Bei einem gebrauchten Motorrad liegt darin, dass die Maschine einen typischen, altersgerechten Verschleiß aufweist, kein Sachmangel. Ein Sachmangel, das heißt eine Abweichung der Ist- von der Soll-Beschaffenheit, kann vielmehr nur bei einem über das Normale hinausgehenden Verschleiß angenommen werden.

LG Kassel, Urteil vom 26.02.2009 – 5 O 535/07

Sachverhalt: Der Kläger begehrt von der Beklagten die Rückabwicklung eines Kaufvertrags.

Mit Kaufvertrag vom 14.05.2005 kaufte der Kläger von der Beklagten ein gebrauchtes Motorrad zum Preis von 5.400 €. Die erstmals am 09.01.1996 zugelassene Maschine hatte drei Vorbesitzer gehabt und wies einen Kilometerstand von 78.500 km auf. Der Verkauf erfolgte laut Vertrag unter Ausschluss jeglicher Sachmängelhaftung. Das Motorrad wurde dem Kläger am 25.05.2005 gegen Zahlung des Kaufpreises übergeben.

In der Folgezeit rügte der Kläger gegenüber der Beklagten, das Fahrzeug weise Mängel auf. Zeitpunkt und Inhalt der Mängelanzeigen sind zwischen den Parteien streitig.

Der Kläger unternahm mit dem Motorrad vom 03.09.2005 bis zum 09.09.2005 eine Tour in den Alpen. Am 30.09.2005 kam es zu einem plötzlichen Leistungsverlust des Motorrads.

Mit Schreiben vom 09.11.2005 wurde der Beklagten eine Frist zur Instandsetzung gesetzt. Mit Schreiben vom 28.11.2005 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Der Kläger behauptet, das Motorrad habe viele Mängel, die bereits bei Übergabe vorhanden gewesen seien. Dabei handele es sich nicht um normalen, altersbedingten Verschleiß, sondern um massiven, atypischen Verschleiß. Seit dem 30.09.2005 sei das Motorrad nicht mehr gebrauchsfähig. Die Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: I. Die zulässige Klage ist unbegründet und war darum abzuweisen.

1. Der Sachmangelausschluss … der Beklagten für gebrauchte Fahrzeuge ist unwirksam (§ 475 I BGB). Die Beklagte beruft sich hierauf auch nicht …

3. Der Kläger kann nicht Rückabwicklung des Kaufvertrags wegen eines Sachmangels verlangen. Die Beweislast für das Vorliegen eines Sachmangels trägt der Kläger. Ein derartiger Sachmangel ist nicht zur Überzeugung des Gerichtes bewiesen.

Sachmangel bedeutet das Abweichen der Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit. Bei dem Kauf eines gebrauchten Motorrads – wie hier – folgt daraus, dass ein Sachmangel nicht hergeleitet werden kann aus einem typischen, altersgerechten Verschleiß. Ein Sachmangel, das heißt eine Abweichung der Ist- von der Soll-Beschaffenheit, kann vielmehr nur dann angenommen werden, wenn ein über den normalen Verschleiß hinausgehender Zustand vorliegt. Ein solcher ist nicht zur Überzeugung des Gerichtes bewiesen.

a) Der Kläger bezieht sich zunächst darauf, das Fahrzeug sei im Zeitpunkt der Übergabe mit einer Vielzahl von Mängeln belastet gewesen, im Einzelnen: Gabel vorne war defekt; Gummilagerung des Lenkers war defekt; Kupplung machte beim Anfahren Geräusche; Sitzbankscharnier war defekt; Dichtung am Tank fehlte; es rappelte und klapperte überall; zeitweise Ausfall des Tachometers; Kupplung arbeitete nicht einwandfrei.

Indes hat der Kläger selbst vorgetragen, dass die Beklagte … die Gabel, die Sitzbank, die Tankdichtung, den Gummilenker, den Tachometer und die Dichtung des Tanks wiederhergestellt hat. Darum liegt diesbezüglich keine Abweichung der Ist- von der Soll-Beschaffenheit mehr vor; ein Rücktrittsbegehren kann hierauf nicht gestützt werden. Bei der genannten Liste verbleiben lediglich die – klägerseits behauptete – nicht einwandfrei arbeitende Kupplung sowie das Rappeln und Klappern überall. Dies wird sogleich noch zu erörtern sein.

b) Der Kläger kann einen Rücktritt nicht darauf stützen, dass die Kupplung Geräusche mache, dass das Motorrad während des Betriebs starken Qualm entwickle, dass die Maschine keine volle Leistung erbringe, dass sich während des Betriebs rappelnde Geräusche einstellten. Der Gutachter hat diesbezüglich in seinem schriftlichen Gutachten im Beweissicherungsverfahren … ausgeführt, er könne diese Punkte derzeit nicht klären.

Was den starken Qualm anbelangt, konnte der Gutachter hier, wie ausgeführt, auch keine Klärung erbringen. Soweit die Zeugen von einer besonderen Rauchentwicklung gesprochen haben, ist diese im Zusammenhang mit dem übermäßigen Ölverbrauch zu sehen, was sowohl Zeugen als auch Gutachter übereinstimmend gesagt haben; dieser Punkt ist darum unter d) zu klären, wo auf den Ölverbrauch eingegangen wird.

c) Der Kläger kann seinen Rücktritt auch nicht erfolgreich auf den Motorschaden stützen.

Der Sachverständige führt diesbezüglich in seinem schriftlichen Gutachten im Beweissicherungsverfahren … aus, es sei ein Motorschaden eingetreten, der sich durch ein durchgebranntes Auslassventil äußere. Zwar hat der Gutachter sodann auch noch ausgeführt, dieser Zustand des Motors sei durchaus als Mangel an einem gebrauchten Motorrad zu bezeichnen.

Indes hat der Gutachter im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 26.02.2009 seinen Mangelbegriff dem Gericht erklärt. Für ihn als Techniker ist ein Mangel gleichbedeutend mit einem Zustand, den der Techniker reparieren lassen würde. Es geht damit nicht um den juristischen Mangelbegriff, wer die Kosten der Reparatur zu tragen hat, sondern nur um die Frage, ob in technischer Hinsicht eine Reparatur zu erfolgen hat. Dieser Begriff ist nicht deckungsgleich mit dem juristischen Mangelbegriff.

Damit in Einklang stehend führt der Gutachter … aus, die Ursache für das durchgebrannte Auslassventil sei nicht klar zu definieren. Es sei lediglich klar, dass das Auslassventil stark überhitzt gewesen sei. Ob dies durch ein unzureichendes Schließen des Auslassventils oder durch Mängel an der Einspritz- oder Zündanlage hervorgerufen worden sei, sei im Nachhinein nicht mehr zu klären.

Da aber diesbezüglich nicht geklärt werden kann, worauf das durchgebrannte Auslassventil – und damit auch der Motorschaden – beruht, ist der Kläger beweisfällig geblieben. Es ist insbesondere nicht zur Überzeugung des Gerichtes bewiesen, dass ein übermäßiger Verschleiß zu dem durchgebrannten Auslassventil geführt hat und nicht nur ein normaler, altersbedingter, typischer Verschleiß.

d) Der Kläger kann den Rücktritt auch nicht auf einen hohen Ölverbrauch des Motors stützen.

aa) Soweit diesbezüglich zunächst der Gutachter von einem zu hohen Ölverbrauch ausgegangen ist, aber nicht feststellen konnte, ob der Ölverbrauch bis zu drei Liter auf 1.000 km betragen hat, hat der Gutachter in seinem schriftlichen Gutachten … ausgeführt, der hohe Ölverbrauch des Motors sei einerseits auf den erhöhten Verschleiß der Kolbenringe, andererseits auf undichte Ventilschaftdichtungen zurückzuführen. Er ist dann … fortgefahren, die Ursache für den hohen Ölverbrauch sei durch normalen Verschleiß zu erklären. Die Ventilschaftdichtungen seien bestimmten mechanischen Belastungen ausgesetzt und würden zusätzlich thermisch belastet. Die Folge der thermischen Belastung sei, dass diese Gummidichtungen langsam aushärteten und undicht würden. Des Weiteren sei auch der Zustand der Kolbenringe ebenfalls durch Verschleiß zu erklären. Die Kolbenringe dichteten den Brennraum nach unten hinten ab und liefen bei jeder Kolbenbewegung an der Zylinderlaufwand hoch und runter. Dabei entstehe Verschleiß, und der äußere Teil der Kolbenringe werde langsam abgetragen. Sei der Verschleiß zu hoch, lasse die Spannung der Kolbenringe nach und die Abdichtung lasse zu wünschen übrig.

Soweit der Gutachter … ausgeführt hat, die Kolbenringe wiesen einen Verschleißzustand auf, der außerhalb der X-Toleranzen liege, so hat er im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 19.06.2008 erklärt, dass er sämtliche Kolbenringe untersucht habe (pro Kolben seien das zwei), allerdings nur bei einem Kolbenring, und zwar bei einem Kolbenring des zweiten Zylinders, ein Stoßspiel habe messen können, das außerhalb der X-Toleranzen gelegen habe. Dies habe allerdings zur Folge, dass bei einer Reparatur alle Kolbenringe auszutauschen gewesen wären. Bei einem Motorrad der Marke X mit einer Laufleistung von ca. 80.000 km sei eine Verschleißerscheinung der hier vorliegenden Art indes nicht als ungewöhnlich zu betrachten. Auch sei die von ihm … benutzte Formulierung, dass der hohe Ölverbrauch des Motors auf den erhöhten Verschleiß der Kolbenringe zurückzuführen sein könnte, nicht so zu verstehen, dass hier ein ungewöhnlicher Verschleiß vorgelegen habe. Es sei vielmehr so zu verstehen, dass bei der genannten Laufleistung und dem genannten Fahrzeugtyp eine Verschleißerscheinung durchaus im Bereich des Üblichen liege.

Das Gericht hat keinerlei Bedenken, die Ausführungen des Sachverständigen seinem Urteil zugrunde zu legen. Sie sind nachvollziehbar, schlüssig und verständlich. Damit ist davon auszugehen, dass die vom Sachverständigen an den Ventilschaftdichtungen und den Kolbenringen festgestellten Verschleißerscheinungen, die zu einem hohen Ölverbrauch des Motors geführt haben, sich im Rahmen des üblichen Verschleißes bewegt haben und für sich betrachtet keine Mängel darstellen.

bb) Was einen höheren Ölverbrauch – drei Liter auf 1.000 km – anbelangt, so wäre ein derartig exorbitant hoher Ölverbrauch nicht mehr als Verschleißerscheinung, sondern als Mangel anzusehen. Indes ist ein derartig hoher Ölverbrauch nicht zur Überzeugung des Gerichtes bewiesen.

Zwar haben sowohl der Kläger als auch die Zeugen A und B im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 26.02.2009 berichtet, der Kläger habe bei der Alpentour an vier Tagen knapp 1.500 km zurückgelegt …, auf dieser Strecke habe der Kläger insgesamt vier Liter Öl nachgefüllt. Indes ist das Gericht hiervon nicht überzeugt.

Der Sachverständige hat nämlich im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 19.02.2009 überzeugend, verständlich und nachvollziehbar ausgeführt, dass ein derart exorbitant hoher Ölverbrauch, wie die Zeugen ihn geschildert hätten, mit dem Zustand des Motors, wie er ihn vorgefunden habe, nicht mehr in Einklang zu bringen sei. Er hat sich hierbei bezogen auf die Brennräume. Insbesondere der Brennraum des vierten Zylinders … sei derart sauber, dass von einem derart hohen Ölverbrauch nicht auszugehen sei. Bei einem derart hohen Ölverbrauch, wie ihn der Kläger und die Zeugen hier behaupteten, müsse dieser Brennraum ganz anders aussehen. Dies sei auch für die anderen Brennräume der Fall.

Der Sachverständige hat des Weiteren auch ausgeführt, dass nicht von einem „Auswaschen" der Brennräume auszugehen sei. Der Kläger hatte zuvor nämlich ausgeführt, er sei mit dem kaputtgegangenen Ventil noch ca. fünf Kilometer gefahren. Bei einer derartigen Strecke, so der Gutachter, könne man von einem „Sauberwischen" jedoch nicht ausgehen, jedenfalls nicht in diesem Maß. Die Ausführungen des Gutachters sind schlüssig, überzeugend und nachvollziehbar, sodass das Gericht keine Bedenken hatte, sie seinem Urteil zugrunde zu legen.

Angesichts dessen ist das Gericht nicht von den Angaben des Klägers und der Zeugen überzeugt, dass auf der Alpentour auf knapp 1.500 km vier Liter Öl nachgefüllt worden seien. Ein derartig hoher Ölverbrauch ist damit auch nicht zur Überzeugung des Gerichtes bewiesen.

e) Ein zum Rücktritt berechtigender Sachmangel kann schließlich nicht hergeleitet werden aus der klägerseits behaupteten fehlerhaften Kompression.

Der Sachverständige hat diesbezüglich in seinem Gutachten im Beweissicherungsverfahren … ausgeführt, er könne die Kompression des Motors nicht messen, da der Motor hierfür betriebsfähig sein müsse, dies sei nicht der Fall. Er hat weiter ausgeführt, dass aus sachverständiger Sicht davon auszugehen sei, dass zumindest der zweite Zylinder nicht mehr seine volle Kompression aufweise. Dies sei der Zylinder, bei dem das Stoßspiel der Kolbenringe außerhalb der Herstellertoleranz ist.

Damit im Zusammenhang stehend hat er im Rahmen der mündlichen Erörterung bei der Sitzung vom 19.06.2008 ausgeführt, dass er sämtliche Kolbenringe untersucht habe (pro Kolben zwei), allerdings nur bei einem Kolbenring, und zwar bei einem Kolbenring des zweiten Zylinders, ein Stoßspiel habe messen können, das außerhalb der … Toleranzen gelegen habe. Es handelt sich hierbei offensichtlich um den zweiten Zylinder, der unter 8. im Gutachten des Beweissicherungsverfahrens genannt ist. Der Gutachter fuhr im Rahmen der mündlichen Anhörung sodann fort, dass dieses Stoßspiel beim Kolbenring des zweiten Zylinders zur Folge habe, dass bei einer Reparatur alle Kolbenringe auszutauschen wären. Bei einem Motorrad der Marke X mit einer Laufleistung von ca. 80.000 km sei eine Verschleißerscheinung dieser Art indes nicht als ungewöhnlich zu betrachten. Auf die obigen Ausführungen unter I 3d aa wird Bezug genommen.

Das Gericht hatte wiederum keine Bedenken, die schlüssigen, nachvollziehbaren und verständlichen Ausführungen des Sachverständigen seinem Urteil zugrunde zu legen. Angesichts dessen ist hier ebenfalls von einer normalen Verschleißerscheinung, nicht aber von einem darüber hinausgehenden Zustand und damit nicht von einem Mangel auszugehen.

Da der Kläger einen Mangel nicht zur Überzeugung des Gerichtes bewiesen hat, kann er nicht Rückabwicklung des Kaufvertrags verlangen …

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