1. Der Verkäufer eines Gebrauchtwagens muss den Käufer über Veränderungen, die an dem Fahrzeug vorgenommen wurden, jedenfalls dann von sich aus aufklären, wenn aufgrund der Veränderungen das Risiko besteht, dass Garantieleistungen des Fahrzeugherstellers nicht mehr (problemlos) in Anspruch genommen werden können.
  2. Über Veränderungen, die an der Software des Motorsteuergeräts vorgenommen wurden, muss ein Gebrauchtwagenverkäufer jedenfalls dann ungefragt aufklären, wenn durch die Veränderungen die Leistung des Motors gesteigert wurde und nicht etwa lediglich die Motorsteuerung optimiert wurde, um Kraftstoff zu sparen. Denn mit einer Leistungssteigerung des Motors geht das Risiko eines höheren Verschleißes des Motors und anderer Bauteile (z. B. Getriebe, Antriebsstrang) einher.
  3. Nach den Garantiebedingungen deutscher Kfz-Hersteller sind Garantieleistungen üblicherweise insoweit ausgeschlossen, als ein Mangel dadurch entstanden ist, dass das Fahrzeug in einer vom Hersteller „nicht genehmigten Weise verändert worden ist (z. B. Tuning)“. Der (offene) Begriff „Tuning“ umfasst nicht nur Maßnahmen zur Leistungssteigerung des Motors, sondern grundsätzlich auch zur Optimierung der Motorsteuerung vorgenommene Änderungen an der Software des Motorsteuergeräts.

OLG Köln, Urteil vom 11.11.2015 – 16 U 23/15

Sachverhalt: Die Klägerin nimmt den Beklagten aus abgetretenem Recht des Herrn Z (nachfolgend: Zedent) auf Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen Gebrauchtwagen in Anspruch.

Am 03.09.2009 erwarb der Beklagte dieses Fahrzeug als Neuwagen. Nach den Garantiebedingungen der Fahrzeugherstellerin, der B-AG, sind Garantieansprüche unter anderem insoweit ausgeschlossen, als ein Mangel dadurch entstanden ist, dass „das Fahrzeug in einer von der B-AG nicht genehmigten Weise verändert worden ist (z. B. Tuning)“. Entsprechende Maßnahmen können der B-AG auf einem von ihr zur Verfügung gestellten Formular mitgeteilt werden, um prüfen zu lassen, ob sich die Maßnahmen auf die Garantie auswirken.

Der Beklagte ließ am 23.11.2009 bei einem Kilometerstand von 2.948 durch die E-GmbH Arbeiten an der Motorsteuerung des Fahrzeugs vornehmen, wie er sie bei seinen Fahrzeugen stets vornehmen lässt. Eine Mitteilung an die B-AG erfolgte nicht.

Am 07.10.2010 veräußerte der Beklagte das Fahrzeug mit einer Laufleistung von 35.899 km für 38.000 € an den Zedenten. Gemäß dem ausgefüllten „Kaufvertrag für den privaten Verkauf eines gebrauchten Kraftfahrzeuges“ wurde die Haftung des Beklagten für Sachmängel ausgeschlossen. Über die Veränderungen, die die E-GmbH an der Motorsteuerung vorgenommen hatte, wurde der Zedent nicht in Kenntnis gesetzt.

Nachdem die Klägerin das Fahrzeug am 15.01.2011 mit einem Tachostand von 38.832 km von dem Zedenten erworben hatte, veräußerte sie es am 08.06.2011 mit einer Laufleistung von 40.321 km an K, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, weiter. Während der Besitzzeit des K, im September 2011, trat bei einem Tachostand von rund 55.000 km ein Zylinderkopfschaden auf. Die anschließende Überprüfung des Fahrzeugs in einer Vertragswerkstatt ergab, dass Veränderungen an der Motorsteuerung vorgenommen worden waren.

K erklärte daraufhin unter dem 21.09.2011 gegenüber der Klägerin wegen eines „Chiptunings“ die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und vorsorglich auch seinen Rücktritt vom Kaufvertrag. Die Klägerin stimmte einer Rückabwicklung dieses Vertrages zu und erklärte ihrerseits mit Schreiben vom 07.10.2011 gegenüber dem Zedenten den Rücktritt vom Kaufvertrag. Der Zedent focht gegenüber dem Beklagten mit Schreiben vom 21.10.2011 den Kaufvertrag vom 07.10.2010 wegen arglistiger Täuschung an; hilfsweise erklärte er seinen Rücktritt von diesem Vertrag. Zur Begründung berief er sich darauf, dass die ihm nicht offenbarten Veränderungen an der Motorsteuerung zu einer höheren Beanspruchung der Fahrzeugteile und zum Erlöschen der Herstellergarantie geführt hätten. Die sich aus der Anfechtung ergebenden Ansprüche trat der Zedent unter dem 21.10.2011 an die Klägerin ab. Das Fahrzeug befindet sich seitdem bei der Klägerin.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 14.11.2011 forderte die Klägerin den Beklagten unter Fristsetzung zur Rückzahlung des um eine Nutzungsentschädigung (3.464,82 € für 19.249 km) reduzierten Kaufpreises (38.000 €), Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs, auf. Eine Ersattung des Kaufpreises lehnte der Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 08.12.2011 ab.

Das Landgericht hat der Klage nach Einholung von Sachverständigengutachten stattgegeben. Die Berufung des Beklagten, der damit eine vollständige Abweisung der Klage erreichen wollte, hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: II. … Das Landgericht hat den Beklagten im Ergebnis zu Recht zur Zahlung von 34.535,18 € Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs verurteilt und zutreffend festgestellt, dass sich der Beklagte in Annahmeverzug befindet.

1. Die Klägerin kann von dem Beklagten die Zahlung von 34.535,18 € nebst Zinsen … Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs nach den §§ 812 I 1 Fall 1, 818 BGB i. V. mit § 398 BGB verlangen.

Gemäß der Abtretungsvereinbarung vom 21.10.2011 hat der Zedent seine Ansprüche auf Rückabwicklung des zwischen ihm und dem Beklagten am 23.11.2009 geschlossenen Kaufvertrags auf die Klägerin übertragen. Entgegen der Ansicht des Beklagten in dem nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 15.10.2015 ist dieser Vertrag kein nach § 181 BGB unzulässiges Insichgeschäft, denn es liegt schon gar kein Fall der Stellvertretung vor.

Der Zedent hatte zum maßgeblichen Abtretungszeitpunkt auch gegen den Beklagten einen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags aus den §§ 812 I 1 Fall 1, 818 BGB.

Der Beklagte ist durch die Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 38.000 € seitens des Zedenten bewusst und zielgerichtet bereichert worden. Diese Leistung des Zedenten an den Beklagten erfolgte auch ohne Rechtsgrund, denn der am 23.11.2009 geschlossene Kaufvertrag ist aufgrund einer wirksamen Anfechtung des Zedenten gemäß § 142 I BGB als von Anfang an nichtig anzusehen.

a) Die von dem Beklagten in seinem Schriftsatz vom 15.10.2015 generell vorgebrachten Einwände gegen die Anfechtung greifen nicht durch.

aa) Sein Vorbringen, es bestehe bereits deshalb kein gegen ihn gerichteter Anspruch des Zedenten, weil die Klägerin nicht berechtigt gewesen sei, ihren Kaufvertrag mit dem Zedenten rückabzuwickeln, ist rechtlich unerheblich. Die Weiterveräußerung des streitgegenständlichen Fahrzeugs durch den Zedenten an die Klägerin ändert nichts an der grundsätzlichen Existenz des Kaufvertrags zwischen dem Beklagten und dem Zedenten und damit auch nichts an den in diesem Vertragsverhältnis bestehenden Gestaltungsrechten. Selbst dann, wenn der Zedent sich mit der Klägerin nicht auf eine Rückabwicklung geeinigt hätte, wäre er zur Anfechtung des mit dem Beklagten geschlossenen Kaufvertrags berechtigt gewesen.

bb) Die Anfechtung ist auch nicht aufgrund des Kaufvertrags der Klägerin mit dem K vom 08.06.2011 nach § 144 BGB ausgeschlossen. Die Klägerin geht aus dem Anspruch des Zedenten vor, der ihr erst am 21.10.2011 abgetreten wurde, sodass schon deshalb dem davor liegenden Kaufvertragsschluss kein Bestätigungserklärungswert hinsichtlich des von dem Zedenten abgeschlossenen, anfechtbaren Rechtsgeschäfts zukommen kann.

b) Die nach § 143 BGB erforderliche Anfechtungserklärung ist in dem an den Beklagten gerichteten Schreiben des Zedenten vom 21.10.2011 ausdrücklich enthalten.

c) Dem Zedenten steht der Anfechtungsgrund der arglistigen Täuschung nach § 123 I Fall 1 BGB zu.

aa) Ohne dass es darauf ankommt, ob der im September 2011 eingetretene Motorschaden auf den von der E-GmbH vorgenommenen Veränderungen an der Motorsteuerung beruht, hat der Beklagte den Zedenten dadurch, dass er diesem nicht offenbarte, dass am 23.11.2009 bei einem Kilometerstand von 2.948 entsprechende Arbeiten ausgeführt und der B-AG nicht gemeldet worden waren, aufklärungspflichtige Umstände verschwiegen und daher durch ein Unterlassen getäuscht.

Die Frage, ob die für eine Täuschung durch Unterlassen erforderliche konkrete Offenbarungspflicht besteht, bestimmt sich maßgeblich nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung hinsichtlich des jeweiligen Geschäftsbereiches (MünchKomm-BGB/Armbrüster, 6. Aufl. [2012], § 123 Rn. 32). So ist der Gebrauchtwagenverkäufer verpflichtet, alle Tatsachen zu offenbaren, die bekanntermaßen oder auch nur erkennbar für die Vertragsentschließung des Käufers oder für die Vertragsdurchführung von Bedeutung sind und deren Mitteilung von ihm nach den konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls nach der Verkehrsauffassung erwartet werden kann (s. BGH, Urt. v. 16.12.2009 – VIII ZR 38/09, NJW 2010, 858 Rn. 15).

Der Zedent konnte im Rahmen der Vertragsverhandlungen erwarten, dass der Beklagte ihn über die von der E-GmbH vorgenommene, nicht der B-AG gemeldete Veränderung der Motorsteuerung unterrichtet, denn diese Maßnahme barg für ihn als Erwerber das Risiko, bei einem Motorschaden nicht problemlos auf die noch bestehende Herstellergarantie der B-AG zurückgreifen zu können.

(1) Insoweit steht – insbesondere nach der durchgeführten Beweisaufnahme – in tatsächlicher und technischer Hinsicht zunächst folgender Sachverhalt fest:

Die Motorsteuerung kann in der Form verändert werden, dass auf die vom Hersteller in einem Steuerungs-Chip festgelegten Daten (sog. Kennfelder) zu einzelnen Fahrparametern wie etwa Ansauglufttemperatur und -menge, Motordrehzahl und Gaspedalstellung, aus denen sich die Einspritzmenge, der Zünd- und Einspritzzeitpunkt, der Ladedruck, die Drehzahl und die Abgas-Rückführrate errechnen, Einfluss genommen wird. Diese Softwareveränderungen können durch einen kompletten Ersatz des Chips im Wege des Austauschs, aber auch durch eine Neuprogrammierung des Chips mittels eines Diagnosesteckers erfolgen (vgl. von der Horst, NJOZ 2013, 385, 392 ff.). Nach dem insoweit unstreitigen Ergebnis der Gutachten des Sachverständigen S ist der Chip von der E-GmbH nicht ausgebaut worden, sondern eine Änderung der Software durch Datenübertragung erfolgt.

(2) Die durch Aufspielen einer neuen Software erfolgte Veränderung der Motorsteuerung ist jedenfalls dann ein aufklärungspflichtiger Umstand, wenn dadurch eine Leistungssteigerung des Motors bewirkt wird, denn insoweit nimmt die Rechtsprechung zu Recht an, dass dies schon das Risiko eines höheren Verschleißes des Motors (oder auch anderer Bauteile, etwa des Getriebes und des Antriebsstrangs, dazu OLG Hamm, Urt. v. 09.02.2012 – 28 U 186/10, MDR 2012, 761) begründet, über das der Käufer nach der Verkehrsanschauung (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.10.2009 – 22 U 166/08 für die Beurteilung der üblichen Beschaffenheit i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB) aufzuklären ist.

Nach dem – auch insoweit unstreitigen – Ergebnis der Begutachtung durch den Sachverständigen S ist aber nicht mehr feststellbar, welche Veränderungen die E-GmbH an der Motorsteuerung vorgenommen hat, denn zwischenzeitlich ist die von ihr aufgespielte Software durch Original-Kennfelddaten überspielt worden, ohne dass die von der E-GmbH verwendeten Daten rekonstruiert werden können. Da die Klägerin als Zessionarin für das Bestehen des Anfechtungsgrundes beweisbelastet ist (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 74. Aufl. [2015], § 123 Rn. 30), steht zu ihren Lasten nicht fest, dass durch den Dateneingriff der E-GmbH eine Leistungssteigerung erfolgt ist.

(3) Aber auch dann, wenn durch die Datenveränderung lediglich zwecks Kraftstoffeinsparung eine Optimierung der Motorsteuerung erfolgte, stellt auch diese Maßnahme angesichts der unterlassenen Meldung gegenüber der B-AG und des damit verbundenen Risikos der erschwerten Inanspruchnahme der Herstellergarantie im Ergebnis einen offenbarungspflichtigen Umstand dar.

(a) Soweit das Landgericht mit der Optimierung des Kraftstoffverbrauchs auch das Risiko eines erhöhten Verschleißes bejaht hat, kann dem allerdings nicht gefolgt werden. Der Sachverständige S hat dazu gerade keine Feststellungen getroffen, sondern sich nur spekulativ geäußert, wenn er festhält, … dass möglicherweise durch die … Veränderungen am Motorsteuergerät sich Einwirkungen auf sonstige Bauteile des Fahrzeugs, beispielsweise im Sinne einer höheren Abnutzung oder eines veränderten Verschleißverhaltens, ergeben können oder möglicherweise zu befürchten sind.

(b) Auch die von der Klägerin vorgebrachte Gefahr, dass durch die optimierende Motorsteuerungsveränderung die Betriebserlaubnis erlischt, kann der Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden. Gemäß § 19 II 2 Nr. 3 StVZO erlischt die Betriebserlaubnis, wenn Änderungen vorgenommen werden, durch die das Abgas- oder Geräuschverhalten verschlechtert wird. Diese Verschlechterung steht indes nicht fest, denn der Sachverständige S hat diesbezüglich wiederum nur spekulativ ausgeführt, dass die Veränderung der Kennfelddaten eine Verschlechterung des Abgas- und Geräuschverhaltens des Fahrzeuges zur Folge haben kann.

(c) Soweit die Klägerin befürchtet, eine optimierende Motorsteuerungsveränderung wirke sich negativ auf die Fahrzeugzulassung aus, greift auch dieses Gefahrenmoment nicht. Zwar hat nach § 13 I 1 Nr. 9 FZV der Halter bestimmte Änderungen der Abgas- oder Geräuschwerte unverzüglich der Zulassungsstelle zu melden, wobei diese gemäß § 13 I 6 FZV bis zur Erfüllung der Meldeverpflichtung den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen untersagen kann. Nach dem bereits dargestellten Ergebnis der Sachverständigengutachten steht aber nicht fest, ob sich die vorgenommenen Änderungen überhaupt auf die Abgas- oder Geräuschwerte ausgewirkt haben.

(d) Die Optimierung der Motorsteuerung ohne Anzeige an die B-AG birgt aber das Risiko einer erschwerten Inanspruchnahme der Herstellergarantie im Mangelfall in sich.

Nach [den] Garantiebedingungen der B-AG besteht die zweijährige Garantieverpflichtung nicht, „wenn der Mangel dadurch entstanden ist, dass … das Fahrzeug in einer von der B-AG nicht genehmigten Weise verändert worden ist (z. B. Tuning)“ (zu dieser bei deutschen Automobilherstellern gängigen Regelung s. auch Grunert, DAR 2012, 556, 560). Da diese Garantiebedingung den offenen Begriff des Tunings verwendet, wird von dem Wortlaut nicht nur eine leistungssteigernde, sondern grundsätzlich auch eine zur Optimierung erfolgte Softwareänderung erfasst (Grunert, DAR 2012, 556, 560).

Aufgrund der Softwareveränderung bestand für den Zedenten die naheliegende Gefahr, dass die B-AG sich bei einer Aufdeckung dieser Maßnahmen auf einen Ausschluss der Garantieverpflichtung berufen würde. Dies ergibt sich aus folgenden unstreitigen Umständen: Die B-AG kann feststellen, dass eine Änderung an der Motorsteuerung vorgenommen wurde, also bei der Rüge eines Motormangels den Grundtatbestand des in ihren Bedingungen vorgesehenen Garantieausschlusses leicht erkennen und darlegen. Bei einer auf die Garantiebedingungen gestützten Ablehnung der Herstellerhaftung wäre der Zedent der Situation ausgesetzt, sich insoweit rechtlich mit der B-AG auseinanderzusetzen zu müssen. Aufgrund der späteren Überspielung eines Herstellerupdates sind die vorgenommenen Änderungen gelöscht worden. Damit ist nicht mehr rekonstruierbar, welche konkreten Änderungen erfolgt sind. Da der Beklagte eine Änderungsanzeige gemäß dem von der B-AG konzipierten Formular „Meldung zur Veränderung am Fahrzeug“ unterlassen hat, stehen dem Zedenten damit insgesamt keine „objektiven“ Beweismittel zu der Art der Veränderung zur Verfügung. Der Zedent hätte sich also hinsichtlich der Art der Veränderungen allein auf das Zeugnis desjenigen berufen können, der die Änderung an der Motorsteuerung vorgenommen hat. Dabei war ihm noch nicht einmal bekannt, wer die Änderung an den Einstellungen vorgenommen hat und welche Maßnahmen der Beklagte in Auftrag gegeben hat, da der Beklagte ihm die Arbeiten verschwiegen hat.

Da einerseits die Tatsache der Motorsteuerungsveränderung für die B-AG problemlos feststellbar und andererseits die konkrete Art der Veränderung nur schwer oder gar nicht mehr aufklärbar war, bestand für den das Fahrzeug erwerbenden Zedenten das Risiko, im Mangelfall nicht problemlos auf die Garantie zugreifen zu können.

Selbst wenn der Vortrag des Beklagten zutrifft, dass die B-AG Motoreinstellungen innerhalb bestimmter Kennfelder zulässt und die von der E-GmbH durchgeführten Maßnahmen diesen Toleranzrahmen einhielten, ändert sich nichts an der dargestellten Risikobewertung. Soweit die B-AG in dieser Konstellation bei einem Garantiefall zunächst den Nachweis hätte führen müssen, dass das Fahrzeug in einer von ihr nicht genehmigten Weise verändert wurde und der Mangel hierauf beruht, wäre der Zedent doch gehalten, mit der B-AG eine rechtliche Auseinandersetzung über das Eingreifen der Garantie zu führen. Dies stellt im Vergleich zu dem Zustand, dass keine unangemeldeten Änderungen an dem Fahrzeug vorgenommen wurden, eine Verschlechterung seiner Rechtsposition dar. Auch unter den von dem Beklagten behaupteten Voraussetzungen verwirklicht sich gerade das Risiko der erschwerten Inanspruchnahme des Herstellergarantie, über das der Zedent somit aufgeklärt werden musste.

Da bei Kaufvertragsschluss am 07.10.2010 noch circa elf Monate der zweijährigen Herstellergarantie offenstanden, war die bestehende Herstellergarantie für den das Fahrzeug erwerbenden Zedenten auch ein für den Vertragsschluss wichtiger wirtschaftlicher Faktor. Er durfte nach Treu und Glauben darauf vertrauen, dass der Beklagte als Veräußerer keine Bedingungen gesetzt hatte, die zu einer erschwerten Inanspruchnahme dieser Herstellergarantie führen konnten.

Auch der Umstand, dass es sich bei der Garantiebedingung um eine Allgemeine Geschäftsbedingung der B-AG handelt, die gegebenenfalls gemäß § 305c II BGB zu ihren Lasten dahin gehend auszulegen ist, dass Tuning ein umfassender Eingriff in das Fahrzeug zwecks Leistungssteigerung bedeutet, oder dass jedenfalls die Veränderung im Zeitpunkt des Garantiefalles auch noch vorhanden sein muss, nahm dem Zedenten nicht das Risiko, dass die B-AG unter Behauptung einer früheren Leistungssteigerung die Gewährleistung ablehnt und infolgedessen eine rechtliche Auseinandersetzung entsteht.

Soweit zwischen den Parteien der Zeitraum, in dem die Veränderungen an dem Fahrzeug aktiviert waren, deshalb streitig ist, weil der Beklagte behauptet, es sei bereits zu Zeiten seiner Halterschaft am 10.05.2010 beim Kilometerstand von 30.200 zu einer Überspielung der veränderten Software gekommen und eine Rücksetzung auf die Original-Kennfelddaten erfolgt, ist dies rechtlich ohne Belang. Denn die Veränderung ist für die B-AG unabhängig von ihrer Dauer im Nachhinein auslesbar, sodass das Risiko, dass sich die B-AG bei späterer Entdeckung auf ein Entfallen der Garantieverpflichtung beruft, von der Veränderungsdauer unabhängig ist.

Der Beklagte hat die dargestellte konkrete Aufklärungspflicht durch sein Schweigen verletzt und den Zedenten somit getäuscht. Soweit der Beklagte in seinem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 15.10.2015 darauf abstellt, dass die Klägerin beim Erwerb des Fahrzeugs von dem Zedenten Kenntnis von der Motorsteuerungsänderung hatte oder jedenfalls sich hätte verschaffen müssen und dass die Klägerin selbst bei der E-GmbH Änderungen an der Motorsteuerung anderer Fahrzeuge vornehmen lässt, ist dies irrelevant, da die Klägerin die in der Person des Zedenten entstandene Forderung geltend macht. Es kommt daher allein auf die Kenntnisse des Zedenten bei Erwerb des Fahrzeugs am 07.10.2010 an.

Dadurch, dass der Anfechtungsgrund nunmehr auf die erschwerte Inanspruchnahme der Herstellergarantie abstellt, wird – entgegen der Ansicht des Beklagten in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 15.10.2010 – nicht unzulässigerweise ein Anfechtungsgrund nachgeschoben. Dies trifft schon deshalb nicht zu, weil der Zedent in seinem Anfechtungsschreiben vom 21.10.2011 auch das Erlöschen der Herstellergarantie erwähnt hatte. Zudem ist der der Anfechtung zugrunde liegende Grundsachverhalt (fehlende Aufklärung über die Änderung der Motorsteuerungseinstellung) unverändert geblieben.

bb) Der Beklagte hat weiterhin auch arglistig gehandelt.

Arglist i. S. von § 123 I BGB erfordert keine moralisch verwerfliche Gesinnung oder Schädigungsabsicht, sondern ist mit dem Vorsatz gleichzusetzen (MünchKomm-BGB/Armbrüster, a. a. O., § 123 Rn. 17, 19), sodass schon der bedingte Vorsatz ausreicht (Palandt/Ellenberger, a. a. O., § 123 Rn. 11). Bedingt vorsätzlich handelt, wer den als möglich erkannten pflichtwidrigen Erfolg billigend in Kauf nimmt (BGH, Urt. v. 17.09.1985 – VI ZR 73/84, NJW 1986, 180 [182]). Da es im Rahmen der Arglist um Gegebenheiten geht, die ausschließlich zum subjektiven Bereich menschlichen Handelns gehören, muss auf das Wissen und Wollen des Anfechtungsgegners in aller Regel aus den objektiv feststellbaren Umständen des Einzelfalles geschlossen werden (BGH, Urt. v. 22.02.2005 – X ZR 123/03, NJW-RR 2005, 1082 Rn. 15).

Insoweit ist vorliegend zu berücksichtigen, dass der Beklagte die der Optimierung der Einstellung dienenden Maßnahmen, so wie er dies bei seinen Fahrzeugen stets handhabt, einige Monate nach dem Ersterwerb des Fahrzeugs in Auftrag gegeben hat. Dieses gezielte und von dem durchschnittlichen Verhalten von Fahrzeugeigentümern abweichende Verhalten musste ihm verdeutlichen, dass die Motorsteuerungsveränderung eben kein üblicher und damit zu vernachlässigender Vorgang war, sondern nachfolgende Erwerber im Rahmen ihrer Kaufentscheidung interessierte. Ob die beschriebene Abweichung aus Sicht des Beklagten positiv oder negativ zu bewerten ist, ändert an der Arglist nichts. Denn auch dann, wenn der Beklagte diesen Umstand verschwieg, weil er davon ausging, dass dieser ohnehin für den erwerbenden Zedenten nur günstig sei, was er schriftsätzlich dadurch zum Ausdruck gebracht hat, dass er die Veränderung als ein allenfalls verkaufsförderndes Argument bezeichnet, kann er sich nicht auf seine gute Absicht berufen, denn über „sein Bestes“ soll jeder Vertragspartner selbst entscheiden können (MünchKomm-BGB/Armbrüster, a. a. O., § 123 Rn. 17). Aufgrund der für den Erwerb eines Fahrzeugs besonders bedeutsamen Herstellergarantie und des Entschlusses des Beklagten, den als Neuwagen erworbenen Wagen bereits nach 13 Monaten weiterzuveräußern, war ihm auch das Bestehen der Herstellergarantie bekannt und bewusst. Die objektiven Umstände (Motorsteuerungsänderung und anschließende Fahrzeugveräußerung bei bestehender Herstellergarantie) lassen den Schluss darauf zu, dass der Beklagte es zumindest für möglich hielt, dass er durch das Verschweigen der Maßnahmen vom 23.11.2009 seine Aufklärungspflicht verletzt, dies aber billigend in Kauf nahm.

Soweit der Beklagte sich in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 15.10.2015 darauf beruft, schon vor der Fahrzeugveräußerung an den Zedenten sei ihm von dem Zeugen G, dem Geschäftsführer der E-GmbH, mehrfach die Auskunft erteilt worden, dass die vorgenommenen Einstellungen keine Einwirkungen auf die Herstellergarantie habe, ist dieser Vortrag nach § 531 II ZPO nicht zuzulassen. Die vorgebrachte Tatsache ist ein neues Verteidigungsmittel, das der Beklagte erstinstanzlich nicht geltend gemacht hat. Dieses Unterlassen beruht auf Nachlässigkeit, denn die arglistige Täuschung durch das Verschweigen von Umständen, die die Herstellergarantie betreffen, ist bereits erstinstanzlich streitig erörtert worden, sodass Veranlassung bestand, den von der Klägerin vorgetragenen Umständen schon erstinstanzlich mit den nunmehr dargelegten objektiven Umständen der gegenteiligen Auskünfte seitens des Zeugen G zu begegnen.

Der Senat geht davon aus, dass dem Beklagten die grundsätzliche Bedeutung des Chiptunings für die Herstellergarantie bekannt war. Nach seinem eigenen Vortrag hat der Beklagte bei allen seinen Fahrzeugen Änderungen an der Motoreinstellung vornehmen lassen und damit Erfahrung mit Chiptuning. Sein Vorbringen, ihm sei dabei jeweils versichert worden, dass die Maßnahmen keinen Auswirkungen auf die Herstellergarantie haben, belegt, dass ihm grundsätzlich bekannt und bewusst war, dass derartige Änderungen an der Motoreinstellung für die Herstellergarantie von Bedeutung sind. Wenn der Beklagte aber wusste, dass zumindest ein leistungssteigerndes Chiptuning Einfluss auf die Zulassung und auch die Herstellergarantie hat, dann lag für ihn auch auf der Hand, dass er den Käufer über die durchgeführte Maßnahme und darüber, wer sie vorgenommen hat, informieren muss, damit dieser überhaupt die Möglichkeit hat, eventuellen Schwierigkeiten bei Inanspruchnahme der Herstellergarantie aufgrund der vorgenommenen Änderung entgegenzutreten und zu belegen, dass die Änderung der Motorsteuerung für die Herstellergarantie ohne Bedeutung ist. Dass der Beklagte den Zedenten dennoch nicht auf die Änderung der Motorsteuerung hinwies, obwohl er sie nach seinem Vorbringen sogar für verkaufsfördernd ansieht, belegt, dass ihm grundsätzlich bekannt war, dass eine Änderung der werksseitigen Motoreinstellung Einfluss auf die Herstellergarantie haben kann und daher für den Käufer eines Fahrzeugs mit Herstellergarantie von Bedeutung für den Kaufentschluss ist.

d) Die erforderliche Kausalität zwischen der arglistigen Täuschung und der Abgabe der Willenserklärung bei der Unterzeichnung des Kaufvertrags durch den Zedenten am 07.10.2010 ist gegeben. Insoweit kann die Ursächlichkeit im Wege des Anscheinsbeweises bejaht werden, denn die Täuschung über einen wirtschaftlich wichtigen Faktor war nach der Lebenserfahrung geeignet, die Kaufvertragserklärung zumindest mit zu beeinflussen (vgl. BGH, Urt. v. 12.05.1995 – V ZR 34/94, NJW 1995, 2361 Rn. 17 f.).

e) Die Anfechtungsfrist des § 124 BGB – ein Jahr ab Entdeckung der Täuschung – ist gewahrt. Dem Zedenten wurde die Täuschung erstmals durch das Schreiben der Klägerin vom 07.10.2011 bekannt, und bereits mit Schreiben vom 21.10.2011 erklärte er die Anfechtung gegenüber dem Beklagten.

f) Liegen somit alle Anfechtungsvoraussetzungen und damit nach § 142 I BGB die Nichtigkeit des am 07.10.2010 geschlossenen Vertrages vor, hat der von dem Zedenten ohne Rechtsgrund bereicherte Beklagte der Klägerin als Zessionarin nach den §§ 812 I 1 Fall 1, 398 BGB den empfangenen Kaufpreis in Höhe von 38.000 € herauszugeben.

Da der Zedent seinerseits aufgrund des unwirksamen Vertrags vom 07.10.2010 um die bis dahin gezogenen Nutzungen aus dem Fahrzeug zu Unrecht bereichert ist, ist die für die zurückgelegte Laufleistung von 19.249 km mit 3.464,82 € zu beziffernde Nutzungsentschädigung in Abzug zu bringen, sodass die Klägerin als Zessionarin von dem Beklagten die Zahlung von 34.535,18 € Zug um Zug gegen Fahrzeugrückgabe verlangen kann.

Der Zinsanspruch der Klägerin ist gemäß den §§ 280 I, II, 286 I 1, 288 I BGB aufgrund ihres Mahnschreibens vom 14.11.2011 … begründet.

2. Der Beklagte befindet sich aufgrund des Mahnschreibens der Klägerin vom 14.11.2011, mit dem ihm auch das streitgegenständliche Fahrzeug zur Übernahme angeboten wurde, gemäß den §§ 293, 295 BGB mit dessen Rücknahme in Annahmeverzug.

III. … Gemäß § 543 II ZPO ist die Revision zuzulassen, da die Frage, ob der Verkäufer den Käufer über Veränderungen an dem Fahrzeug, die mit dem Risiko einer erschwerten Inanspruchnahme der Herstellergarantie verbunden sind, aufklären muss, obergerichtlich noch nicht entschieden ist und grundsätzliche Bedeutung hat.

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