1. Kann der Veräußerer eines Gebrauchtwagens dem Erwerber die Zulassungsbescheinigung Teil II nicht vorlegen, so muss der Erwerber grundsätzlich davon ausgehen, dass der Veräußerer nicht berechtigt ist, eine Verfügung über das Fahrzeug zu treffen.
  2. Zwar kann der Veräußerer eines Gebrauchtwagens Zweifel an seiner Verfügungsberechtigung, die daher rühren, dass er die Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) nicht vorlegen kann, im Einzelfall ausräumen, sodass unter Umständen das Fehlen der Zulassungsbescheinigung Teil II einen gutgläubigen Erwerb nicht hindert. Dafür muss der Erwerber sich allerdings davon überzeugen, dass dem Veräußerer die Zulassungsbescheinigung Teil II nicht deshalb fehlt, weil ein anderer Berechtigter sie zu seiner Sicherung einbehält, sondern aus einem anderen Grund. Die Behauptung des Veräußerers, er habe die Zulassungsbescheinigung Teil II verloren und bei der Verwaltungsbehörde unter Abgabe einer Versicherung an Eides statt eine neue Ausfertigung beantragt, genügt dafür jedenfalls dann nicht, wenn der Veräußerer den Antrag bereits vor geraumer Zeit (hier: vor knapp zwei Monaten) gestellt haben will. In einem solchen Fall ist der Erwerber vielmehr gehalten, bei der Verwaltungsbehörde nachzufragen, um dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit zu entgehen.

LG Bad Kreuznach, Urteil vom 18.05.2016 – 3 O 41/16

Sachverhalt: Der Kläger nimmt den Beklagten auf Herausgabe des Fahrzeugbriefs (Zulassungsbescheinigung Teil II), der zu einem VW Golf Cabriolet gehört, in Anspruch. Der Beklagte verlangt widerklagend die Herausgabe des Fahrzeugs, während der Kläger mit einer hilfsweise erhobenen Wider-Widerklage den Ersatz von Verwendungen begehrt.

Am 22.10.2013 schlossen der Beklagte und F, der bei dem Beklagten Mietschulden hatte, eine Vereinbarung, wonach F das Cabriolet bis zum vollständigen Ausgleich der Mietrückstände als Sicherheit an den Beklagten „verpfändete“. Gleichzeitig wurde vereinbart, dass F, der dem Beklagten den Fahrzeugbrief (Zulassungsbescheinigung Teil II) überließ, das Fahrzeug weiter nutzen dürfe.

Unter dem 18.10.2014 schlossen F und der Kläger einen schriftlichen Kaufvertrag über das Cabriolet, in dem ein Kaufpreis von 900 € angegeben ist. F übergab dem Kläger das Fahrzeug sowie die Zulassungsbescheinigung Teil I und erklärte, den Fahrzeugbrief (Zulassungsbescheinigung Teil II) habe er verloren. Als Nachweis für den Verlust legte F dem Kläger eine eidesstattliche Versicherung vor, die er (angeblich) am 29.08.2014 gegenüber der Kreisverwaltung Kaiserslautern abgegeben hatte. Darin hatte der Kläger auch eidesstattlich versichert, dass Rechte Dritter an dem Fahrzeug, etwa infolge einer Sicherungsübereignung, nicht bestünden. Ausweislich des Kaufvertrags sollte F den Fahrzeugbrief nachreichen, sobald ihm aufgrund seiner eidesstattlichen Versicherung ein neuer ausgestellt worden war.

Klage und Hilfs-Wider-Widerklage hatte keinen Erfolg, während die Widerklage erfolgreich war.

Aus den Gründen: Dem Kläger steht kein Anspruch aus §§ 985, 952 BGB auf Herausgabe des Fahrzeugbriefs (Zulassungsbescheinigung Teil II) zu. Denn der Kläger ist nicht Eigentümer des Fahrzeugs … geworden. Zwar nahmen der Kläger und F eine Übergabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs und eine dingliche Übereignung vor. Allerdings war F zu diesem Zeitpunkt, am 18.10.2014, nicht – mehr – Eigentümer des Fahrzeugs. Denn dieses Fahrzeug war vonseiten des F an den Beklagten sicherungsübereignet worden gemäß Vertrag vom 22.10.2013.

Zwar ist in dieser Vereinbarung von einer „Verpfändung“ die Rede. Allerdings erhielt der Beklagte keinen unmittelbaren Besitz i. S. des § 1205 BGB. Ein Besitzmittlungsverhältnis zwischen Eigentümer und Gläubiger ist ausgeschlossen (vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 75. Aufl., § 1205 Rn. 6). Diese unwirksame Verpfändung ist allerdings in eine Sicherungsübereignung gemäß § 930 BGB umzudeuten. Dass eine solche Sicherungsübereignung zwischen den Parteien gewollt ist, ergibt sich aus Ziffer 3 der Vereinbarung, wonach der Wagen nur mit Einverständnis des Beklagten verkauft werden durfte und, sollten die Mietrückstände bis zum 01.06.2014 nicht vollständig beglichen sein, der Beklagte über den VW Golf alleine verfügen sollte. Dann nämlich sollte der VW Golf dem Beklagten als dessen Eigentum übergeben werden. Mithin wurde die Übergabe i. S. des § 930 BGB durch ein Besitzkonstitut ersetzt, da F den Wagen weiterhin benutzen durfte.

Ein gutgläubiger Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs i. S. der §§ 929, 932 BGB ist nicht zu bejahen. Denn beim Handel mit gebrauchten Kraftfahrzeugen spricht das Fehlen des Fahrzeugbriefs grundsätzlich für das Fehlen der Verfügungsberechtigung des Veräußerers. Zwar können die sich daraus für den Kaufinteressenten ergebenden Bedenken im Einzelfall ausgeräumt werden, aber nur durch Umstände, die darauf hindeuten, dass dem Veräußerer der Brief nicht deshalb fehlt, weil ein anderer Berechtigter ihn zu seiner Sicherung einbehält, sondern aus einem anderen Grund (vgl. BGH, Urt. v. 27.01.1965 – VIII ZR 62/63).

Zwar ist nichts dafür vorgetragen, dass der Kläger von der Sicherungsübereignung etwas hätte wissen müssen, aber alleine die Vorlage der eidesstattlichen Versicherung gemäß § 5 StVG vom 29.08.2014 gegenüber der Kreisverwaltung Kaiserslautern genügt hierfür nicht. Zwar ist zutreffend, dass die grobe Fahrlässigkeit vom Beklagten zu beweisen ist (vgl. BGH, Urt. v. 05.10.1981 – VIII ZR 235/80, NJW 1982, 38), entscheidend ist jedoch, dass die Überprüfung der Berechtigung des Veräußerers anhand der Zulassungsbescheinigung Teil II zu den Mindestanforderungen für einen gutgläubigen Erwerb eines Gebrauchtwagens gehört (vgl. BGH, Urt. v. 13.09.2006 – VIII ZR 184/05, NJW 2006, 3488 Rn. 17; LG München I, Urt. v. 02.02.2015 – 26 O 13347/14). Denn der Kraftfahrzeugbrief ist zur Sicherung des Eigentums oder anderer Rechte am Fahrzeug bei jeder Befassung der Zulassungsbehörde mit dem Fahrzeug, besonders bei Meldung über den Eigentumswechsel, gemäß § 13 III FZV vorzulegen und soll dadurch, auch wenn er kein Traditionspapier ist, den Eigentümer oder sonstigen am Kraftfahrzeug Berechtigten vor Verfügungen Nichtberechtigter schützen (vgl. BGH, Urt. v. 13.09.2006 – VIII ZR 184/05, NJW 2006, 3488 Rn. 13).

Im vorliegenden Fall wies F sogar ausdrücklich bei Schließung des Kaufvertrages vom 18.10.2014 darauf hin, nicht im Besitz der Zulassungsbescheinigung Teil II zu sein. Die eidesstattliche Versicherung des F vom 29.08.2014 gegenüber der Kreisverwaltung Kaiserslautern vermag nicht zu einer anderen Entscheidung zu führen, weil bereits die erhebliche Frist zwischen Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vom 29.08.2014 und dem Kaufvertragsschluss vom 18.10.2014 den Kläger in erheblichem Maße hätte misstrauisch stimmen müssen. Denn F hat im Kaufvertrag zugesichert, den Kfz-Brief nach einer Neuausstellung nachzureichen. Dass dies während der dann knapp abgelaufenen zwei Monate noch nicht erfolgt sein sollte, hätte den Kläger zumindest zu Nachforschungen und Nachfragen bei der Kreisverwaltung Kaiserslautern anhalten müssen. Dass der Kläger dies unterlassen hat, begründet den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit.

Da hiernach der Kläger nicht gutgläubig Eigentum am Kraftfahrzeug erworben hat, verbleibt das streitgegenständliche Fahrzeug … im Eigentum des Beklagten mit der Folge, dass die Klage unbegründet ist.

Dem Kläger steht auch kein Zurückbehaltungsrecht nach §§ 986, 1000 BGB zu, unabhängig von der umstrittenen Frage, ob der Auffassung des BGH zu folgen ist, wonach ein Zurückbehaltungsrecht nach § 1000 BGB ein Recht zum Besitz nach § 986 BGB gibt. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Ein Anspruch aus § 994 I BGB scheitert schon daran, dass, wie oben dargelegt, der Kläger nicht gutgläubig ist. Der Kläger kann auch nicht einen Verwendungsersatzanspruch nach § 994 II BGB geltend machen, weil er schon nicht dargetan, geschweige denn bewiesen hat, welche – konkreten – Verwendungen er vorgenommen hat. Er verweist auf ein Anlagenkonvolut K 4, das indes nur ein Angebot vom 24.07.2015 und einen Kostenvoranschlag vom 21.07.2015 enthält, während der Kläger das Fahrzeug schon am 18.10.2014 erworben hat. Schon gar nicht legt der Kläger dar, welche Verwendungen notwendig, also zur Erhaltung der Sache objektiv erforderlich waren (BGH, Urt. v. 15.03.2013 – V ZR 201/11, NJW-RR 2013, 1318 Rn. 22). Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass § 994 II BGB eine teilweise Rechtsgrundverweisung darstellt (Palandt/Bassenge, a. a. O., § 994 Rn. 8 m. w. Nachw.) mit der Folge, dass die Verwendung dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen oder dem Interesse des Beklagten entsprechen muss. Hierzu fehlen jegliche Anhaltspunkte, zumal die Verwendungen 13.338,18 € ausmachen sollen, demgegenüber der Verkehrswert nur 8.000 € betragen soll. Inwiefern dann die Verwendungen dem Willen oder Interesse des Beklagten entsprechen sollen, ist unerfindlich.

Für einen Anspruch aus §§ 994 II, 684 Satz 1, 812 BGB fehlt es an der Darlegung zur Höhe des noch vorhandenen Verwendungserfolgs (Palandt/Bassenge, a. a. O., § 994 Rn. 8; BGH, Urt. v. 06.03.1991 – IV ZR 114/89, BGHZ 114, 16 = JZ 1991, 986) durch den Kläger, zumal er schon nicht dargetan, geschweige denn bewiesen hat, welche – konkreten – notwendigen Verwendungen er vorgenommen hat. Denn Anlage K 4 stellt lediglich ein Angebot bzw. einen Kostenvoranschlag dar, nicht jedoch den Nachweis, welche konkreten Arbeiten ausgeführt wurden. Aus diesem Grund kann auch nicht der vom Kläger angegebene Verkehrswert in Höhe von 8.000 € herangezogen werden. Im Übrigen ist denkbar, dass der Beklagte infolge der dann aufgedrängten Bereicherung des Schutzes bedarf, solange er den Zuwachs in seinem Vermögen nicht zu seinen Gunsten verwertet hat (Palandt/Sprau, BGB, 75. Aufl., § 812 Rn. 52).

Letztlich können diese Überlegungen dahinstehen. Da nämlich ferner der Kaufpreis für das Fahrzeug bei 900 € lag, während die Instandsetzungskosten bei 13.338,18 € gelegen haben sollen, ist davon auszugehen, dass dieser zuletzt genannte Betrag nicht dazu diente, die Betriebsbereitschaft des Fahrzeugs wiederherzustellen, sondern dazu, eine „Runderneuerung“ des Wagens vorzunehmen, was als nützlich, aber nicht als notwendig anzusehen ist (OLG Celle, Urt. v. 10.11.1994 – 10 U 26/94).

Ein Anspruch aus § 996 BGB scheitert an der mangelnden Gutgläubigkeit des Klägers.

Da dem Kläger kein Herausgabeanspruch hinsichtlich der Zulassungsbescheinigung Teil II bezüglich des Golf Cabrio zusteht, kann er auch keine Nebenforderungen geltend machen.

Der Widerklageantrag ist gemäß § 33 ZPO zulässig, da eine Konnexität mit der Klage gegeben ist. Der Feststellungsantrag ist gemäß § 256 I ZPO zulässig, da ein Feststellungsinteresse des Beklagten zu bejahen ist. Denn der Kläger berühmt sich der Eigentümerstellung am Fahrzeug. Die Widerklage ist auch begründet, da dem Beklagten ein Herausgabeanspruch aus § 985 BGB gegen den Kläger zusteht, wie sich aus den vorangegangenen Ausführungen ergibt.

Die Hilfs-Wider-Widerklage ist zwar gemäß § 33 ZPO zulässig, da eine Konnexität zu bejahen ist, aber sie ist unbegründet, wie sich bereits aus den vorangegangenen Darlegungen ergibt. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der Besitzer einen Anspruch auf den Ersatz der Verwendungen nur geltend machen kann, wenn der Eigentümer die Sache wiedererlangt oder die Verwendungen genehmigt (§ 1001 BGB). Weder die eine noch die andere Alternative liegen im vorliegenden Fall indes vor …

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