Ein Gläubiger, zu dessen Gunsten ein Anspruch durch ein gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil tituliert ist, darf eine mit einer Vollstreckungsandrohung verbundene anwaltliche Zahlungsaufforderung, die sich nicht erkennbar auf die Ankündigung einer bloßen Sicherungsvollstreckung (§ 720a ZPO) beschränkt, nur dann für erforderlich halten, wenn die für den Beginn der Zwangsvollstreckung nach § 751 II ZPO erforderliche Sicherheitsleistung nachgewiesen ist.
OLG Hamm, Beschluss vom 14.05.2019 – 25 W 99/19
Sachverhalt: Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte dem Kläger eine Vollstreckungsgebühr (Nr. 3309 VV RVG) erstatten muss.
Der Beklagte wurde mit Urteil des LG Hagen vom 11.07.2018 verurteilt, an den Kläger 14.400 € nebst Zinsen zu zahlen und ihm vorgerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.029,35 € zu ersetzen. Das Landgericht hat das Urteil, das dem Beklagten zu Händen seiner Prozessbevollmächtigten am 13.08.2018 zugestellt wurde, gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % jeweils zu vollstreckenden Betrags für vorläufig vollstreckbar erklärt.
Unter dem 15.08.2018 beantragte der Kläger, die Kosten des Rechtsstreits festzusetzen. Der Beklagte regte mit Schriftsatz vom 27.08.2018 an, den Kostenfestsetzungsantrag zurückzustellen, weil er derzeit die Aussichten einer Berufung prüfe. Die Kosten wurden schließlich mit Beschluss vom 02.10.2018 antragsgemäß festgesetzt.
Dem Kläger wurde am 21.08.2018 eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt. Mit Schreiben vom 05.09.2018 teilten die Prozessbevollmächtigten des Klägers den Beklagtenvertretern mit, dass sie nunmehr – nachdem keine Zahlung erfolgt sei – mit der Durchführung der Zwangsvollstreckung beauftragt seien. Zur Vermeidung der Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wurde der Beklagte aufgefordert, die titulierten Zahlungsbeträge an den Kläger zu zahlen und diesem die Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, die für die Tätigkeit der Klägervertreter im Zwangsvollstreckungsverfahren angefallen waren. Eine Sicherheitsleistung hatte der Kläger zu diesem Zeitpunkt nicht erbracht.
Der Beklagte zahlte sodann die titulierten Beträge, aber nicht die für die Zahlungsaufforderung nebst Vollstreckungsandrohung angefallenen Rechtsanwaltskosten. Diesbezüglich leitete der Kläger deshalb ein Kostenfestsetzungsverfahren ein.
Das Landgericht – Rechtspflegerin – hat den Kostenfestsetzungsantrag des Klägers durch Beschluss vom 19.02.2019 zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Klägers, der das Landgericht nicht abgeholfen hat, hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: II. … 1. Das Landgericht hat den Kostenfestsetzungsantrag des Klägers zu Recht zurückgewiesen, denn die geltend gemachte Gebühr nach Nr. 3309 VV RVG nebst Kostenpauschale und Umsatzsteuer ist nicht erstattungsfähig.
a) Entgegen der Ansicht des Beklagten haben die Klägervertreter die Gebühr nach Nr. 3309 VV RVG verdient, denn sie sind auftragsgemäß für den Kläger im Zwangsvollstreckungsverfahren tätig geworden. Zu den nach dieser Gebührenvorschrift abrechenbaren Tätigkeiten zählen nämlich auch Zahlungsaufforderungen mit Vollstreckungsandrohungen, und zwar unabhängig von der vorherigen Erbringung einer Sicherheitsleistung (vgl. Gierl, in: Mayer/Kroiß, RVG, 7. Aufl., Nr. 3309 VV Rn. 17). Hiervon zu trennen ist die Frage der Erstattungsfähigkeit gegenüber dem Prozessgegner.
b) Es fehlt nach Auffassung des Senats indessen an einer Erstattungsfähigkeit gegenüber dem Beklagten, weil die von den Prozessbevollmächtigten des Klägers ergriffenen Maßnahmen nicht nach § 788 I 1 ZPO notwendig waren.
Die Notwendigkeit bestimmt sich für Art und Umfang der Vollstreckungsmaßnahmen nach den Erfordernissen einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 32. Aufl., § 788 Rn. 9). Ob eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme notwendig war, richtet sich nach dem Standpunkt des Gläubigers zu dem Zeitpunkt, in dem die Kosten durch die Vollstreckungsmaßnahme verursacht sind. Wesentlich ist, ob der Gläubiger die Maßnahme zu diesem Zeitpunkt objektiv für erforderlich halten konnte. Notwendigkeit besteht nicht für Kosten unzulässiger, schikanöser, überflüssiger oder erkennbar aussichtsloser Zwangsvollstreckungsmaßnahmen (vgl. Zöller/Geimer, a. a. O., § 788 Rn. 9 m. w. Nachw.).
Zum Zeitpunkt des anwaltlichen Schreibens der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 05.09.2018 durfte dieser eine mit einer Zahlungsaufforderung verbundene allgemeine Vollstreckungsandrohung nicht für erforderlich halten.
Nach einer weit verbreiteten Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Kommentierung darf der Gläubiger, zu dessen Gunsten ein Anspruch durch ein gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil tituliert ist, eine mit einer Vollstreckungsandrohung verbundene anwaltliche Zahlungsaufforderung nur dann für erforderlich halten, wenn die für den Beginn der Zwangsvollstreckung nach § 751 II ZPO erforderliche Sicherheitsleistung nachgewiesen ist (vgl. dazu OLG Schleswig, Beschl. v. 12.01.1990 – 9 W 3/90, JurBüro 1990, 923, 924; Beschl. v. 08.04.1994 – 9 W 57/94, JurBüro 1995, 32, 33; OLG Hamburg, Beschl. v. 10.12.1971 – 8 W 264/71, JurBüro 1972, 422, 423; OLG Koblenz, Beschl. v. 15.02.1985 – 14 W 69/85, JurBüro 1985, 1657, 1658; Beschl. v. 19.09.1988 – 14 W 567/88, JurBüro 1989, 91; OLG Köln, Beschl. v. 22.01.1982 – 17 W 23/82, JurBüro 1982, 1525, 1526; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 23. Aufl., 3309 VV Rn. 439; Schütz, in: Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Aufl., 3309 VV Rn. 30).
Der Senat ist ebenfalls der Auffassung, dass im Zeitpunkt einer mit einer Vollstreckungsandrohung verbundenen anwaltlichen Zahlungsaufforderung, die sich nicht erkennbar auf die Ankündigung nur einer Sicherungsvollstreckung beschränkt, die Voraussetzungen für die Durchführung der Zwangsvollstreckung insgesamt vorliegen müssen, das heißt eine erforderliche Sicherheitsleistung nachgewiesen sein muss.
Für den Beklagten als Schuldner der titulierten Forderung erkennbarer Sinn und Zweck des Aufforderungsschreibens war nämlich das Bestreben des Klägers als Gläubiger, durch die Androhung von nicht näher eingegrenzten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen den Beklagten zur Zahlung zu veranlassen. Eine Zahlung konnte der Kläger zum Zeitpunkt der Zahlungsaufforderung indessen noch nicht durchsetzen, weil eine Zwangsvollstreckung mit dem Ziel der Befriedigung des Klägers mangels Eintritts der besonderen Zwangsvollstreckungsvoraussetzung des § 751 II ZPO nicht zulässig war.
Solange der Kläger die für die Durchführung der Zwangsvollstreckung erforderliche Sicherheitsleistung nicht erbracht hatte, durfte er nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass er den titulierten Zahlungsanspruch nur mit Zwangsmaßnahmen durchsetzen könne. Eine Nichtzahlung des Schuldners vor Nachweis der Sicherheitsleistung kann nicht zu seinen Lasten ausgelegt werde, denn bis zum Nachweis der Sicherheitsleistung und bis zur endgültigen Verneinung der Frage, ob von seiner Seite Rechtsmittel eingelegt werden sollen, wäre es aus Sicht des Beklagten gefährlich gewesen, Zahlungen zu erbringen, weil er dann Gefahr gelaufen wäre, einen im Falle der Abänderung des Urteils entstehenden Rückzahlungsanspruch gegen den Kläger nicht zu realisieren (vgl. dazu auch OLG Koblenz, Beschl. v. 15.02.1985 – 14 W 69/85, JurBüro 1985, 1657, 1658).
Hinzu kommt, dass der Beklagte mit Schriftsatz vom 27.08.2018 in anderem Zusammenhang zu erkennen gegeben hatte, dass er die Berufungsaussichten prüfe, das heißt die Berechtigung des Zahlungstitels nicht von vornherein in Abrede stellte und auch nicht willens war, den Titel auf jeden Fall weiter zu bekämpfen.
Der Kläger kann sich in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er eine Sicherungsvollstreckung nach § 720a ZPO hätte betreiben dürfen, denn die Maßnahme seiner Prozessbevollmächtigten zielte nicht auf eine Sicherung des Klägers ab, sondern auf seine Befriedigung.
Auch überzeugt das Argument des Klägers nicht, dass auch die Sicherungsvollstreckung letztlich auf seine Befriedigung ziele und ihm daher nicht vorgeworfen werden könne, dass er zusätzlich seinen Zahlungsanspruch geltend mache. Das Instrument der Sicherungsvollstreckung dient der Absicherung des Gläubigers und vor allem der Rangwahrung. Will der Gläubiger über diese Sicherung hinausgehen und seinen Anspruch durchsetzen, muss er bei einem gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbaren Urteil entweder die Sicherheit leisten oder die Rechtskraft des Urteils abwarten. Eine mit einer Vollstreckungsandrohung verbundene Zahlungsaufforderung schießt vor einem dieser Zeitpunkte schlicht über das Ziel hinaus.
Der Beklagte musste auch nicht davon ausgehen, dass der Kläger von vornherein nur die zulässigen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ankündigen wollte, denn es liegt nicht fern, im Rahmen von außergerichtlichen Maßnahmen oder Maßnahmen im Vorfeld der Zwangsvollstreckung zunächst Druck mit der Ankündigung auch von Maßnahmen auszuüben, die sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht durchsetzen lassen.
Auch ist die Argumentation des Klägers, die Erbringung einer Sicherheitsleistung hätte weitere Kosten verursacht und das Handeln seiner Prozessbevollmächtigten stelle eine demgegenüber schonendere Maßnahme dar, nicht zielführend. Der Kläger übersieht dabei, dass es für die Beurteilung der Frage, ob eine Maßnahme als schonender anzusehen ist, nur auf einen Vergleich zwischen mindestens zwei zulässigen, unter Beachtung von Schuldnerschutzvorschriften ergriffenen bzw. zu ergreifenden Maßnahmen ankommen kann. Anderenfalls würden – worauf der Beklagte zu Recht hinweist – Schuldnerschutzvorschriften weitgehend leerlaufen. Hier vergleicht indessen der Kläger eine unzulässige Maßnahme mit einer nicht ergriffenen zulässigen Handlung.
Der Auffassung des Senats steht nicht die Rechtsprechung des BGH entgegen, nach der die durch eine Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsankündigung ausgelöste Vollstreckungsgebühr dann nach § 788 I 1, § 91 ZPO erstattungsfähig ist, wenn der Gläubiger im Besitz einer vollstreckbaren Ausfertigung des Titels ist, die Fälligkeit der titulierten Forderung eingetreten ist und dem Schuldner eine angemessene Frist zur freiwilligen Erfüllung der Forderung eingeräumt war (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 18.07.2003 – IXa ZB 146/03, juris Rn. 12). Daraus ist nicht der Schluss zu ziehen, dass es bei einem nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbaren Urteil für die Erstattungsfähigkeit der Gebühr nach Nr. 3309 VV RVG nicht erforderlich ist, dass die Sicherheitsleistung nachgewiesen ist.
Mit dieser Frage hatte sich der BGH in der oben zitierten Entscheidung nicht zu befassen, denn es ging in dem durch den BGH entschiedenen Fall um die Zwangsvollstreckung aus einem Vergleich, das heißt aus einem endgültig vollstreckbaren Titel. Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass der BGH in seiner oben zitierten Entscheidung die Voraussetzungen für die Erforderlichkeit einer anwaltlichen Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung abschließend für jede Form eines vollstreckbaren Titels festlegen wollte. Der BGH hat in diesem Zusammenhang lediglich die Frage geklärt, ob vor einer Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung die Zustellung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Titels erforderlich ist, und dies unter Hinweis darauf, dass der Gläubiger auch einen Gerichtsvollzieher gleichzeitig mit der Zustellung und Durchführung der Zwangsvollstreckung hätte beauftragen dürfen, verneint. Diese Argumentation kann aber allenfalls für die hier nicht entscheidungserhebliche Frage relevant sein, ob eine angemessene Zahlungsfrist erst in Gang gesetzt wird, wenn alle Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen (so Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, a. a. O., 3309 VV Rn. 125; wohl auch OLG Schleswig, Beschl. v. 12.01.1990 – 9 W 3/90, JurBüro 1990, 923, 924).
Im vorliegenden Fall hätte der Kläger nicht alternativ einen Gerichtvollzieher beauftragen und auf diese Weise weitergehende Kosten für den Beklagten auslösen dürfen. Eine etwaige Beauftragung des Gerichtsvollziehers hätte sich nach § 751 II ZPO nämlich gleichzeitig auf die Übergabe einer Bürgschaftsurkunde als Sicherheitsleistung und den Beginn der Vollstreckung erstrecken müssen. Diese Handlungsalternative stellte sich für den Kläger hier aber nicht, weil er gerade noch keine Sicherheitsleistung erbracht hatte.
Die Auffassung des Senats steht auch nicht im Gegensatz zu der Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 26.05.1988 – 10 W 44/88 –, denn diese betraf eine anders gelagerte Fallgestaltung. Das OLG Düsseldorf hatte über einen Sachverhalt zu befinden, der sich dadurch auszeichnete, dass der Gläubiger aus einem gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil den Schuldner unter Zustellung einer Bürgschaftsurkunde lediglich zur Zahlung auffordern ließ. Wenn auch das OLG Düsseldorf in den Gründen seiner Entscheidung zu erkennen gibt, dass es den oben zitierten Ansichten der Oberlandesgerichte Hamburg und Koblenz nicht folgen will, weicht die von dem OLG Düsseldorf entschiedene Fallkonstellation in einem entscheidenden Punkt von dem hier zur Entscheidung stehenden Sachverhalt ab. Der Gläubiger in der seitens des OLG Düsseldorf entschiedenen Fallkonstellation hätte wahlweise in zulässiger Weise die Sicherungsvollstreckung oder die allgemeine Zwangsvollstreckung einleiten können und hat sich stattdessen auf die weniger einschneidende Maßnahme der bloßen Zahlungsaufforderung beschränkt. So liegt der Fall hier aber nicht. Der Kläger ist nicht hinter seinen Möglichkeiten zurückgeblieben, sondern ist über das Ziel hinausgeschossen.
2. …
3. Die Rechtsbeschwerde war nicht nach § 574 I 1 Nr. 2, II ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.