1. Die entgeltliche Garantiezusage des Kfz-Händlers ist keine unselbstständige Nebenleistung zur Fahrzeuglieferung, sondern eine eigenständige Leistung.
  2. Mit einer Garantiezusage, durch die der Kfz-Verkäufer als Garantiegeber im Garantiefall eine Geldleistung verspricht, liegt eine Leistung aufgrund eines Versicherungsverhältnisses im Sinne des Versicherungsteuergesetzes (VersStG) vor, die nach § 4 Nr. 10 lit. a UStG steuerfrei ist.

BFH, Urteil vom 14.11.2018 – XI R 16/17

Sachverhalt: Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, betreibt ein Autohaus. Beim Verkauf von Kraftfahrzeugen bot sie den Käufern an, eine erweiterte Gebrauchtwagengarantie gegen gesondert berechnetes Entgelt abzuschließen. Diese Garantiezusage war rückversichert über die X-S.A., Niederlassung Deutschland, die unter der Marke X-Warranty agierte.

Sowohl das Garantiezertifikat als auch die Garantievereinbarung weisen die Klägerin als Garantiegeberin und den Kfz-Käufer als Garantienehmer aus.

In den Garantiebedingungen ist unter anderem geregelt:

Art. 1 Gegenstand

Der Garantiegeber/Händler gibt Ihnen als Garantienehmer/Käufer für das in der Garantievereinbarung bezeichnete Fahrzeug eine Gebrauchtwagen-Garantie, die von der Versicherungsgesellschaft X, Niederlassung Deutschland, versichert ist. X ist auch mit der Abwicklung im Garantiefall beauftragt.

[…]

Art. 6 Gesetzliche Sachmängelansprüche

Diese Garantie soll weder die gesetzlichen Rechte des Fahrzeugkäufers einschränken, die Herstellergarantie oder die jeweiligen gesetzlichen Gewährleistungspflichten des Fahrzeugverkäufers ersetzen noch andere Bestimmungen, welche diese Rechte ersetzen, ergänzen oder abändern.

Art. 7 Abwicklung im Garantiefall

1. Melden Sie bitte einen Schadenfall unverzüglich […], jedenfalls aber vor Beginn der Reparaturarbeiten bei Ihrem Händler oder bei X unter der Telefonnummer […] und folgen Sie deren Weisungen. […] Verletzen Sie diese Obliegenheit grob fahrlässig, ist der Garantiegeber berechtigt, seine Leistung […] zu kürzen […].

2. Die Reparatur wird durch den Garantiegeber oder einen anderen Kfz-Meisterbetrieb durchgeführt, vorrangig durch einen geeigneten Reparaturbetrieb aus X Service Netzwerk.

[…]

Art. 9 Reparaturumfang

1. Im Garantiefall wird Ersatz für die erforderlichen Kosten einer Reparatur geleistet. Die garantiebedingten Materialkosten werden im Höchstfall […] wie folgt bezahlt (Selbstbehalt): […]

4. Der Höchstbetrag der garantiepflichtigen Entschädigung ist pro Garantiefall auf den Zeitwert (Händler-Einkaufswert) des beschädigten Fahrzeuges zur Zeit des Eintritts des Garantiefalles begrenzt.“

Die Klägerin stellte gegenüber ihren Käufern als Garantienehmern über die Zusatzgarantie eine Rechnung ohne Ausweis von Umsatzsteuer, aber mit 19 % Versicherungsteuer aus, die von den Käufern der Klägerin gegenüber beglichen wurde.

In ihren Umsatzsteuererklärungen behandelte die Klägerin die Entgelte für Garantiezusagen als steuerfrei.

Aufgrund einer Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt) die Ansicht, die Garantiezusage gewähre dem Kunden ein Wahlrecht zwischen Reparatur durch die Klägerin oder Reparaturkostenersatz und stelle eine unselbstständige Nebenleistung zum Gebrauchtwagenkauf dar. Die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung seien nicht gegeben.

Die Einsprüche gegen die entsprechenden Änderungsbescheide über Umsatzsteuer für die Streitjahre vom 05.01.2016 wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 02.05.2016 als unbegründet zurück, da die Garantiezusage der Klägerin eine einheitliche sonstige Leistung eigener Art darstelle, die durch das Versprechen der Einstandspflicht der Klägerin geprägt sei.

Mit Urteil vom 23.02.2017 (EFG 2017, 875) wies das Finanzgericht die anschließende Klage ab. Es ging davon aus, dass der Garantienehmer wählen könne, ob er die Reparatur durch seinen Händler ausführen lässt (Reparaturanspruch) oder den durch den Händler darüber hinaus verschafften Versicherungsschutz in Anspruch nimmt und die Reparatur durch eine andere Werkstatt vornehmen lässt (Reparaturkostenersatzanspruch). Das Finanzgericht stufte die von der Klägerin gewährten Garantien als unselbstständige Nebenleistungen zum Gebrauchtwagenkauf ein. Bei einer Gesamtbetrachtung der Garantiezusage sei festzustellen, dass diese eine untrennbare wirtschaftliche Leistung darstelle. Diese einheitliche Leistung sei aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers nicht durch die Verschaffung von Versicherungsschutz, sondern durch das Versprechen der Einstandspflicht des Händlers geprägt.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Revision gegen die Vorentscheidung und macht die Verletzung materiellen Rechts geltend. Es bestehe rein faktisch kein Wahlrecht des Kunden, sein Fahrzeug durch die Klägerin reparieren zu lassen, da diese keine Werkstatt betreibe. Die Sachverhalte, die den Entscheidungen des EuGH von 16.07.2015 (Urt. v. 16.07.2015 – C-584/13, EU:C:2015:488 = UR 2015, 714 Rn. 52 ff. – Mapfre asistencia und Mapfre warranty) und vom 17.01.2013 (Urt. v. 17.01.2013 – C-224/11, EU:C:2013:15 = HFR 2013, 270 – BGZ Leasing) zugrunde liegen, seien mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbar und das Ergebnis dementsprechend übertragbar.

Die Revision hatte Erfolg.

Aus den Gründen: [16]   II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Festsetzung der Umsatzsteuer gemäß dem Revisionsbegehren der Klägerin (§ 126 III 1 Nr. 1 FGO).

[17]   Die Umsätze aus den Garantiezusagen der Klägerin sind umsatzsteuerfrei.

[18]   1. Die entgeltliche Garantiezusage der Klägerin stellt keine unselbstständige Nebenleistung zur Fahrzeuglieferung, sondern eine eigenständige Leistung dar.

[19]   a) Eine Leistung ist dann als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (st. Rspr., vgl. EuGH, Urt. 25.02.1999 – C-349/96, EU:C:1999:93 = HFR 1999, 421 Rn. 30 – CPP; Urt. v. 16.07.2015 – C-584/13, EU:C:2015:488 = UR 2015, 714 Rn. 54 – Mapfre asistencia und Mapfre warranty; BFH, Urt. v. 24.04.2013 – XI R 7/11, BFHE 241, 459 = BStBl. II 2013, 648 Rn. 61; Urt. v. 27.02.2014 – V R 14/13, BFHE 245, 272 = BStBl. II 2014, 869 Rn 20; jeweils m. w. Nachw.; Urt. v. 01.03.2016 – XI R 11/14, BFHE 253, 438 = BStBl. II 2016, 753 Rn. 20).

[20]   Jeder Versicherungsumsatz weist naturgemäß eine Verbindung zu dem Gegenstand auf, der damit versichert wird. Diese Verbindung kann jedoch für sich genommen nicht zur Klärung der Frage ausreichen, ob umsatzsteuerrechtlich eine einheitliche zusammengesetzte Leistung vorliegt. Wäre für die Umsatzsteuerpflicht jedes Versicherungsumsatzes maßgebend, ob Leistungen, die sich auf den versicherten Gegenstand beziehen, dieser Steuer unterliegen, würde nämlich der Zweck von Art. 135 I lit. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL; ehemals: Art. 13 Teil B lit. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern), die Befreiung der Versicherungsumsätze, infrage gestellt (vgl. EuGH, Urt. v. 17.01.2013 – C-224/11, EU:C:2013:15 = HFR 2013, 270 Rn. 36; Urt. v. 16.07.2015 – C-584/13, EU:C:2015:488 = UR 2015, 714 Rn. 51 – Mapfre asistencia und Mapfre warranty).

[21]   b) Im vorliegenden Fall ist die Garantiezusage nicht lediglich eine Nebenleistung zum Fahrzeugverkauf; vielmehr hat die rückversicherte Garantieleistung des Verkäufers neben der Fahrzeuglieferung einen eigenen Zweck, sodass es sich um jeweils selbstständige Leistungen handelt (vgl. BFH, Urt. v. 09.10.2002 – V R 67/01, BFHE 200, 126 = BStBl. II 2003, 378 Rn. 32 ff.; Urt. v. 16.01.2003 – V R 16/02, BFHE 201, 343 = BStBl. II 2003, 445; Urt. v. 30.01.2003 – V R 13/02, BFH/NV 2003, 669; Urt. v. 10.02.2010 – XI R 49/07, BFHE 228, 456 = BStBl. II 2010, 1109 Rn. 17; Abschn. 3.10 Abs. 6 Nr. 3 UStAE).

[22]   2. Entgegen der Würdigung der Vorinstanz handelt es sich bei der im Streitfall vorliegenden selbstständigen Garantiezusage nicht um ein Leistungsbündel, das durch das Versprechen der Einstandspflicht des Händlers geprägt ist, sondern lediglich um das Versprechen der Kostenübernahme im Garantiefall.

[23]   a) Zwar ist das Finanzgericht davon ausgegangen, dass der Garantienehmer aufgrund der Garantiezusage wählen könne, ob er die Reparatur durch seinen Händler ausführen lässt (Reparaturanspruch) oder ob er den durch den Händler darüber hinaus verschafften Versicherungsschutz in Anspruch nimmt und die Reparatur durch eine andere Werkstatt vornehmen lässt (Reparaturkostenersatzanspruch). Dies ist jedoch nicht frei von Rechtsfehlern.

[24]   aa) Zum Bereich der tatsächlichen Würdigung des Finanzgerichts, an die der BFH gemäß § 118 II FGO grundsätzlich gebunden ist, gehört auch die Auslegung von Verträgen (vgl. BFH, Urt. v. 18.01.2005 – V R 17/02, BFH/NV 2005, 1394; Urt. v. 10.02.2010 – XI R 49/07 , BFHE 228, 456 = BStBl. II 2010, 1109 Rn. 33; Urt. v. 28.08.2013 – XI R 4/11, BFHE 243, 41 = BStBl. II 2014, 282; Urt. v. 10.08.2016 – XI R 41/14, BFHE 255, 300 = BStBl. II 2017, 590 Rn. 38).

[25]   Die vorinstanzliche Sachverhaltswürdigung bindet den BFH jedoch nur, wenn sie frei von Verfahrensfehlern ist und weder Widersprüche noch einen Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze enthält und die Vertragsauslegung nach den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB zumindest möglich ist (vgl. z. B. BFH, Urt. v. 10.02.2010 – XI R 49/07, BFHE 228, 456 = BStBl. II 2010, 1109 Rn. 33; Urt. v. 24.04.2013 – XI R 7/11, BFHE 241, 459 = BStBl. II 2013, 648 Rn. 34; jeweils m. w. Nachw.; Urt. v. 29.01.2014 – XI R 4/12, BFHE 244, 131 = BFH/NV 2014, 992 Rn. 43; Urt. v. 14.05.2014 – XI R 13/11, BFHE 245, 424 = BStBl. II 2014, 734 Rn. 26, 27; Urt. v. 19.08.2015 – X R 30/12, BFH/NV 2016, 203 Rn. 38).

[26]   bb) Im vorliegenden Fall ist die Sachverhaltswürdigung des Finanzgerichts insoweit widersprüchlich und verstößt gegen Denkgesetze, als es zunächst feststellt, dass es sich bei der von der Klägerin gewährten Garantie um eine unselbstständige Nebenleistung zum Gebrauchtwagenkauf handele, im Folgenden jedoch feststellt, dass es sich bei der Garantiezusage um eine (selbstständige) sonstige Leistung eigener Art handele.

[27]   cc) Unabhängig davon widerspricht die vom Finanzgericht vorgenommene Auslegung dem Vertragswortlaut und ist auch nicht durch weitere Begleitumstände gerechtfertigt.

[28]   (1) Was Leistungsgegenstand der Garantie ist, ist Art. 9 der Garantiebedingungen („Reparaturumfang“) zu entnehmen. Danach wird im Garantiefall Ersatz für die erforderlichen Kosten einer Reparatur geleistet und im Weiteren die Höhe der Kostenerstattung eingeschränkt. Eine Sachleistungspflicht des Händlers ergibt sich hieraus nicht. Vielmehr würde bei Abwicklung über den Händler (vgl. Art. 7 der Garantiebedingungen) der Zahlungsanspruch des Händlers aufgrund der Reparatur mit dem Kostenerstattungsanspruch des Versicherungsnehmers – unter Berücksichtigung etwaiger Selbstbehalte – aufgerechnet.

[29]   (2) Etwas anderes folgt nicht aus Art. 7 Nr. 2 der Garantiebedingungen. Unter der Überschrift „Abwicklung im Garantiefall“ war in Art. 7 Nr. 1 der Garantiebedingungen geregelt, dass nach Meldung des Schadensfalls den Weisungen des Händlers (der Klägerin) bzw. des mit der Abwicklung beauftragten Rückversicherers zu folgen war. In diesem Zusammenhang steht die Regelung in Art. 7 Nr. 2 der Garantiebedingungen, wonach die Reparatur durch den Garantiegeber oder einen anderen Kfz-Meisterbetrieb durchgeführt wird, wobei vorrangig ein geeigneter Reparaturbetrieb aus dem X-Service-Netzwerk gewählt werden sollte.

[30]   (3) Zwar besteht bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Gewährleistungsanspruchs im Ergebnis für den Kunden ein Wahlrecht zwischen Mängelbeseitigung/Reparatur durch den Verkäufer und Inanspruchnahme der Reparaturkostenerstattung.

[31]   Beide Ansprüche ergeben sich jedoch aus unterschiedlichen Rechtsgrundlagen: Der Mängelbeseitigungsanspruch ergibt sich aus der Pflicht zur Sachmängelgewährleistung nach §§ 437, 434 BGB aufgrund des (selbstständigen) Kaufvertrags. Voraussetzung ist, dass der Mangel bei Übergabe vorlag (auch wenn dies innerhalb der ersten sechs Monate gemäß § 476 BGB beim hier vorliegenden Verbrauchsgüterkauf vermutet wird), es sich insofern nicht um einen Verschleißschaden handelt und dem Verkäufer grundsätzlich nach § 437 Nr. 1, § 439 BGB zunächst die Möglichkeit zur Nacherfüllung eingeräumt wurde. Dagegen ergibt sich der Anspruch auf Reparaturkostenerstattung (eingeschränkt durch einen etwaigen Selbstbehalt) aus dem Garantievertrag immer, wenn der Mangel in der Garantiezeit auftritt. Ohne vorherige Aufforderung zur Nacherfüllung (nach Anzeige des Schadens und ggf. Einholung eines Kostenvoranschlags) kann eine Werkstatt – nach den Weisungen des Garantiegebers – mit der Reparatur beauftragt werden.

[32]   b) Da Inhalt der Garantie somit ausschließlich die Leistung von Kostenersatz durch den Garantiegeber ist, kommt es auf die Bestimmung eines prägenden Leistungsbestandteils im vorliegenden Fall mangels Leistungsbündels nicht an. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall auch wesentlich von dem Fall, der der Entscheidung des Senats in BFHE 228, 456 = BStBl. II 2010, 1109 zugrunde lag. Denn danach hatte der Garantienehmer im Garantiefall ein Wahlrecht zwischen Sachleistung/Reparatur durch den Händler oder Geldleistung direkt gegenüber der Versicherung (BFH, Urt. v. 10.02.2010 – XI R 49/07, BFHE 228, 456 = BStBl. II 2010, 1109 Rn. 30).

[33]   3. Die Steuerfreiheit der mit der Garantiezusage gewährten Leistung der Klägerin ergibt sich zumindest nach § 4 Nr. 10 lit. a UStG.

[34]   a) Nach § 4 Nr. 10 lit. a UStG sind die Leistungen aufgrund eines Versicherungsverhältnisses im Sinne des Versicherungsteuergesetzes (VersStG) steuerfrei; das gilt auch, wenn die Zahlung des Versicherungsentgelts nicht der Versicherungsteuer unterliegt.

[35]   Unter dem Versicherungsverhältnis im Sinne des VersStG ist das durch Vertrag oder auf sonstige Weise entstandene Rechtsverhältnis des einzelnen Versicherungsnehmers zum Versicherer und seine Wirkungen zu verstehen. Wesentliches Merkmal für ein Versicherungsverhältnis i. S. des § 1 I VersStG ist das Vorhandensein eines vom Versicherer gegen Entgelt übernommenen Wagnisses (BFH, Urt. v. 19.06.2013 – II R 26/11, BFHE 241, 431 = BStBl. II 2013, 1060 Rn. 12; Urt. v. 11.12.2013 – II R 53/11, BFHE 244, 56 = BStBl. II 2014, 352 Rn. 16; jeweils m. w. Nachw.; Urt. v. 07.12.2016 – II R 1/15, BFHE 256, 534 = BStBl. II 2017, 360 Rn. 12; Beschl. v. 30.03.2015 – II B 79/14, BFH/NV 2015, 1013 Rn. 4).

[36]   b) Grundlage der in § 4 Nr. 10 lit. a UStG normierten Befreiung ist Art. 135 I lit. a MwStSystRL. Danach befreien die Mitgliedstaaten Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze einschließlich der dazugehörigen Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden, von der Steuer.

[37]   Art. 135 I lit. a MwStSystRL definiert den Begriff „Versicherungsumsätze“ nicht. Jedoch besteht das Wesen eines Versicherungsumsatzes darin, dass der Versicherer sich verpflichtet, dem Versicherten gegen vorherige Zahlung einer Prämie im Fall der Verwirklichung des abgedeckten Risikos die bei Vertragsschluss vereinbarte Leistung zu erbringen (vgl. EuGH, Urt. v. 20.11.2003 – C-8/01, EU:C:2003:621 = UR 2004, 82 Rn. 39 – Taksatorringen; Urt. v. 07.12.2006 – C-13/06, EU:C:2006:765 = HFR 2007, 178 Rn. 10 – Kommission/Griechenland; Urt. v. 17.01.2013 – C-224/11, EU:C:2013:15 = HFR 2013, 270 Rn. 58 – BGZ Leasing; Urt. v. 16.07.2015 – C-584/13, EU:C:2015:488 = UR 2015, 714 Rn. 28, 42 – Mapfre asistencia und Mapfre warranty; BFH, Urt. v. 24.04.2013 – XI R 7/11, BFHE 241, 459 = BStBl. II 2013, 648 Rn. 53).

[38]   c) Ein Versicherungsumsatz setzt demnach sowohl nach nationalem Recht als auch nach Unionsrecht eine Vertragsbeziehung zwischen dem Erbringer der Versicherungsdienstleistung und der Person, deren Risiken von der Versicherung gedeckt werden, das heißt dem Versicherten, voraus (EuGH, Urt. 08.03.2001 – C-240/99, EU:C:2001:140 = UR 2001, 157 Rn. 41 – Skandia; Urt. v. 20.11.2003 – C-8/01, EU:C:2003:621 = UR 2004, 82 Rn. 41 – Taksatorringen; Urt. v. 22.10.2009 – C-242/08, EU:C:2009:647 = BStBl. II 2011, 559 Rn. 36 – Swiss Re Germany Holding; Urt. v. 17.01.2013 – C-224/11, EU:C:2013:15 = HFR 2013, 270 Rn. 58 – BGZ Leasing; Urt. v. 16.07.2015 – C-584/13, EU:C:2015:488 = UR 2015, 714 Rn. 29 – Mapfre asistencia und Mapfre warranty; BFH, Urt. v. 24.04.2013 – XI R 7/11, BFHE 241, 459 = BStBl. II 2013, 648 Rn. 54). Die Leistung, zu deren Erbringung im Versicherungsfall der Versicherer sich verpflichtet, braucht nicht in der Zahlung eines Geldbetrags, sondern kann auch in Beistandsleistungen entweder durch Geldzahlung oder Sachleistungen bestehen EuGH, Urt. 25.02.1999 – C-349/96, EU:C:1999:93 = HFR 1999, 421 Rn. 18 – CPP; Urt. v. 07.12.2006 – C-13/06, EU:C:2006:765 = HFR 2007, 178 Rn. 11 – Kommission/Griechenland; Leipold, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 4 Nr. 10 Rn. 10; Burgmaier, in: Hartmann/Metzenmacher, UStG, § 4 Nr. 10 Rn. 24; Klenk, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 4 Nr. 10 Rn. 38, 47 ff.).

[39]   d) Mit der Garantiezusage, durch die die Klägerin im Garantiefall eine Geldleistung versprochen hat, liegt eine Leistung aufgrund eines Versicherungsverhältnisses im Sinne des VersStG i. S. des § 4 Nr. 10 lit. a UStG vor.

[40]   aa) Versicherter und gleichzeitig Versicherungsnehmer ist der Käufer des Fahrzeugs.

[41]   bb) Versicherer ist hier der Gebrauchtwagenverkäufer, die Klägerin, mit der der Versicherte eine direkte Vertragsbeziehung hat. Denn anders als nach dem Sachverhalt in der Entscheidung Mapfre asistencia und Mapfre warranty (EU:C:2015:488 = UR 2015, 714 Rn. 39) und den durch BFH-Urteile in BFHE 200, 126 = BStBl. II 2003, 378, in BFH/NV 2003, 669 und in BFHE 228, 456 = BStBl. II 2010, 1109 (BFH, Urt. v. 10.02.2010 – XI R 49/07) entschiedenen Fällen, wurde durch die vorliegende Garantiezusage nach den Feststellungen des Finanzgerichts dem Garantienehmer kein direkter Anspruch gegenüber dem (Rück-)Versicherer, X, eingeräumt.

[42]   Dies gilt unabhängig davon, dass die Klägerin bei einem Versicherer rückversichert war. Denn der Umsatz zwischen einem Unternehmer und seinem Kunden beurteilt sich nach dem Rechtsgeschäft, das zwischen diesen abgeschlossen worden ist, und nicht danach, ob der Unternehmer für seine Verpflichtung aus diesem Rechtsgeschäft – wie hier – eine Rückversicherung abgeschlossen hat (BFH, Urt. v. 10.02.2010 – XI R 49/07, BFHE 228, 456 = BStBl. II 2010, 1109 Rn. 53).

[43]   cc) Das übernommene fremde Risiko bzw. Wagnis besteht in den dem Käufer im Fall eines von der Garantie erfassten Defekts entstehenden Reparaturkosten. Dieses Risiko hat die Klägerin insoweit übernommen, als sie aufgrund der Garantie zu Kostenersatz verpflichtet ist.

[44]   dd) Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin als Gebrauchtwagenhändlerin kein der Versicherungsaufsicht unterliegendes Versicherungsunternehmen ist.

[45]   Versicherer im Sinne der Versicherungsteuer sind zwar in erster Linie die der Versicherungsaufsicht unterliegenden Versicherungsunternehmen. Für die Steuerfreiheit ist aber unerheblich, ob der Versicherer die nach nationalem Recht erforderliche Zulassung besitzt (EuGH, Urt. 25.02.1999 – C-349/96, EU:C:1999:93 = HFR 1999, 421 Rn. 33 – CPP; BFH, Urt. v. 29.11.2006 – II R 78/04, BFH/NV 2007, 513 Rn. 10; Klenk, in: Rau/Dürrwächter, a. a. O., § 4 Nr. 10 Rn. 29).

[46]   e) Dieses Ergebnis entspricht auch dem Normzweck. Durch die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 10 UStG soll eine doppelte Belastung des Versicherten mit Versicherungsteuer und Umsatzsteuer vermieden werden (EuGH, Urt. 25.02.1999 – C-349/96, EU:C:1999:93 = HFR 1999, 421 Rn. 23 – CPP; BFH, Urt. v. 30.01.2003 – V R 13/02, BFH/NV 2003, 669 Rn. 24; Urt. v. 13.07.2006 – V R 24/02, BFHE 213, 430 = BStBl. II 2006, 935 Rn. 35).

[47]   Die von der Klägerin erhaltenen Entgelte umfassen die Versicherungsprämie und damit auch die darin enthaltene Versicherungsteuer. Damit sind die Kunden (Versicherungsnehmer) mit der Versicherungsteuer belastet. Es würde deshalb dem Sinn des § 4 Nr. 10 UStG widersprechen, wenn die Verschaffung des Versicherungsschutzes zusätzlich umsatzsteuerpflichtig wäre. Dies gilt umso mehr, als die Reparaturleistungen im Versicherungsfall, die von der Klägerin bezahlt werden, ihrerseits umsatzsteuerpflichtig sind (BFH, Urt. v. 09.10.2002 – V R 67/01, BFHE 200, 126 = BStBl. II 2003, 378 Rn. 37).

[48]   4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 II FGO.

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