfüllung befand, mit der Zielrichtung, die Durchsetzung des Nacherfüllungsanspruchs zu ermöglichen (BGH, Urt. v. 24.10.2018 – VIII ZR 66/17, BGHZ 220, 134 Rn. 91). So war es hier nicht. Das Vertragsverhältnis der Parteien befand sich nicht im Stadium der Nacherfüllung; auch das Anwaltsschreiben vom 23.05.2019 hatte nicht die Nacherfüllung, sondern Zahlungsforderungen zum Gegenstand.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 I 1 ZPO. Bei der Kostenentscheidung ist auch das teilweise Obsiegen des Klägers in Bezug auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu berücksichtigen, auch wenn diese Position eine Nebenforderung i. S. von § 4 I ZPO darstellt. Für die Kostenentscheidung ist allein maßgeblich, in welchem Umfang der Kläger mit der geltend gemachten Forderung – gleich ob Haupt- oder Nebenforderung – durchdringt (vgl. BGH, Urt. v. 28.04.1988 – IX ZR 127/87, NJW 1988, 2173, 2175 [unter II 1]; weitere Nachw. aus der Rechtsprechung bei Korch, NJW 2015, 2212, 2215 Fn. 29; vgl. ferner Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl., § 92 Rn. 3; Olivet, Die Kostenverteilung im Zivilurteil, 4. Aufl., Rn. 236). …

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