1. Wird ein Gebrauchtwagen noch vor der Übergabe an den Käufer gestohlen, so wird dem Verkäufer durch den Diebstahl die geschuldete Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs regelmäßig i. S. des § 275 I BGB (subjektiv) unmöglich. Der Verkäufer muss dem Käufer indes keinen Schadensersatz leisten, wenn sich der Diebstahl ereignete, während sich der Käufer mit der Abnahme des Fahrzeugs in Verzug befand, und dem Verkäufer weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt.
  2. Ein Gebrauchtwagenverkäufer, der ein von dem Käufer abzuholendes Fahrzeug auf einem zwar nicht kameraüberwachten, aber umzäunten Grundstück abstellt, handelt nicht grob fahrlässig.

LG Bonn, Urteil vom 17.06.2016 – 1 O 441/15

Sachverhalt: Die Beklagte bietet regelmäßig aus ihrem Dienstwagen-Pool stammende Fahrzeuge als Gebrauchtwagen auf einer eigenen, für gewerbliche Kfz-Händler zugänglichen Internetplattform zum Kauf gegen Höchstgebot an. Der Kläger, ein Kfz-Händler, nahm an einer derartigen Internetauktion der Beklagten, deren Ablauf in § 6 der Auktionsbedingungen im Einzelnen beschrieben ist, teil und ersteigerte am 26.02.2013 ein Fahrzeug für 10.115 €. Die entsprechende Rechnung der Beklagten datiert vom 26.02.2013; den Kaufpreis zahlte der Kläger am 04.03.2013.

Das „ersteigerte“ Fahrzeug verkaufte der Kläger mit Vertrag vom 07.03.2013 für 13.200 € an N.

Der Kläger sollte das Fahrzeug bis zum 22.03.2013 bei der Streithelferin der Beklagten abholen. Eine Verlängerung der Standzeit war gegen Zahlung von 5 € pro Tag möglich.

§ 10 der Auktionsbedingungen, mit denen sich der Kläger einverstanden erklärt hat, enthält zum „Gefahrübergang“ folgende Regelung:

„Die Gefahr geht mit Übergabe des Fahrzeugs auf den Käufer über. Sofern der Käufer mit seinen Abnahmepflichten für das Fahrzeug in Verzug kommt, geht die Gefahr eines zufälligen Untergangs … der Kaufsache in dem Zeitpunkt auf den Käufer über, in dem dieser in Verzug geraten ist. Am achten Tag nach Zugang der Abholvollmacht, spätestens jedoch am 22. Kalendertag nach Zugang der Rechnung gerät der Käufer automatisch und ohne Mahnung in Verzug.“

Eine Abholvollmacht wurde dem Kläger unter dem 07.03.2013 erteilt. Darin heißt es unter anderem:

„Die Gefahr des zufälligen Untergangs oder der Verschlechterung der Kaufsache geht mit der Übergabe des Fahrzeugs, spätestens am 23.03.2013 auf den Käufer über.“

Der Kläger holte das Fahrzeug nicht ab; es wurde zwischen dem 25.05.2013, 13.00 Uhr, und dem 26.03.2013, 07.30 Uhr, gestohlen. Die Streithelferin der Beklagten erstattete Strafanzeige wegen eines besonders schweren Fall des Diebstahls eines Kfz in/aus einer Werkstatt (§ 243 StGB).

Der Kläger macht geltend, er habe das Fahrzeug aus gesundheitlichen Gründen nicht abholen können, und hat behauptet, die Streithelferin der Beklagten stelle abzuholende Fahrzeuge in einem Bereich ab, der weder umfriedet noch – was zwischen den Parteien unstreitig ist – kameraüberwacht sei. Die Streithelferin, so hat der Kläger weiter behauptet, habe sich ihm gegenüber dahin eingelassen, dass es einen Bereich in dem umfriedeten und auch kameraüberwachten Fuhrpark gebe, der durch Kameras nicht erfasst werde; dort sei das Fahrzeug gestohlen worden. Schließlich hat der Kläger behauptet, die Streithelferin habe ihm gegenüber eingeräumt, dass Diebstähle von Fahrzeugen, die in dem ungeschützten Bereich abgestellt seien, häufig vorkämen.

Der Kläger meint, dass ihm durch den Diebstahl des Fahrzeugs insgesamt ein Schaden in Höhe von 13.200 € entstanden sei. Hiervon macht er im Wege der Teilklage 6.200 € geltend.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 6.200 € sowie auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 865 € aus den §§ 280 I und III, 283, 249 I, 251 I BGB.

1. Zwar ist zwischen den Parteien durch die Annahme des verbindlichen Verkaufsangebotes der Beklagten durch den Kläger i. S. der §§ 145 ff. BGB ein Kaufvertrag zustande gekommen (BGH, Urt. v. 08.06.2011 – VIII ZR 305/10, NJW 2011, 2643). Der Beklagten ist die von ihr gemäß § 433 I 1 BGB geschuldete Übergabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs als Stückschuld (vgl. nur MünchKomm-BGB/Emmerich, 7. Aufl. [2016], § 243 Rn. 9) und damit die Erfüllung ihrer Vertragspflichten durch den Diebstahl auch (subjektiv) unmöglich geworden (§ 275 I BGB), da nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien davon ausgegangen werden muss, dass die Beklagte die Verfügungsmacht über das Fahrzeug nicht mehr zurückerlangen wird (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.09.2004 – 8 U 97/04, NJW 2005, 989 [990]).

2. Gleichwohl schuldet die Beklagte dem Kläger deswegen keinen Schadensersatz, weil sie die subjektive Unmöglichkeit der Leistung nicht zu vertreten hat (§ 280 I 2 BGB). Denn der Kläger befand sich im Zeitpunkt des Diebstahls des Fahrzeugs in Annahmeverzug und die Entwendung des Fahrzeuges ist entgegen § 300 I BGB weder auf Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit der Beklagten noch der Streithelferin (§ 278 BGB) zurückzuführen.

a) Für die Herbeiführung des Annahmeverzugs bedurfte es infolge der zwischen den Parteien vereinbarten Holschuld keines tatsächliches Angebots der Leistung an den Kläger i. S. von § 294 BGB, vielmehr genügte hier ein wörtliches Angebot, weil der Kläger die geschuldete Sache abzuholen hatte (§ 295 Satz 1 Fall 2 BGB). Dieses wörtliche Angebot der Beklagten lag in Form der übersandten Abholvollmacht mit der Aufforderung, das Fahrzeug bis zum 22.03.2013 auf dem Gelände der Streithelferin abzuholen, vor. Da der Kläger innerhalb dieses und auch innerhalb des in § 10 der Auktionsbedingungen ausdrücklich vorgesehenen Zeitraums das Fahrzeug nicht abgeholt, somit die ihm obliegende erforderliche Handlung zur Bewirkung der Leistung unterlassen hat (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl. [2016], § 295 Rn. 5), befand er sich spätestens seit dem 23.03.2013 im Annahmeverzug.

b) Da die Beklagte während des Annahmeverzuges des Klägers gemäß § 300 I BGB nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten hat (vgl. darüber hinaus auch § 12 der Auktionsbedingungen der Beklagten), begründet die Entwendung des streitgegenständlichen Fahrzeugs keine Haftung der Beklagten. Es fehlt schon an der für eine grobe Fahrlässigkeit erforderlichen Verletzung der verkehrsüblichen Sorgfalt durch die Beklagte und/oder die Streithelferin (§§ 276 II, 278 BGB) in einem besonders schweren Maße. Denn dies setzt voraus, dass die Streithelferin als Erfüllungsgehilfin der Beklagten schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und damit dasjenige nicht beachtet hat, was im konkreten Fall jedem einleuchten musste (vgl. MünchKomm-BGB/Grundmann, 7. Aufl. [2016], § 276 Rn. 94 f.; Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 277 Rn. 5 m. w. Nachw.).

Anschließend an diese Definition der groben Fahrlässigkeit begründet das Abstellen auf einem nicht mit einer Kamera überwachten aber mit einem Zaun umfriedeten Grundstück keine grobe Fahrlässigkeit, da mit der Umzäunung eine hinreichende Absicherung gegen eine Entwendung vorliegt. Die zweifelhafte Frage, ob überhaupt schon das Abstellen auf einem frei zugänglichen unbewachten Parkplatz den Vorwurf einer groben Fahrlässigkeit trägt (verneinend Staudinger/Caspers, BGB, Neubearb. 2014, § 276 Rn 100 – „Diebstahl“ m. w. Nachw.), und zwar selbst an einer gefährdeten Stelle (verneinend etwa BGH, Urt. v. 19.11.1996 – X ZR 75/95, WM 1997, 587 [sogar für einfache Fahrlässigkeit]; Urt. v. 19.12.1979 – IV ZR 91/78, NJW 1980, 887 f. [für drei Wochen an einem Bahnhof]; OLG Frankfurt, Urt. v. 11.11.1981 – 7 U 118/81, ZfS 1982, 53 [für ein Wohngebiet]; vgl. ferner MünchKomm-BGB/Grundmann, a. a. O., § 276 Rn. 102 m. w. Nachw.), bedarf deshalb vorliegend keiner Vertiefung.

Das Vorbringen des Klägers rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Zwar wirkt sich die Regelung der Beweislast in § 280 I 2 BGB auch im Fall von § 300 I BGB dahin gehend aus, dass die Beklagte dafür Tatsachen vortragen und gegebenenfalls beweisen muss, dass sie und/oder die Streithelferin als ihre Erfüllungsgehilfin den Diebstahl nicht durch grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz herbeigeführt haben (vgl. BGH, Urt. v. 12.03.1987 – VII ZR 172/86, NJW 1987, 1938 [1939]; Urt. v. 23.12.1966 – V ZR 26/64, NJW 1967, 622 [625]; MünchKomm-BGB/Ernst, BGB, 6. Aufl. [2012], § 300 Rn. 3; Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 300 Rn. 2 und § 280 Rn. 34; Repgen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast, 3. Aufl. [2008], § 300 Rn. 1). Indes hat der Kläger seinen ursprünglichen Vortrag in der Klageschrift, wonach das Fahrzeug auf einem nicht umzäunten Gelände abgestellt gewesen sei, bereits mit Schriftsatz vom 11.05.2016 revidiert und dies in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Danach hat ihm der Inhaber der Streithelferin telefonisch mitgeteilt, dass das Fahrzeug von dem eingezäunten Gewerbegrundstück entwendet worden sei. Der Inhalt der polizeilichen Bescheinigung der Anzeigeerstattung stimmt hiermit überein und unterstreicht deshalb die inhaltliche Richtigkeit des Vortrags der Streithelferin.

Seinen schriftsätzlichen Vortrag, die Streithelferin habe ihm mitgeteilt, dass Diebstähle von „in dem ungeschützten Bereich“ abgestellten Fahrzeugen „häufig vorkommen“ (Seite 5 der Klageschrift), hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf ausdrückliche Nachfrage nicht aufrechterhalten, sondern insgesamt zurückgenommen.

Nach alledem fehlen konkrete Tatsachen, aus denen ein grob fahrlässiges Verhalten der Beklagten und/oder der Streithelferin abgeleitet werden könnte …

PDF erstellen