Eine Berufungsbegründung, die mit keinem Wort auf die das angefochtene Urteil tragende Auffassung des Erstgerichts eingeht, dass die Volkswagen AG dem Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs gemäß § 826 BGB und § 823 II i. V. mit § 263 StGB keinesfalls einen merkantilen Minderwert des Fahrzeugs ersetzen muss, genügt nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung (§ 520 III 2 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO).

OLG Oldenburg, Beschluss vom 06.09.2019 – 5 U 262/19
(nachfolgend: BGH, Beschluss vom 25.08.2020 – VI ZB 67/19)

Sachverhalt: Der Kläger begehrt von der Beklagten im Zusammenhang mit dem VW-Abgasskandal Schadensersatz.

Er erwarb von der ein Autohaus betreibenden D-GmbH & Co. KG mit Kaufvertrag vom 24.11.2014 einen gebrauchten Pkw VW Golf zum Preis von 14.000 €. Dieses von der Beklagten hergestellte Fahrzeug wies bei der Übergabe an den Kläger eine Laufleistung von 76.680 km auf. Es ist mit einem Dieselmotor des Typs EA189 ausgerüstet und deshalb vom VW-Abgasskandal betroffen.

Nachdem der VW-Abgasskandal bekannt geworden war und das Kraftfahrt-Bundesamt einen Rückruf der davon betroffenen Fahrzeuge angeordnet hatte, erhielt der Pkw des Klägers ein von der der Beklagten entwickeltes Softwareupdate.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 04.12.2018 ließ der Kläger die Beklagte auffordern, ihm bis zum 14.12.2018 einen Betrag in Höhe von 2.800 € als Ausgleich dafür zu zahlen, das seinem Fahrzeug wegen des VW-Abgasskandals ein merkantiler Minderwert anhafte. Außerdem sollte die Beklagte dem Grunde nach anerkennen, dass sie dem Kläger alle Folgeschäden ersetzen müsse, und dem Kläger vorgerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 334,75 € erstatten. Die Beklagte reagiert darauf nicht.

Gestützt auf § 826 BGB und auf § 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB hat der Kläger die vorgerichtlich geltend gemachten Ansprüche klageweise weiterverfolgt, und zwar zunächst vor dem LG Münster und dann vor dem LG Osnabrück. Er hat ausgeführt, der Umstand, dass sein Fahrzeug vom VW-Abgasskandal betroffen sei, führe zu einem – sich bei einem Weiterverkauf auswirkenden – merkantilen Minderwert in Höhe von 20 %, den die Beklagte auszugleichen habe. Er – der Kläger – hätte das Fahrzeug gar nicht, jedenfalls aber zu einem geringeren Preis erworben, wenn er gewusst hätte, dass darin eine unzulässige Abschalteinrichtung zum Einsatz kommt. Seinen Antrag festzustellen, dass ihm die Beklagte alle weiteren materiellen Schäden ersetzen müsse, die aus der unzulässigen Abschalteinrichtung resultieren, hat der Kläger damit begründet, es bestehe der „verdichtete Verdacht, dass infolge der Softwaremanipulation negative Spätfolgen“ an seinem Fahrzeug aufträten, die einen Austausch des Motors erforderlich machen könnten.

Die Beklagte ist der Klage mit der bundesweit gerichtsbekannten Argumentation entgegengetreten.

Der zuständige Einzelrichter der 3. Zivilkammer des LG Osnabrück hat die Klage mit Urteil vom 19.06.2019 abgewiesen.

Den Klageantrag zu 2, mit dem der Kläger die Pflicht der Beklagten zum Schadensersatz festgestellt haben will, hat das Gericht als unzulässig erachtet. Zur Begründung hat es ausgeführt, derzeit bereits bestehende Schadensfolgen müssten im Wege der vorrangigen Leistungsklage geltend gemacht werden. Zur Möglichkeit, dass weitere Schäden einträten, fehle es an einem schlüssigen Vortrag und damit am Feststellungsinteresse. Die pauschale Behauptung, infolge des Softwareupdates könne es zu Folgeschäden kommen, sei ebenso unzureichend wie der Hinweis auf andere vorstellbare Konsequenzen (z. B. steuerliche Nachteile).

Der auf Zahlung von 2.800 € gerichtete Klageantrag zu 1 sei zwar zulässig, aber nicht begründet. Es könne dahinstehen, ob die Voraussetzungen des § 826 BGB oder des § 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB erfüllt seien. Denn jedenfalls sei der geltend gemachte Schaden nicht von der Rechtsfolge der zitierten Normen erfasst. Die Beklagte habe dem Kläger nach den vorgenannten deliktischen Vorschriften allenfalls das negative Interesse, nicht aber das Erfüllungsinteresse zu ersetzen. Der Kläger könne nicht mit Erfolg verlangen, haftungsrechtlich so gestellt zu werden, als sei der Kfz-Kaufvertrag ordnungsgemäß erfüllt worden. Seinen Vortrag, er hätte den Pkw in Kenntnis der Manipulation nicht erworben, als zutreffend unterstellt, könne der Kläger daher ausschließlich verlangen, von dem Kaufvertrag befreit zu werden. Er könne also nur Schadensersatz in Höhe des von ihm gezahlten Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Pkw verlangen. Das Fahrzeug zu behalten und dessen Minderwert zu liquidieren, entspräche dem positiven (Erfüllungs-)Interesse, auf das der Kläger gerade keinen Anspruch habe. Sein tatsächlicher Vortrag hierzu sei überdies widersprüchlich: Die Behauptung des Klägers, er hätte das Fahrzeug nicht erworben, wenn ihm alle Umstände bekannt gewesen wären, sei nicht mit der ebenfalls erhobenen Behauptung in Einklang zu bringen, er hätte das Fahrzeug in Kenntnis aller Umstände zu einem geringeren Preis erworben. Zudem fehle jeglicher konkrete Vortrag und Beweisantritt dazu, dass die – nicht mit der Beklagten identische – Verkäuferin das Fahrzeug zu einem geringeren Preis abgegeben hätte. Dies könne zwar möglicherweise in den Fällen unterstellt werden, in denen der Täuschende und der Verkäufer identisch seien. Angesichts der einem Kfz-Händler zugänglichen Absatzwege und Märkte für gebrauchte Pkw liege bei der – hier gegebenen – Personenverschiedenheit aber gerade nicht auf der Hand, dass der Verkäufer das Fahrzeug zu einem niedrigen Preis verkauft hätte, statt anderweitig einen höheren Gewinn zu erzielen. Hilfsweise hat das Landgericht schließlich ausgeführt, es fehle in Ansehung des umfassenden Bestreitens der Beklagten an jeglichem substanziierten Vortrag zu einem täuschungsbedingten Minderwert des streitgegenständlichen Fahrzeugs. Dass stattdessen generaliter Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt worden sei, ersetze keinen schlüssigen und substanziierten Vortrag.

Den Antrag des Klägers, die Beklagte zum Ersatz vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten zu verurteilen, hat das Landgericht mit der Begründung abgewiesen, eine vorgerichtliche Inanspruchnahme der Beklagten sei aus Ex-ante-Sicht ersichtlich nicht erforderlich gewesen. Als der Kläger die Beklagte im Dezember 2018 außergerichtlich in Anspruch genommen habe, sei öffentlich bekannt gewesen, dass die Beklagte bezüglich deutscher Kunden über das erfolgte Softwareupdate hinaus nicht leistungsbereit gewesen sei. Insoweit müsse sich der Kläger analog § 166 BGB jedenfalls das diesbezügliche Wissen seiner (späteren) Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen. Das Aufforderungsschreiben vom 04.12.2018, in dem eine Vielzahl landgerichtlicher Entscheidungen angeführt worden sei, sei ersichtlich in Kenntnis der Fruchtlosigkeit einer außergerichtlichen Aufforderung verfasst worden. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte von ihrer Strategie im Umgang mit Fällen wie dem vorliegenden abweichen werde, habe es im Dezember 2018 nicht gegeben.

Gegen das Urteil des Landgerichts hat der Kläger fristgemäß Berufung eingelegt und diese ebenfalls fristgemäß begründet. Die Berufungsbegründung fasst die klagabweisende Argumentation des Landgerichts einleitend dahin zusammen, das Urteil des Landgerichts fuße auf dem rechtlichen Schluss, die „Beklagte und Berufungsbeklagte habe weder arglistig getäuscht, noch liege eine sittenwidrige Schädigung des Klägers und Berufungsklägers“ vor. Zu Unrecht habe das Landgericht verneint, dass hier die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des § 826 BGB und des § 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB erfüllt seien. Insbesondere habe es verkannt, dass der Kläger sittenwidrig getäuscht worden sei. Durch den Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs sei dem Klähger ein Schaden entstanden, da die „Makelbehaftung“ einen Minderwert des Fahrzeugs zur Folge habe. Hätte der Kläger die tatsächlichen Stickoxid(NOX)-Emissionen des Pkw gekannt und gewusst, dass wegen des manipulierten Schadstoffausstoßes ein Verlust der Betriebserlaubnis drohe, hätte er das Fahrzeug „nicht bzw. nicht so erworben“. Dass beim Erwerb des Fahrzeugs über die Emissionswerte nicht im Speziellen gesprochen worden sei, sei unschädlich. Denn der Kläger habe – wie im angefochtenen Urteil vom Landgericht ausdrücklich zitiert – dargestellt, dass er sei im Rahmen des Vertragsschlusses darauf hingewiesen worden sei, man sei „mit AdBlue auf der sicheren Seite“. Hinsichtlich seines Feststellungsbegehrens hat der Kläger geltend gemacht, ihm drohten weitere Vermögensschäden, weil er von der Beklagten ein Fahrzeug erworben habe, das zukünftig wegen der Installation des Softwareupdates Schaden nehmen könne. Sein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten – so hat der Kläger gemeint – folge aus § 826 BGB.

Die Beklagte hat nicht auf die Berufungsbegründung erwidert.

Die Berufung hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Die Berufung des Klägers ist gemäß § 522 I 2 und 3 ZPO als unzulässig zu verwerfen.

1. Es fehlt an einer ordnungsgemäßen Berufungsbegründung, weil sich der Kläger, der mit der Berufung sein erstinstanzliches Begehren umfassend weiterverfolgt, mit den die Abweisung tragenden Ausführungen des Landgerichts zur Unzulässigkeit und Unbegründetheit der Klage nicht auseinandergesetzt hat.

a) Nach § 520 III 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die bestimmte Bezeichnung der im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) sowie der neuen Beweismittel und Beweiseinreden enthalten, die die Partei zur Rechtfertigung ihrer Berufung anzuführen hat. Die Vorschrift soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz ausreichend vorbereitet wird, indem sie den Berufungsführer anhält, die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchen Gründen das angefochtene Urteil für unrichtig gehalten wird. Die Begründung muss demnach zum einen erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist, und zum anderen im Einzelnen angeben, aus welchen Gründen er die tatsächliche und rechtliche Würdigung des vorinstanzlichen Urteils in den angegebenen Punkten für unrichtig hält. Es reicht nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch den Erstrichter mit formelhaften Wendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen (BGH, Urt. v. 24.01.2000 – II ZR 172/98, juris Rn. 4). Die Berufungsbegründung muss geeignet sein, die das angefochtene Urteil tragende Erwägung infrage zu stellen (OLG Saarbrücken, Urt. v. 28.05.2003 – 1 U 149/03 – 37, juris Rn. 20).

b) Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung des Klägers nicht gerecht.

(1) Hinsichtlich des zweitinstanzlich weiterverfolgten Anspruchs auf Schadensersatz in Höhe von 2.800 € erschöpfen sich wesentliche Teile der Berufungsschrift in der Wiederholung erstinstanzlichen Vortrags zum Vorliegen der Voraussetzungen der § 826 BGB, § 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB. Einleitend stellt die Berufung insoweit fest, das Landgericht habe zu Unrecht die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der § 826 BGB, § 823 II i. V. mit § 263 StGB abgelehnt, insbesondere das Vorliegen einer sittenwidrigen Täuschung sowie deren Zurechenbarkeit gemäß § 31 BGB verkannt. Die Berufung vollzieht nicht nach, dass das Landgericht sich mit den tatbestandlichen Voraussetzungen der deliktischen Ansprüche gar nicht befasst hat, sondern die Klageabweisung ausschließlich damit begründet, dass die bemühten Rechtsnormen als Rechtsfolge die geltend gemachte Position, nämlich eine Liquidation des Minderwerts des Pkw bei dessen Einbehalt, nicht vorsehen. Mit der vom Landgericht unter Zitierung höchstrichterlicher Rechtsprechung vertretenen Rechtsansicht, über die Vorschrift des § 826 BGB (bzw. § 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB) könne ausschließlich das negative Interesse (nämlich eine Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs), nicht aber ein Erfüllungsinteresse geltend gemacht werden, beschäftigt sich die Berufung mit keinem Wort.

Auch die vom Landgericht benannten Widersprüche im erstinstanzlichen Klägervortrag zur hypothetischen Entscheidung des Klägers im unterstellten Wissen um eine Softwaremanipulation löst die Berufung nicht auf. Gleiches gilt in Bezug auf die umfangreichen Hilfsüberlegungen des Landgerichts, weder sei zu einem täuschungsfreien (hypothetischen) Kausalverlauf noch zu einer Wertminderung ausreichend substanziiert vorgetragen. Die Berufung beschränkt sich auf die – im angegriffenen Urteil schon als unzureichend beschriebene – pauschale Behauptung, in dem Wissen um eine verbaute manipulierte Software wäre das Fahrzeug „nicht bzw. nicht so“ erworben worden.

Verwirrend ist das von der Berufung angeführte Urteilszitat zu einer vermeintlich vom Landgericht ausweislich seiner Urteilsgründe („S. 7, 4. Absatz“) berücksichtigten Äußerung der Verkäuferseite zur AdBlue-Technologie. Weder an besagter Stelle noch sonst an irgendeiner Stelle im angegriffenen Urteil findet sich die zitierte Äußerung, was bereits daraus folgt, dass die die Abweisung tragenden Rechtsfolgenerwägungen eine Aufklärung des Sachverhalts gerade nicht erforderlich gemacht haben.

(2) Soweit das Landgericht den weiterhin gestellten Feststellungsantrag als unzulässig abgewiesen und dies sowohl auf den Vorrang der Leistungsklage als auch ein fehlendes Feststellungsinteresse gestützt hat, setzt sich die Berufung auch hiermit nicht auseinander. Der Kläger wiederholt schlicht die – vom Landgericht als nicht ausreichend konkret und substanziiert kritisierte – erstinstanzliche Formulierung, es bestehe die Möglichkeit „zukünftiger Schäden“, um diesen Vortrag auch zweitinstanzlich durch dasselbe (nicht veröffentlichte) Urteilszitat zu unterlegen (nämlich LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 8683/16). Weder setzt sich die Berufung mit den rechtlichen Erwägungen zur Unzulässigkeit auseinander, noch verweist sie auf tatsächlich konkreten Vortrag, welcher – entgegen des Schlusses des Landgerichts – den erstinstanzlichen Schriftsätzen hätte entnommen werden können.

(3) Die umfassenden Ausführungen des Landgerichts zu der (verneinten) Erforderlichkeit einer vorgerichtlichen Inanspruchnahme der Beklagten, auf Grundlage derer der Antrag auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren abgewiesen worden ist, greift die Berufung ebenfalls nicht an, sondern beschränkt sich auf die Ein-Satz-Feststellung, der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren folge aus § 826 BGB.

c) Im Ergebnis erschließen sich dem Senat aus der Lektüre der Berufungsbegründungsschrift keine Anhaltspunkte, die darauf hindeuteten, deren Verfasser habe über den Tenor des angegriffenen Urteils hinaus auch dessen Inhalt zur Kenntnis genommen.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I ZPO.

Hinweis: Die Rechtsbeschwerde des Klägers hat der VI. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 25.08.2020 – VI ZB 67/19 als unzulässig verworfen.

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