Dass der Verkäufer eines regelbesteuerten Gebrauchtwagens stillschweigend die Verpflichtung übernommen hat, im Falle einer Umsatzsteuerbefreiung wegen des Exports des Fahrzeugs (§ 4 Nr. 1a, § 6 I Nr. 2 UStG) den auf die Umsatzsteuer entfallenden Kaufpreisanteil an den Käufer zurückzuzahlen, kann nicht schon deshalb angenommen werden, weil der Verkäufer weiß, dass der Käufer das Fahrzeug in das nichteuropäische Ausland exportieren will.

LG Gießen, Beschluss vom 27.05.2013 – 1 S 105/13

Sachverhalt: Der Kläger, der nach seinem Vortrag in der deutschen Botschaft in Ghana tätig ist, erwarb von dem Beklagten ein gebrauchtes Fahrzeug zum Preis von 18.950 €. Dieses Fahrzeug hatte der Kläger, der einen Gebrauchtwagenhandel betreibt, von der G-GmbH angekauft. Ob diese das Fahrzeug als Firmenfahrzeug genutzt oder von einem Privatmann in Zahlung genommen hatte, ist zwischen den Parteien streitig.

Der Beklagte stellte am 01.06.2011 eine Rechnung über den Kaufpreis aus, in der ein Umsatzsteueranteil in Höhe von 3.025,63 € ausgewiesen war. Später korrigierte er diese Rechnung; in der neuen Rechnung, die ebenfalls auf einen Betrag von 18.950 € lautet, fehlt der Umsatzsteuerausweis.

Der Kläger verlangt von dem Beklagten die Rückzahlung von 3.025,63 €. Er behauptet, er habe das Fahrzeug nach Ghana exportiert, und meint, dass deshalb der Verkauf umsatzsteuerfrei sei und der Beklagte – der auch keine Umsatzsteuer abgeführt habe – den entsprechenden Kaufpreisanteil zurückzuzahlen habe. Der Beklagte ist der Ansicht, der Verkauf an den Kläger sei nach § 25a UStG differenzbesteuert. Schon deshalb komme eine Erstattung eines Umsatzsteueranteils in der geltend gemachten Höhe nicht in Betracht. Im Übrigen bestehe auch keine Verpflichtung zur Umsatzsteuererstattung.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung. Das Berufungsgericht hat darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, die Berufung mangels Erfolgsaussicht durch Beschluss nach § 522 II ZPO zurückzuweisen.

Aus den Gründen: II. … Die angefochtene Entscheidung ist im Ergebnis wie auch in der Begründung zutreffend.

Das Amtsgericht hat nicht, wie der Kläger meint, streitigen … Sachvortrag als unstreitig angesehen, indem es davon ausgegangen ist, dass die Veräußerung des Pkw von der G-GmbH an den Beklagten nach § 25a UStG differenzbesteuert war. Die Frage, ob es sich bei diesem Verkauf um einen regelbesteuerten Umsatz nach § 10 I 1 UStG oder um einen differenzbesteuerten Umsatz nach § 25a UStG handelt, ist nicht tatsächlicher Natur. Es handelt sich vielmehr um eine Rechtsfrage. Streitig ist zwischen den Parteien, ob der Pkw von der G-GmbH neu erworben und als Firmenfahrzeug genutzt worden ist oder ob die G-GmbH das Fahrzeug von einer Privatperson angekauft hat. Insoweit enthalten aber weder der Tatbestand noch die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils irgendwelche Ausführungen. Überdies ist das Amtsgericht gerade nicht davon ausgegangen, dass die Veräußerung an den Beklagten nach § 25a UStG differenzbesteuert war. Wie sich den Ausführungen … entnehmen lässt, hat das Amtsgericht diese Frage ausdrücklich offengelassen.

Die Auffassung des Klägers, der Beklagte sei vertraglich zur Rückzahlung des auf die Umsatzsteuer gezahlten Kaufpreisanteils verpflichtet, weil die Veräußerung des Pkw vom Beklagten an den Kläger gemäß § 4 Nr. 1a, § 6 I Nr. 2 UStG umsatzsteuerfrei sei, ist unzutreffend. Zwar ist es möglich, dass sich der Verkäufer einer regelbesteuerten Ware auf Ersuchen des exportwilligen Käufers dazu bereit erklärt, den Umsatzsteueranteil (bzw. eine hierfür in gleicher Höhe hinterlegte Sicherheit) unter gewissen Voraussetzungen an den Käufer zurückzuzahlen. Dass der Beklagte gegenüber dem Kläger ausdrücklich erklärt hat, den Umsatzsteueranteil an den Kläger zurückzuzahlen, behauptet der Kläger jedoch nicht. Er trägt lediglich vor, dass seine Absicht, das Fahrzeug in das außereuropäische Ausland auszuführen, für den Beklagten erkennbar gewesen sei, weil er eine Anschrift in Ghana als Wohnanschrift angegeben habe. Zudem habe ihm der Beklagte mitgeteilt, dass auf der Rechnung Umsatzsteuer ausgewiesen werden könne. Dies reicht für eine (stillschweigende) Steuerrückzahlungszusage nicht aus. Die Rückzahlungszusage wird vom Verkäufer eines Fahrzeugs, das vom Käufer nicht auf eigener Achse ausgeführt werden soll, naturgemäß an die Bedingung geknüpft, dass der Käufer dem Verkäufer die für den Ausfuhrnachweis nach § 8 I, § 9 I UStDV erforderlichen Belege im Original (vgl. Abschn. 131 IV 3 UStR 1992) übergibt (vgl. Abschn. 131 II 3 UStR 1992) und zudem – durch Vorlage eines Ausweispapiers – gegenüber dem Verkäufer nachweist, dass er ausländischer Abnehmer i. S. von § 6 II UStG ist. Der Ausfuhrnachweis sowie die buchmäßige Dokumentation der Lieferung an einen ausländischen Abnehmer ins Ausland sind materiell-rechtliche Voraussetzungen für die Steuerbefreiung (vgl. BFH, Urt. v. 28.02.1980 – V R 118/76, juris). Der Verkäufer wird also von seiner Steuerpflicht nur dann frei, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind. Er übernimmt mithin bei einer Rückzahlungszusage faktisch das wirtschaftliche Risiko, dass die Finanzbehörden den Verkauf als Ausfuhrlieferung nach § 6 UStG anerkennen. Zur Übernahme dieses Risikos ist nicht jeder Verkäufer bereit. Deshalb sind unter Berücksichtigung der Interessen des Verkäufers strenge Anforderungen an eine Rückzahlungszusage zu stellen. Keinesfalls kann bei jedem Verkauf einer regelbesteuerten Ware an einen Käufer, der seinen Wohnsitz im außereuropäischen Ausland hat, eine (konkludente) Rückzahlungszusage angenommen werden, selbst wenn der Verkäufer weiß, dass der Käufer die Ware in das nichteuropäische Ausland ausführen will. Vielmehr ist für eine solche Zusage regelmäßig eine ausdrückliche Erklärung des Verkäufers erforderlich, die hier jedoch … nicht abgegeben worden ist.

Der Kläger kann den geltend gemachten Anspruch auch nicht mit Erfolg auf § 812 I 1 BGB stützen. Der Kläger hat den auf die Umsatzsteuer entfallenden Kaufpreisanteil nicht ohne Rechtsgrund an den Beklagten gezahlt. Rechtsgrund für die Leistung ist der zwischen den Parteien geschlossene Kaufvertrag. Wie der Kläger selbst vorträgt, haben sich die Parteien auf einen „Preis von 18.950 € einschließlich Umsatzsteuer“, mithin auf einen Bruttobetrag geeinigt. Dieser Rechtsgrund besteht fort.

Ein bereicherungsrechtlicher Anspruch des Kläger besteht auch nicht deshalb, weil der Beklagte aus dem Fahrzeugverkauf nach eigenem Vortrag lediglich die Umsatzsteuer auf die Kaufpreisdifferenz bzw. nach Klägervortrag überhaupt keine Umsatzsteuer an die Finanzbehörden abgeführt hat, obwohl er nach Auffassung des Klägers Umsatzsteuer in Höhe von 3.025,63 € hätte abführen müssen. Selbst wenn die Ansicht des Klägers zuträfe und der Beklagte den angefallenen Umsatzsteuerbetrag von 3.025,63 € nicht abgeführt hätte, wäre der Beklagte nicht i. S. von § 812 I 1 BGB in sonstiger Weise auf Kosten des Klägers bereichert. Es fehlt am erforderlichen Eingriff in den Zuweisungsgehalt einer Rechtsposition des Klägers. Die Steuerpflicht besteht gegenüber dem Staat und hat mit dem Vertragspartner des umsatzsteuerpflichtigen Rechtsgeschäfts nichts zu tun. Sollte der Beklagte seine aus dem Fahrzeugverkauf resultierende Steuerpflicht tatsächlich nicht erfüllt haben, hätte dies keine wirtschaftliche Schlechterstellung des Klägers zur Folge gehabt.

Schließlich hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Beklagten gemäß § 280 I BGB. Es fehlt bereits an der Verletzung einer vertraglichen (Neben-)Pflicht.

Da der Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet war, dem Kläger eine Umsatzsteuererstattung anzubieten, war das Unterlassen dessen auch nicht pflichtwidrig. Wie bereits ausgeführt, ist ein Verkäufer darin frei, mit dem Käufer zu vereinbaren, einen umsatzsteuerlichen Vorteil, der aus einem Exportgeschäft erwächst, an den Käufer weiterzugeben oder aber die Umsatzsteuer an den Fiskus abzuführen.

Sollte der Vortrag des Klägers, er hätte vom Vertragsabschluss Abstand genommen, wenn ihm der Beklagte gesagt hätte, dass das Fahrzeug differenzbesteuert ist, so zu verstehen sein, dass er sich hilfsweise den Vortrag des Beklagten zu den Umständen des Erwerbs des Fahrzeugs durch die G-GmbH zu eigen machen und dem Beklagten vorwerfen will, seine vorvertraglichen Auskunftspflichten verletzt zu haben, führt dies ebenfalls nicht zu einem Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe des Umsatzsteueranteils. Zwar hat der Beklagte in diesem Fall seine vorvertraglichen Pflichten verletzt, indem er erklärt hat, das Fahrzeug sei regelbesteuert, obwohl es tatsächlich der Differenzbesteuerung unterlag. Auch ist anerkannt, dass der Vertragspartner in einem solchen Fall grundsätzlich am Vertrag festhalten und den entstandenen Vertrauensschaden liquidieren kann (vgl. BGH, Urt. v. 28.03.1990 – VIII ZR 169/89, juris). Allerdings ist dem Kläger durch die Pflichtverletzung kein kausaler Vertrauensschaden entstanden. Nach der Differenzhypothese sind der Vermögenszustand, der unter Berücksichtigung der schädigenden Handlung besteht, und der hypothetische Zustand ohne die schädigende Handlung zu vergleichen. Tatsächlich hat der Kläger ein Fahrzeug im Wert von 18.950 € gegen Zahlung dieses Betrags erworben, sodass sein Vermögen eine Haben-Position in dieser Höhe aufweist. Damit steht er sich wirtschaftlich nicht schlechter, als wenn er bei richtiger Auskunft über die Besteuerung vom Fahrzeugkauf Abstand genommen hätte und der als Kaufpreis gezahlte Betrag noch seinem Vermögen zuzurechnen wäre. Dass er in diesem Fall ein anderes Fahrzeug mit Umsatzsteuerausweis erworben und mit dem Verkäufer eine Vereinbarung über die Erstattung der Umsatzsteuer getroffen hätte, sodass er sich um den Umsatzsteuerbetrag günstiger stehen würde, behauptet der Kläger nicht. Zwar ist es denkbar, dass sich der Kläger nach einem solchen Fahrzeug umgesehen hätte, wenn der Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs gescheitert wäre. Ob ihm ein gleichartiges, regelbesteuertes Fahrzeug auch angeboten worden wäre, ist jedoch völlig offen. Zudem gibt es angesichts dessen, dass der Kläger mit dem Beklagten keine Vereinbarung über eine Umsatzsteuererstattung getroffen hat, keine Anhaltspunkte dafür, dass er mit einem anderen Verkäufer eine solche Abrede getroffen und damit einen Anspruch auf Rückerstattung der Umsatzsteuer erworben hätte. …

Hinweis: Die Berufung wurde durch Beschluss vom 26.06.2013 zurückgewiesen.

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