Dass jemand – noch dazu als alleiniger Nutzer – sämtliche Steuern und Versicherungsbeiträge für einen Pkw zahlt, belegt ebenso wenig wie die Tatsache, dass er in den Fahrzeugpapieren als Halter vermerkt ist, dass er Eigentümer des Fahrzeugs ist.

LG Coburg, Urteil vom 04.06.2013 – 23 O 246/12

Sachverhalt: Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz, nachdem diese einen angeblich in seinem Eigentum stehenden Pkw veräußert hat.

Der Kläger und die Beklagte waren bis zu ihrer Trennung Anfang des Jahres 2012 Lebensgefährten. Die Beklagte erwartete zu diesem Zeitpunkt ein Kind von dem Kläger, der im Ausland studierte und sich nur sporadisch in Deutschland aufhielt.

Am 18.11.2011 begaben sich der Kläger und die Beklagte zum Autohaus A. Dort wurde ein Kaufvertrag über den streitgegenständlichen Pkw geschlossen. In der Vertagsurkunde ist allein der Kläger als Käufer aufgeführt, und nur er hat den schriftlichen Kaufvertrag auf Käuferseite unterschrieben. Als Adresse des Käufers ist allerdings die damalige Anschrift der Beklagten angegeben.

Mit dem zuständigen Mitarbeiter des Autohauses wurde vereinbart, dass der Wagen auf den Kläger zugelassen, jedoch von der Beklagten abgeholt wird.Am 21.11.2011 überwies der Kläger den Kaufpreis in Höhe von 16.100 € an das Autohaus. Danach begab er sich wieder an seinen Studienort, bis er kurz vor Weihnachten 2011 urlaubsweise nach Deutschland zurückkehrte.

Mit der Zulassung des Fahrzeugs auf den Kläger gab es Schwierigkeiten, weil dessen Personalausweis eine veraltete Anschrift auswies. Seitens des Autohauses wurde deshalb schließlich eine Zulassung des Fahrzeugs auf die Beklagte statt wie vereinbart auf den Kläger veranlasst.

Die Beklagte holte den Pkw am 29.11.2011 beim Autohaus ab und nutzte ihn noch – über das Ende ihrer Beziehung mit dem Kläger hinaus – im Januar 2012, wobei sie sämtliche Steuern und Versicherungsbeiträge zahlte.

Inzwischen hat die Beklagte das Fahrzeug veräußert.

Mit Schreiben seiner Rechtsanwältin vom 11.04.2012 forderte der Kläger die Beklagte erfolglos zur Herausgabe des Pkw unter Fristsetzung bis zum 23.04.2012 auf.

Er hat behauptet, Eigentümer des Fahrzeugs habe von vornherein allein er werden sollen; es sei lediglich vereinbart worden, dass er es der Beklagten bis auf Weiteres zur unentgeltlichen Nutzung überlasse. Er habe der Beklagten nicht gestattet, das Fahrzeug auf sich selbst statt auf ihn, den Kläger, zuzulassen. Dass eine Zulassung auf die Beklagte erfolgt war, habe er erst bemerkt, als er kurz vor Weihnachten 2011 wieder nach Deutschland gekommen sei. Eine Ummeldung des Fahrzeugs habe die Beklagte abgelehnt. Nach der Trennung habe er, der Kläger, die Beklagte mehrfach erfolglos zur Herausgabe des Pkw aufgefordert.

Der Kläger hat zuletzt, nachdem er von der Veräußerung des Fahrzeugs erfahren hatte, im Wesentlichen beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 16.100 € nebst Zinsen zu zahlen.

Dem ist die Beklagte mit der Behauptung entgegengetreten, es sei von Anfang an vereinbart gewesen, dass der Kläger ihr den streitgegenständlichen Wagen schenke und sie Eigentümerin werde. Der Pkw habe ursprünglich nur deshalb auf den Kläger zugelassen werden sollen, weil sie bei dem Besuch im Autohaus keinen Personalausweis mitgeführt habe.

Die Klage hatte Erfolg.

Aus den Gründen: I. … Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch gemäß §§ 990 I, 989, 249, 251 BGB zu.

Nach der durchgeführten Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Veräußerung durch die Beklagte Eigentümer des Pkw war. Das Eigentum ist auf ihn übergegangen, als die Mitarbeiter des Autohauses das Fahrzeug an die Beklagte übergeben haben. Zu diesem Zeitpunkt haben sich beide Seiten auf eine Eigentumsübertragung an den Kläger i. S. des § 929 Satz 1 BGB geeinigt.

Das Gericht sieht als erwiesen an, dass zwischen Kläger und Beklagter von vornherein ein Eigentumserwerb des Klägers vereinbart war. Die von der Beklagten behauptete Schenkung mit der Abrede, dass das Eigentum durch das Autohaus direkt auf sie übertragen werden sollte, gab es nicht. Zwar war die Beklagte als Halterin im Kfz-Brief eingetragen und tatsächlich unmittelbare Besitzerin, sodass ein erster Anschein für ihre Eigentümerstellung spricht. Dieser ist aber aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falls widerlegt.

Der konkret handelnde Mitarbeiter des Autohauses wollte den Wagen an die Beklagte entweder als Besitzdienerin oder Besitzmittlerin übergeben, jedenfalls durch die Übergabe nicht dieser, sondern dem Kläger Eigentum verschaffen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger in der Vertragsurkunde als (alleiniger) Käufer aufgeführt war und ursprünglich auch eine Zulassung des Wagens auf ihn erfolgen sollte. In dieser Situation ist nach der Verkehrssitte zu erwarten, dass die Vertreter des Autohauses den Kläger als ihren Vertragspartner ansehen und demnach die Übergabe zum Zwecke der Übereignung solvendi causa an ihn vornehmen wollen.

Von vornherein war zwischen den Kaufvertragsparteien vereinbart, dass die körperliche Übergabe des Wagens nicht an den zu diesem Zeitpunkt bereits wieder im Ausland weilenden Kläger, sondern an die Beklagte erfolgen sollte. Das Eigentum sollte also nach dem Vorstellungsbild der Vertragsparteien durch Übergabe an die Beklagte auf den Kläger übergehen, diese mithin je nach konkreter interner Abrede zwischen Kläger und Beklagter Besitzdienerin oder Besitzmittlerin sein. Deren Erscheinen am Übergabeort ließ also keine Veränderung der ursprünglichen Abrede erkennen.

Gleiches gilt auch für die nunmehr erteilte Anweisung durch die Beklagte, die Zulassung des Wagens anders als ursprünglich vereinbart auf sich statt auf den Kläger vornehmen zu lassen. Da die eigentlich geplante Zulassung auf ·den Kläger an dessen unzutreffender Anschrift auf dem Personalausweis scheiterte und die Beklagte erst als Reaktion hierauf Zulassung auf sich begehrte, ist äußerlich nicht erkennbar, dass dadurch die Person des Eigentumserwerbers ausgewechselt werden sollte. Die … Bitte, den Wagen auf sie zuzulassen, beruhte erkennbar nicht auf einem geänderten Willen des Käufers, sondern auf unvorhergesehenen formalen Schwierigkeiten.

Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die Beklagte dem zuständigen Mitarbeiter des Autohauses gegenüber sinngemäß angab, sie wolle den Wagen als zukünftige Eigentümerin und nicht als Besitzmittlerin oder Besitzdienerin entgegennehmen. In diesem Fall wäre nach jeder Lebenserfahrung eine Rücksprache mit dem Kläger oder zumindest eine ausführliche schriftliche Dokumentation der insoweit neuen Vereinbarung erfolgt. Das Autohaus hätte sich im Falle einer unzutreffenden Behauptung der Beklagten der Gefahr einer erneuten Inanspruchnahme durch den Kläger ausgesetzt, der weiter Erfüllung bzw. im Falle von deren Unmöglichkeit Schadensersatz verlangen könnte.

Zudem ist das Gericht auch davon überzeugt, dass nach ihrem übereinstimmenden Willen zum Übergabezeitpunkt des Wagens der Kläger und nicht die Beklagte Eigentümerin werden sollte. Die Behauptung der Beklagten, derzufolge der Kläger und sie sich von vornherein auf eine Eigentumserlangung durch sie selbst geeinigt hätten, hält das Gericht durch die entgegenstehende Angabe des Klägers … für widerlegt. Unabhängig davon, ob in diesem Fall nicht sinnvollerweise die Beklagte als Käuferin in der Vertragsurkunde aufgenommen worden wäre, wäre jedenfalls von vornherein eine Zulassung auf die Beklagte beantragt worden. Die Behauptung, wonach die Zulassung ursprünglich auf den Kläger nur deshalb beantragt worden sein soll, weil sie selbst am Tag des Autokaufs ihren Personalausweis nicht mit sich führte, ist wenig wahrscheinlich. Der Autoverkäufer konnte sich an den konkreten Verkaufsvorgang zwar nicht mehr erinnern …. Wie sich alsbald gezeigt hat, ist aber – jedenfalls in dem für den damaligen Wohnsitz der Beklagten zuständigen Landratsamt – nicht einmal die Vorlage des Ausweises im Original für die Zulassung des Wagens erforderlich. Die ohnehin später vorgenommene Zusendung einer Kopie hätte auch gleich vereinbart werden können; einer Aufnahme der Beklagten als Käuferin in die Vertragsurkunde hätte nichts entgegengestanden, wenn die Parteien diese gewollt hätten.

Hinzu kommt, dass die Beklagte dem Gericht in einem andereh Punkt nachweislich die Unwahrheit vorgetragen hat: Durch Einvernahme des Zeugen D hat sich erwiesen, dass dieser selbst den Wagen für 14.800 € in einem Autohaus … gekauft hat und dieses das Fahrzeug zuvor unmittelbar von der Beklagten erworben hatte. Als Unfallfahrzeug war es jedenfalls nicht deklariert; es gibt keine Anhaltspunkte für den von der Beklagten behaupteten Unfall. Am Wahrheitsgehalt der differenzierten und sachlichen Aussage des mit beiden Parteien nicht bekannten Zeugen hat das Gericht keinen Zweifel, zumal ein Motiv zur Falschaussage nicht erkennbar ist und er Kenntnisse … hatte, die nur bei einem tatsächlich durch ihn erfolgten Erwerb erklärbar sind. Die behauptete Veräußerung an unbekannte Osteuropäer für 4.000 € ist damit nicht erfolgt. Wenn die Beklagte dem Gericht gegenüber in dem für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht mal bedeutsamsten Punkt bewusst unwahre Tatsachen behauptet, liegt nicht fern, dass sie in einem anderen, sehr wohl streitentscheidenden Punkt, nämlich die Frage nach einer Vereinbarung einer eventuellen Schenkung, ebenfalls nicht die Wahrheit vorträgt.

Dem stehen die Angaben der Zeuginnen X und Y nicht entgegen. X hat nicht bezeugen können, dass die Beklagte ihr gegenüber von einer Schenkung des Wagens durch den Kläger gesprochen habe. Vielmehr habe sie lediglich gesagt, er habe ihr das Auto „gekauft“. Damit kann durchaus auch gemeint sein, er habe es bezahlt und ihr zur Nutzung überlassen, was unstreitig ja auch der Fall war. Die Zeugin Y, Schwester der Beklagten, hat zwar angegeben, diese habe ihr gegenüber von einer Schenkung gesprochen. Am Wahrheitsgehalt der Aussage hat das Gericht allerdings Zweifel. Wenn die Zeugin angibt, sich noch an den genauen Wortlaut ihrer Äußerung erinnern zu können, die in einer an sich belanglosen Unterhaltung gefallen sein soll, dann erscheint dies bereits fraglich. Vor allem ist die behauptete Ausdrucksweise „er hat das Auto gekauft und es mir geschenkt“, also die Differenzierung zwischen Kauf und Schenkung, für einen juristischen Laien doch eher ungewöhnlich. Zudem ist auch ihrer Angabe nach nicht darüber gesprochen worden, was mit dem Wagen im Falle einer Trennung des Paars geschehen sollte.

Der Umstand, dass die Beklagte unstreitig die Versicherung und die Steuern für das Fahrzeug bezahlte, belegt ebenfalls nicht, dass sie vereinbarungsgemäß Eigentümerin werden sollte. Da sie unstreitig alleinige Nutzerin war, erscheint einer derartige Vereinbarung auch dann plausibel, wenn sie den Wagen leihweise überlassen bekam.

Ist der Kläger unmittelbar durch die Übergabe des Wagens an die Beklagte Eigentümer geworden, so ist er dies bis zur von der Beklagten vorgenommenen Veräußerung geblieben. Ein späterer Übertragungsakt ist auch von der Beklagten nicht behauptet worden.

Die Beklagte war bis zum Januar 2012 aufgrund Leihe berechtigte, danach aber unberechtigte Besitzerin. Das Gericht hält die Angabe des Klägers für erwiesen, er habe nach der Trennung des Paars im Januar 2012 erstmals den Wagen zurückgefordert. Die Beklagte selbst hat in ihrer informatorischen Anhörung angegeben, er habe ihr zu dieser Zeit seine Ansicht mitgeteilt, Eigentümer des Fahrzeugs zu sein. Dann ist lebensnah, dass er den Wagen auch schon zu dieser Zeit und nicht erst durch Anwaltsschreiben im April 2012 zurückgefordert hat.

Die Beklagte war ab Januar 2012 bösgläubig i. S. des § 990 I 1 BGB. Besitz erlangt in diesem Sinne auch, wer sich vom Fremd- zum Eigenbesitzer aufschwingt (BGH, Urt. v. 29.10.1959 – VII ZR 197/58, BGHZ 32, 129 ff.). Dies hat die Klägerin in Kenntnis ihrer fehlenden Berechtigung getan, indem sie trotz ihr bekannter Beendigung des Leiilverhältnisses den Wagen weiter nutzte.

Indem die Beklagte den Wagen zunächst weiter nutzte und dann … übereignete, hat sie das Eigentum des Klägers verletzt. Das Gericht bemisst den Schaden gemäß § 287 ZPO mit 16.100 €,dem vom Kläger entrichteten Kaufpreis. Eine drastische Wertverschlechterung etwa durch einen Verkehrsunfall hat seitdem nicht stattgefunden. Zwar zahlte der Zeuge D im Mai 2012 für den Wagen nur noch 14.800 €. Hier war jedoch ein weiterer Verkaufsvorgang zwischengeschaltet, der sich durchaus wertvermindernd auswirken kann. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass die Wertverminderung auf der inzwischen höheren Laufleistung des Wagens beruht. Für diese ist die Beklagte aber ebenfalls ganz überwiegend zum Schadensersatz verpflichtet, denn auch die Abnutzung während des Zeitraums der unberechtigten Nutzung ist eine schuldhafte Eigentumsverletzung. Dieser Zeitraum überwiegt mit etwa vier Monaten den der berechtigten Nutzung von nur gut einern Monat ganz erheblich. …

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