Eine herstellerfremde Leistungssteigerung durch Chiptuning führt auch dann zu einer übermäßigen, nicht vertragsgemäßen Abnutzung eines Leasingfahrzeugs, wenn das Fahrzeug nur vorübergehend mit einem leistungsgesteigerten Motor betrieben und die Leistungssteigerung vor der Rückgabe des Fahrzeugs wieder aufgehoben wird. Denn mit herstellerfremden Eingriffen in die Motorelektronik ist die Gefahr eines übermäßigen und vorzeitigen Verschleißes der Antriebseinheit verbunden. Ein potenzieller Erwerber des Fahrzeugs wird deshalb, wenn er Kenntnis von einer auch nur zeitweiligen Leistungssteigerung hat, nur einen geringeren Kaufpreis zu zahlen bereit sein oder aufgrund der unsicheren technischen Auswirkungen des Chiptuning von einem Erwerb ganz Abstand nehmen.

OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 04.12.2014 – 12 U 137/13

Sachverhalt: Die Klägerin verlangt von der Beklagten nach der regulären Beendigung eines Leasingvertrages aus abgetretenem Recht, eine Wertminderung des Leasingfahrzeugs auszugleichen. Grundlage hierfür sind ein Leasingvertrag vom 21.08.2006 und eine Übernahmevereinbarung vom 29.07.2007. Dort war der Restwert des Leasingfahrzeugs mit 55,88 % des Anschaffungspreises (55.480 € netto) angegeben, und zwar mit dem Hinweis, dass der angegebene Restwert nur bei einer vorzeitigen Vertragsbeendigung von Bedeutung sei.

Die Parteien streiten insbesondere darüber, ob das Leasingfahrzeug vorübergehend einem sogenannten Chiptuning zur Leistungssteigerung des Motors unterzogen wurde und ob und gegebenenfalls in welchem Umfang dies eine Minderung des vertraglich vereinbarten Rücknahmewertes des Fahrzeugs begründet.

Insoweit sieht die Leasingvereinbarung vor, dass der Leasingnehmer das Fahrzeug nach Beendigung des Leasingvertrages in einem dem Alter und der vertragsgemäßen Fahrleistung entsprechenden Erhaltungszustand, frei von Schäden sowie verkehrs- und betriebssicher zurückzugeben hat. Für den Fall, dass das Fahrzeug diesem Zustand nicht entspricht und hierdurch im Wert gemindert ist, ist der Leasingnehmer vertraglich zum Ausgleich des Minderwertes zuzüglich Umsatzsteuer verpflichtet.

Die Leasinggeberin hat entgegen ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorprozessual kein Gutachten zum Umfang einer durch übermäßige Abnutzung begründeten Wertminderung eingeholt, sondern das Fahrzeug mit Vereinbarung vom 10.05.2010 zum Preis von 22.450,14 € netto an einen Vertragshändler veräußert.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme auf einen Minderwert in Höhe von 7.140 € erkannt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin könne aus abgetretenem Recht einen Minderwert von 25 % des vereinbarten Restwertes (36.892,95 € brutto) beanspruchen, weil das Leasingfahrzeug nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme während einer Laufleistung von 9.000 km bis 10.000 km mit einem herstellerfremden, vor der Rückgabe beseitigten Chiptuning betrieben worden sei. Das Landgericht hat sachverständig beraten festgestellt, dass die Kosten für eine vollständige Erneuerung der von einer Leistungssteigerung betroffenen Motor-und Antriebsteile 14.089,20 € brutto betragen.

Die Berufung der Beklagten hatte teilweise Erfolg.

Aus den Gründen: II. … Eine herstellerfremde Leistungssteigerung eines Leasingfahrzeugs durch Chiptuning begründet auch dann eine übermäßige, nicht vertragsgemäße Abnutzung der Leasingsache, wenn sie nur vorübergehend für einen nicht ganz unerheblichen Zeitraum im Gebrauch und bei der Rückgabe wieder aufgehoben war.

Die Bemessung des merkantilen Minderwerts des Leasingfahrzeugs im Wege der Schätzung gemäß § 287 II ZPO erfolgt in Fällen übermäßigen Verschleißes nicht abstrakt, sondern unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung und der Höhe von voraussichtlichen Reparaturkosten.

Eine erneute Beweisaufnahme zu den Feststellungen einer vorübergehenden Leistungssteigerung war hingegen nicht erforderlich.

1. Der Anspruch der Klägerin auf Ausgleich eines Minderwerts gemäß Abschnitt XVI Nr. 3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Leasinggeberin ist nur teilweise, in Höhe von 1.408,92 € begründet. Die Klägerin ist für den Anspruch aufgrund Abtretung vom 12.07.2011 aktivlegitimiert gemäß § 398 BGB.

a) Die Beklagte war gemäß Abschnitt XVI Nr. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Leasinggeberin in Verbindung mit der Vereinbarung vom 29.07.2007 verpflichtet, das Fahrzeug in einem altersangemessenen und vertragsgemäßen Erhaltungszustand ohne Schäden an die Leasinggeberin zurückzugeben, wobei auf normalem Gebrauch beruhende Abnutzung dem nicht entgegensteht.

b) Ein Chiptuning zur Leistungssteigerung des Motors eines Leasingfahrzeugs geht … über den üblichen, vertragsgemäßen Gebrauch und die damit einhergehende gewöhnliche Abnutzung hinaus, weil die Gefahr eines übermäßigen Verschleißes, für die die Bauteile konstruktiv nicht ausgelegt sind, auch bei vergleichsweise kurzer Laufzeit besteht. Dies gilt jedenfalls bei herstellerfremden Eingriffen in die Motorelektronik zur Leistungssteigerung. Denn neben dem Erlöschen der Betriebserlaubnis durch leistungssteigernde Maßnahmen steht aufgrund der Feststellungen im Gutachten des Sachverständigen S vom 14.01.2013 fest, dass die Bauteile auch bei einer Fahrstrecke von lediglich 9.000–10.000 km regelmäßig einem erhöhten Verschleiß unterliegen, wenn der Motor mit einer vom Hersteller nicht vorgesehenen erhöhten Leistung betrieben wird. Der diesbezüglichen Würdigung durch das Landgericht hat die Berufung nichts Durchgreifendes entgegenzusetzen. Die ausführlich begründeten Feststellungen, weshalb eine Leistungssteigerung zu einer besonderen Belastung der betroffenen Baugruppen und zu deren vorzeitigem Verschleiß führt, hat die Berufung in der Sache nicht erschüttert. Das Berufungsgericht teilt die überzeugende Entscheidung des Landgerichts. Denn sie ist ausführlich und widerspruchsfrei auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens begründet worden.

Das Berufungsgericht geht insoweit mit dem OLG Karlsruhe (Urt. v. 24.03.2006 – 1 U 181/06, NJW 2007, 443) davon aus, dass das Chiptuning einen Substanzeingriff darstellt. In der Rechtsprechung zum Kaufrecht ist weitgehend anerkannt, dass dies jedenfalls bei längerem Gebrauch einen Sachmangel der Kaufsache darstellt (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.10.2009 – I-22 U 166/08, juris; OLG Hamm, Urt. v. 09.02.2012 – I-28 U 186/10, DAR 2012, 261). Ein solcher kann auch in dem Verdacht einer nachteiligen Veränderung der Beschaffenheit liegen (vgl. OLG Naumburg, Urt. v. 06.11.2008 – 1 U 30/08, OLGR 2009, 284).

Zu derartigen Eingriffen, die nicht nach Herstellervorgaben erfolgen, ist der Leasingnehmer aufgrund der Leasingvereinbarung, nach der nachträgliche Änderungen und zusätzliche Einbauten der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Leasinggebers bedürfen (Abschnitt VIII Nr. 3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen) nicht berechtigt und hat sie bei Beendigung des Leasingvertrages wieder zu entfernen. Dies trifft auf das herstellerfremde Chiptuning insbesondere deshalb zu, weil mit einer solchen vom Hersteller nicht freigegebenen Leistungssteigerung nach der Verkehrsanschauung die Gefahr eines übermäßigen und vorzeitigen Verschleißes der Antriebseinheit verbunden ist und ein potenzieller Erwerber des Fahrzeugs bei Kenntnis von einer auch nur zeitweiligen derartigen Leistungssteigerung einen geringeren Kaufpreis zu zahlen bereit ist oder aufgrund der unsicheren technischen Auswirkungen von einem Erwerb insgesamt Abstand nähme …

c) Gegen die Verpflichtung, das Fahrzeug in einem Zustand gemäß Abschnitt VIII Nr. 3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu erhalten, hat die Beklagte verstoßen. Denn sie hat das Fahrzeug vorübergehend mit einem Chiptuning betrieben. Die Beklagte war verpflichtet, das Fahrzeug nach Maßgabe des Leasingvertrages im normalen Gebrauchszustand zurückgeben und war aufgrund der Übernahmevereinbarung mit dem ersten Leasingnehmer L vom 29.07.2007 auch für den Zustand und die Abnutzung verantwortlich, welche in der Zeit des ersten Leasingvertrages entstanden sind.

d) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Landgericht steht fest, dass die Beklagte gegen diese Verpflichtung verstoßen hat. Demnach war das Leasingfahrzeug während der Zeit des Besitzes und Betriebs durch die Beklagte vorübergehend während einer Laufzeit von 9.000–10.000 km mit einer Leistungssteigerung ausgerüstet, die durch Eingriffe in die Steuerung der Motorelektronik bewirkt worden war und vor Rückgabe der Leasingsache an die Leasinggeberin bzw. deren Vertragshändlerin rückgängig gemacht worden ist.

Die Angriffe der Berufung gegen die diesbezüglichen Feststellungen des Landgerichts bleiben erfolglos. Denn es bestehen keine konkreten Anhaltspunkte für Zweifel i. S. von § 529 I Nr. 1 ZPO an den von dem Landgericht im Wege der Beweisaufnahme dazu getroffenen Feststellungen. Die Beweiswürdigung ist geschlossen und wird durch die Berufung nicht erschüttert. Deren Annahme, die Beweiswürdigung durch das Landgericht sei abwegig und schlechthin nicht vertretbar, teilt das Berufungsgericht nicht. Das Landgericht hat sich vielmehr ausführlich und überzeugend mit den Bekundungen der Zeugen auseinandergesetzt und ist unter umfassender Würdigung aller Umstände zu dem Schluss gekommen, dass eine herstellerfremde Leistungssteigerung … während der Laufzeit des Leasingvertrages an diesem Fahrzeug vorgenommen wurde. Dem tritt das Berufungsgericht bei. Maßgeblich hierfür ist neben der Aussage des Zeugen Z insbesondere das Verhalten des Beklagten selbst, der nach einer späteren Übertragung einer aktuellen Motorsteuerungssoftware durch den Vertragshändler eine fehlende Motorleistung des Fahrzeugs bemängelt hat. Soweit sich die Beklagte auf mangelndes Verschulden beruft, ist dies nach den Feststellungen widerlegt, da ihr Geschäftsführer Kenntnis von der Leistungssteigerung hatte.

e) Der Durchsetzung des Anspruchs auf Ausgleich der abnutzungsbedingten Wertminderung steht nicht entgegen, dass die Leasinggeberin im Rahmen der Rücknahme des Fahrzeugs kein Sachverständigengutachten zu einer Wertminderung eingeholt hat. Denn dies ist keine Anspruchsvoraussetzung, sondern dient der Beweiserleichterung. Folglich hat die Klägerin lediglich die beweisrechtlichen Konsequenzen daraus zu tragen, dass Feststellungen über den Umfang eines Schadens nicht getroffen werden konnten.

f) Die Bemessung der Wertminderung gemäß Abschnitt XVI Nr. 3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann im Wege der Schätzung gemäß § 287 II ZPO erfolgen. Sie ist Rechtsanwendung und bedarf ausreichender tatsächlicher Anknüpfungspunkte, die gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Sachverständigen festzustellen sind. Sie darf jedoch nicht vollständig dem Sachverständigen überlassen und auch nicht von den Tatbeständen der Wertminderung abgekoppelt werden, deren Bemessung sie dient. Bei Beachtung dieser Maßstäbe unterliegt die Schätzung aufgrund ihres Prognosecharakters nur einer eingeschränkten Überprüfung.

Die Entscheidung des Landgerichts, den merkantilen Minderwert eines zeitweiligen Chiptunings nach sachverständiger Beratung abstrakt mit 25 % des vereinbarten Restwertes von rund 31.000 € zu bemessen, wird den Anforderungen an eine Schätzung anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls nicht in jeder Hinsicht gerecht und war auf die Berufung der Beklagten abzuändern.

Dabei war zu berücksichtigen, dass das Fahrzeug entgegen der Ankaufsbestätigung des Vertragshändlers vom 10.05.2010 unstreitig keinen reparierten Unfallschaden oder … Mängel aufwies, sondern nach den obigen Feststellungen nur zeitweilig mit einem Chiptuning betrieben worden war. Dieses ist auch bei der hier feststellbaren Laufleistung von 9000-10.000 km während der Leistungssteigerung geeignet, die Dauerhaltbarkeit des Motors und des Antriebsstrang zu beeinträchtigen. Dies hat das Landgericht auf der Grundlage des Gutachtens X zu Recht festgestellt. Nicht berücksichtigt hat das Landgericht hingegen, dass der Sachverständige die Kosten für eine vollständige Erneuerung von Motorteilen und des Antriebsstrangs mit 11.793,20 € netto oder 14.089,20 € brutto kalkuliert hat und dass die von ihm für angemessen erachtete Wertminderung mehr als 50 % der vollständigen Kosten der Erneuerung ausmacht. Eine solche Wertminderung erscheint im Hinblick auf die übliche Laufleistung eines großvolumigen Dieselmotors wie vorliegend, die unter normalen Betriebsbedingungen bei mindestens 200.000 km liegt, unangemessen hoch, weil sie für einen sehr geringen Anteil an der Laufleistung von höchstens 10.000 km bereits 50 % der regelmäßig erst nach langer Laufleistung anfallenden Kosten des vollständigen Austauschs der betroffenen Antriebsteile zubilligt. Für die Bemessung der Wertminderung ist es vielmehr erforderlich, einen angemessenen Bezug zu den voraussichtlichen Reparaturkosten herzustellen. Dabei hat das Berufungsgericht den erhöhten Verschleiß durch die Leistungssteigerung, den das Landgericht auf der Basis des Sachverständigengutachtens zu Recht angenommen hat, berücksichtigt. Dies rechtfertigt eine Bemessung der Wertminderung mit 10 % der kalkulierten Austauschkosten wegen einer Leistungssteigerung während 5 % der üblichen Laufzeit. Der auf der Grundlage der nicht angegriffenen Kalkulation des Sachverständigen X von 14.089,20 € brutto ermittelte Betrag der Wertminderung beläuft sich auf 1408,92 € und war der Klägerin zuzusprechen. Im Übrigen ist die Klage in der Hauptforderung unbegründet.

Die Klageforderung kann insbesondere nicht auf die Differenz zwischen dem vereinbarten Restwert von 31.002,22 € netto und dem Erlös aus der Veräußerung vom 10.05.2010 in Höhe von 22.450,14 € netto gestützt werden, weil der Restwert nach den Vertragsbedingungen nur in dem hier nicht gegebenen Fall vorzeitiger Vertragsbeendigung als Berechnungsgröße gemäß Abschnitt XV der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bedeutung erlangt. Eine Einstandspflicht für die Erzielung des Restwertes unabhängig von übermäßigem Verschleiß des Fahrzeugs bei vollständiger Vertragsbeendigung hat die Beklagte nicht übernommen.

g) Die Einrede der Verjährung ist unbegründet. Die Klägerin macht keinen Schadensersatzanspruch geltend, der in der kurzen Frist des § 548 I BGB verjährt, sondern ihren vertraglich begründeten Anspruch auf die Gegenleistung wegen Mängeln bei Rückgabe. Dieser unterliegt – wie das Landgericht zu Recht entschieden hat – der dreijährigen Regelverjährung aus den §§ 195, 199 BGB und wurde nach Rückgabe des Fahrzeugs im Jahr 2009 durch die im März 2011 zugestellte Klage rechtzeitig gehemmt gemäß § 204 I Nr. 1 BGB

2. … Die Revision wurde zugelassen gemäß § 543 II ZPO, weil die Frage, ob eine Leistungssteigerung eines Leasingsfahrzeugs auch ohne konkret festgestellte Schäden ein über den üblichen Gebrauch hinausgehender, wertmindernder Umstand ist, sich in einer Vielzahl von Fällen stellen kann und – soweit ersichtlich – im Bereich des Leasingrechts bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden ist.

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