1. Die nach § 29 StVZO durchzuführende Hauptuntersuchung eines Kraftfahrzeugs dient ausschließlich der Sicherheit im Kraftfahrzeugverkehr. Ein späterer Käufer des untersuchten Fahrzeugs ist in seinen Vermögensinteressen nicht geschützt.
  2. Ein „Amtsmissbrauchs“ ist eine besondere Amtspflichtverletzung i. S. des § 839 BGB, die selbstständig neben die (behauptete) Verletzung der Amtspflicht zur ordnungsgemäßen Durchführung einer Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO treten kann. Liegt ein Fall des „Amtsmissbrauchs“ vor, so ist – wie etwa beim Begehen einer Straftat durch den Amtsträger – Dritter i. S. des § 839 I 1 BGB jeder von diesem Missbrauch Betroffene.

OLG Koblenz, Urteil vom 30.07.2015 – 1 U 232/15

Sachverhalt: Der Kläger begehrt von dem beklagten Land unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung die Rückabwicklung eines Pkw-Kaufvertrages.

Mit Kaufvertrag vom 26.10.2010 erwarb der Kläger von V einen Gebrauchtwagen für 6.800 €. Das Fahrzeug, das eine Laufleistung von 229.000 km aufwies, wurde einen Tag später auf Veranlassung des V einer Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO unterzogen. Ausweislich des Prüfberichts wurden dabei lediglich geringe Mängel festgestellt und wurde eine „TÜV-Plakette“ am Fahrzeug angebracht. Anschließend, am 28.10.2010, übergab V den Gebrauchtwagen dem Kläger. Dieser hat V vor dem Landgericht Landau in der Pfalz ohne Erfolg auf Rückabwicklung des Kaufvertrages in Anspruch genommen.

Im vorliegenden Verfahren verlangt der Kläger die Rückabwicklung des Kaufvertrages von dem beklagten Land. Er behauptet, dass der Prüfer bei der Hauptuntersuchung Durchrostungen insbesondere im Bereich der Reserveradmulde und viele nur notdürftig zugekleisterte Rostlöcher im Bereich von Unterboden und Schwellern nicht bemerkt habe. Das Fahrzeug, in dessen Inneres Abgase gelangen könnten, sei bei der Hauptuntersuchung nicht verkehrssicher gewesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: II. … Ersatzansprüche stehen dem Kläger nicht zu.

1. Selbst bei unterstellter Fehlbegutachtung im Rahmen der nach § 29 StVZO durchzuführenden Hauptuntersuchung an dem streitgegenständlichen Fahrzeug kann der Kläger hieraus keinen Ersatzanspruch nach § 839 BGB i. V. mit Art. 34 GG ableiten.

Die einhellige Meinung in Rechtsprechung wie auch im Schrifttum ist, dass diese Untersuchung der Kraftfahrzeuge und Anhänger nach § 29 StVZO ausschließlich der Sicherheit im Kraftfahrzeugverkehr dient und grundsätzlich ein späterer Käufer des Fahrzeugs nicht hinsichtlich seiner Vermögensinteressen geschützt ist (s. nur BGH, Beschl. v. 30.09.2004 – III ZR 194/04, MDR 2005, 144; Urt. v. 11.01.1973 – III ZR 32/71, NJW 1973, 458, OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.10.1995 – 18 U 67/95, OLGR 1996, 17; Staudinger/Wöstmann, BGB, Neubearb. 2012, § 839 Rn. 765 ff., 790; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 29 StVZO Rn. 22 a. E.; Stein/Itzel/Schwall, Praxishandbuch des Amts- und Staatshaftungsrechts, 2. Aufl., Rn. 763; jeweils m. zahlreichen w. Nachw.). Dieser durchweg anerkannte eingeschränkte Drittschutz, der im vorliegenden Fall den Kläger als Käufer in seinen Vermögensinteressen (Rückabwicklung des Pkw-Kaufvertrags) nicht schützt, wird von diesem wohl auch im vorliegenden Verfahren letztlich anerkannt und nicht näher zentral zur Begründung seines Begehrens herangezogen.

2. Soweit der Kläger den geltend gemachten Ersatzanspruch unter „Amtsmissbrauchsgesichtspunkten“ begründen will, dringt er auch hiermit nicht durch.

Zwar ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass im Falle eines Amtsmissbrauchs zum einen der Ersatzanspruch nach § 839 BGB i. V. mit § 34 GG eingreifen kann und der Beamte in diesen Fällen nicht nur lediglich bei Gelegenheit der Amtsausführung handelt (was mithin nicht zu einer Haftung führen würde). Gleichfalls ist anerkannt, dass in diesen Fällen des Amtsmissbrauchs (wie auch z. B. beim Begehen einer Straftat durch den Amtsträger) geschützter Dritter jeder von diesem Missbrauch Betroffene sein kann und entsprechend der personale Schutzbereich hier weit gezogen werden muss (siehe nur Staudinger/Wöstmann, a. a. O., § 839 Rn. 96 und insbesondere Rn. 172 m. w. Nachw.). Dabei besteht Einigkeit, dass selbstverständlich nicht jede Amtspflichtverletzung i. S. von § 839 BGB als Amtsmissbrauch qualifiziert werden kann. Die Fälle des Amtsmissbrauchs stellen eine besondere Amtspflichtverletzung dar, die im vorliegenden Fall selbstständig neben die vom Kläger behauptete Amtspflichtverletzung durch fehlerhafte Hauptuntersuchung des Sachverständigen treten würde.

Unter Berücksichtigung der sehr hohen Anforderungen für das Vorliegen eines Amtsmissbrauchs (regelmäßiger Verweis auf § 826 BGB) ist für den Senat wie auch bereits für das LG Mainz ein derartiger Missbrauch im vorliegenden Fall weder ausreichend dargetan noch durch den Kläger nachweisbar. Insoweit verweist der Senat auf die überzeugende und eingehende Begründung in der angefochtenen Entscheidung des LG Mainz. In jedem Fall fehlt es auch auf Grundlage des Vorbringens des Klägers an einem Verhalten des Sachverständigen, das sich in Widerspruch mit den Forderungen von Treu und Glauben und guten Sitten stellt. Es fehlen gerade auch die subjektiven Voraussetzungen des § 826 BGB bzw. für das Vorliegen der Annahme eines Amtsmissbrauchs im vorliegenden Fall. Diese Bewertung, die der tatrichterlichen Würdigung unterfällt, steht auch nicht im revisionsrechtlich zu überprüfenden Spannungsverhältnis zu der von dem Kläger in Bezug genommenen Entscheidung des OLG Hamm vom 17.06.2009 (OLG Hamm, Urt. v. 17.06.2009 – 11 U 112/08, MDR 2010, 326). Hierfür sind die Sachverhalte deutlich zu unterschiedlich ausgelegt (hier: behauptete Durchrostungen; dort mit Explosionsgefahr verbundene Mängel der Gasanlage des Pkw). Unstrittig hat der Sachverständige, dessen unterstelltes pflichtwidriges Verhalten dem beleihenden Land zuzurechnen wäre, das Fahrzeug untersucht und hat er nach Auffassung des Klägers lediglich (gravierende) Mängel nicht festgestellt. Bei dieser Sachlage liegen für den Senat die Voraussetzungen für die Annahme eines einen Ersatzanspruch begründenden Amtsmissbrauchs zugunsten des Klägers nicht vor.

3. Weiterhin ist der Anspruch des Klägers auch deshalb ausgeschlossen, weil der rechtswirksame Kaufvertrag mit allen Rechtsfolgen nach § 433 BGB bereits unbedingt vor der Begutachtung, die einen Tag nach dem Kaufvertragsabschluss erfolgte, geschlossen worden war. Der nun geltend gemachte Schaden war bereits mit Abschluss des Kaufvertrages eingetreten. Die spätere, vom Kläger als fehlerhaft angenommene Begutachtung konnte mithin nicht mehr kausal für den nun geltend gemachten Schaden werden. Der Kläger hatte bereits einen Tag vor der Überprüfung durch den Sachverständigen ein in großen Teilen durchgerostetes und nicht mehr verkehrssicheres Fahrzeug erworben (so seine Behauptung hinsichtlich der geltend gemachten Mängel). Daran konnte die später erfolgte Untersuchung durch den Sachverständigen nichts mehr ändern. Auch aus diesem Grund (fehlende Kausalität zwischen behaupteter Amtspflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden) ist der geltend gemachte Anspruch aus Rechtsgründen ausgeschlossen.

4. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage kann offenbleiben, inwieweit das beklagte Land Rheinland-Pfalz überhaupt für den … Sachverständigen verantwortlich sein sollte und insoweit ein Beleihungsverhältnis vorliegt. Gleichfalls kann offenbleiben, inwieweit der Kläger im Rahmen von § 839 BGB, im Rahmen eines Schadenersatzanspruchs, die Rückabwicklung des geschlossenen Kaufvertrages (mit Zug- um-Zug-Leistung) verlangen kann …

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