Zur Frage, nach welchen Gesichtspunkten die Höhe des Wertverlustes eines Kraftfahrzeugs gerichtlich zu schätzen ist, das nach zeitweiser Benutzung durch den Käufer vom Verkäufer aufgrund eines Vergleichs gegen ein neues Fahrzeug ausgetauscht worden ist.

BGH, Urteil vom 22.06.1983 – VIII ZR 91/82

Sachverhalt: Der Beklagte hat am 07.08.1978 bei F einen von der Klägerin hergestellten Pkw Opel Senator CD zum Preis von 40.543 DM gekauft. Das Fahrzeug wurde am 02.03.1979 geliefert und bezahlt; der Beklagte hat damit bis zum 27.08.1980 24.000 km zurückgelegt.

In dieser Zeit hat der Kläger wiederholt Mängel gerügt und deren Beseitigung verlangt. Das Fahrzeug ist mehrfach in der Werkstatt gewesen, unter anderem wurde kostenlos ein neuer Motor eingebaut.

Bezüglich der Berechtigung verschiedener Beanstandungen des Beklagten gab es Meinungsverschiedenheiten. Am 27.08.1980 einigten sich F und der Beklagte darauf, dass der Beklagte das Fahrzeug zurückgibt, eine Nutzungsentschädigung zahlt und im Austausch einen neuen Opel Senator CD erhält. Der Beklagte bekam das neue Fahrzeug. Statt der von F geforderten Nutzungsvergütung in Höhe von 9.730,23 DM – das entspricht 1 % des Kaufpreises pro 1.000 km – zahlte er 2.500 DM, weil er eine Nutzungsentschädigung von 0,25 % des Kaufpreises pro 1.000 km für angemessen hält.

F hat die nach ihrer Meinung berechtigte Restforderung (7.230,32 DM) an die Klägerin abgetreten, die diesen Betrag zuzüglich 14 % Zinsen und Mehrwertsteuer auf die Zinsen eingeklagt hat.

Das Landgericht hat der Klägerin 7.100 DM sowie 4 % Zinsen und Mehrwertsteuer auf die Zinsen zugesprochen. Die Berufung des Beklagten war erfolglos. Auf ihre Anschlussberufung hat das Oberlandesgericht der Klägerin insgesamt 14 % Zinsen zuerkannt. Die Revision des Beklagten führte zur Aufhebung des Urteils des Oberlandesgerichts und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Aus den Gründen: I. Die Firma F und der Beklagte haben am 27.08.1980 eine Vereinbarung getroffen, die alle Merkmale eines Vergleichs (§ 779 BGB) trägt. Der Streit und die Ungewissheit darüber, ob und welche Gewährleistungsansprüche noch bestünden, ist dadurch beseitigt worden, dass die Firma F das am 02.03.1979 gelieferte Fahrzeug gegen ein neues vom selben Typ austauschte und der Beklagte versprach, die Benutzung des „alten“ Wagens in der Zeit vom 02.03.1979 bis 27.08.1980, in der er 24.000 km zurückgelegt hat, zu vergüten. Darüber besteht kein Streit. Umstritten ist allein, ob der Beklagte eine Nutzungsvergütung schuldet, die über den gezahlten Betrag von 2.500 DM hinausgeht.

II. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Nutzungsentschädigung sei nach § 287 ZPO zu schätzen. Wegen der für eine Schätzung maßgeblichen Anhaltspunkte hat es sich den Standpunkt des Landgerichts zu eigen gemacht, der Erwägungen des OLG Hamm im Urteil vom 20.03.1980 (27 U 201/79, DAR 1980, 285) folgt, auf die noch zurückzukommen sein wird. Die Vorinstanz hat hinzugefügt, für diese Schätzung gelte der Grundsatz, die Nutzungsentschädigung müsse um so höher liegen, je teurer der Kaufpreis des Fahrzeugs sei, denn es bedürfe keiner Ausführung, dass der Nutzungswert eines Luxuswagens wesentlich höher anzusetzen sei als der eines billigeren Autos.

Die Werkstattfahrten, die wegen der Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs notwendig geworden seien, hätten nur dann zu einem Abzug bei der Entschädigung führen können, wenn der Beklagte die entsprechende Kilometerleistung konkret genug angegeben hätte. Dies sei indessen nicht geschehen.

Als unerheblich hat die Vorinstanz schließlich den Einwand des Beklagten angesehen, bei einer Berechnungsmethode, wie sie Klägerin und Landgericht vorgenommen hätten, würde der Wert des Fahrzeugs bereits nach einer Fahrleistung von 100.000 km durch Nutzungsvergütung ausgeglichen werden, während es tatsächlich eine weit höhere Fahrleistung, nämlich 200.000 km, erbringe. Der Anspruch auf Nutzungsentschädigung und seine Berechnung, hat das Berufungsgericht gemeint, seien unabhängig von der Frage, wann die Nutzungsentschädigung den Kaufpreis erreiche.

III. Das angefochtene Urteil hält den Revisionsangriffen nicht in allen Punkten stand.

1. Anspruchsgrundlage für das von der Klägerin – aus abgetretenem Recht – geltend gemachte Zahlungsbegehren ist der von den Kaufvertragsparteien geschlossene Vergleich. Darin ist die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung dem Grunde nach festgelegt worden. Beide Partner des Kaufvertrags haben ferner einen Hundertsatz vom Kaufpreis zu je 1.000 km Fahrleistung des Wagens in Beziehung gesetzt, um die Höhe der Nutzungsvergütung zu ermitteln, und sind schließlich, wie ihr Vorbringen im Rechtsstreit zeigt, auch darüber einig gewesen, der Berechnung der Nutzungsvergütung solle entsprechend dem Sinn und Zweck der Vereinbarung ein objektiv angemessener Prozentsatz vom Kaufpreis pro 1.000 km Fahrleistung zugrunde gelegt werden.

2. Die Vertragsparteien haben die vom Beklagten geschuldete Ausgleichszahlung als Nutzungsvergütung bezeichnet. Die von ihnen gewählte Berechnungsmethode legt indessen die Annahme nahe, sie hätten den Ausgleich des Wertverlustes im Sinn gehabt. Wird nämlich ein Hundertsatz des Kaufpreises, das heißt des Geldwertes des Fahrzeugs, zu seiner Fahrleistung, mithin zur Abnutzung in Beziehung gesetzt, so läuft das auf die Festsetzung eines linearen Abschreibungssatzes hinaus. Der Umstand, dass der Beklagte aufgrund des Vergleichs für das gebrauchte Fahrzeug einen neuen Wagen erhalten hat, lässt einen Ausgleich „neu für gebraucht“ im vorliegenden Fall als nach beiden Seiten interessengerecht erscheinen.

Unter diesen Umständen braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden, ob der in Literatur und in der Rechtsprechung der Instanzgerichte vertretene Standpunkt zutrifft, der durch die Benutzung des Fahrzeugs eingetretene Wertverlust ergebe generell einen zuverlässigen Maßstab für die Bemessung der Gebrauchsvorteile, welche der Käufer dem Verkäufer bei der Rückabwicklung eines Kraftfahrzeugkaufs, sei es nach erfolgter Anfechtung, sei es aufgrund Rücktritts nach den Vorschriften des Abzahlungsgesetzes oder aufgrund erfolgreicher Wandelung zu erstatten habe (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 1979, Rn. 340; OLG Hamm, Urt. v. 20.03.1980 – 27 U 201/79, DAR 1980, 285 m. w. Nachw.; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 21.07.1980 – 17 U 164/79, VersR 1981, 388; Urt. v. 17.12.1980 – 17 U 105/80, DAR 1981, 219).

3. Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es mithin darauf an, ob der von der Klägerin angewandte Hundertsatz – 1 % vom Kaufpreis pro 1.000 km Fahrleistung – angemessen ist, was der Beklagte unter Hinweis auf den nach seiner Meinung zutreffenden Satz von 0,25 % pro 1.000 km Fahrleistung bestritten hat.

a) Das Berufungsgericht hat sich insoweit, wie bereits erwähnt (oben II), die Erwägungen des Landgerichts zu eigen gemacht, welches sich seinerseits auf Ausführungen des OLG Hamm in dem schon zitierten Urteil vom 20.03.1980 bezogen hat. Das OLG Hamm definiert den Wertverlust eines Fahrzeugs (und die Gebrauchsvorteile) durch einen gleichbleibenden Abschreibungssatz, der aus den Faktoren Kaufpreis, durchschnittliche Lebensdauer und durchschnittlicher Fahrleistung errechnet wird. Unter Aufgabe früherer Rechtsprechung (Urt. v. 08.07.1970 – 20 U 43/70, NJW 1970, 2296), die ganz allgemein von einem Abschreibungssatz von 0,10 DM pro Kilometer für alle Fahrzeuge ausging, differenziert es nunmehr je nach dem, ob der Kaufpreis (Verkehrswert) eines Fahrzeugs bis zu 12.000 DM beträgt oder diesen Betrag übersteigt. Bei einem Fahrzeugwert von mehr als 12.000 DM, diesen auf volle 1.000 DM abgerundet, gelangt es zu einer Nutzungsvergütung von 1/100.000 des Fahrzeugwertes pro Kilometer (OLG Hamm, Urt. v. 20.03.1980 – 27 U 201/79, DAR 1980, 285, 287).

Andere Oberlandesgerichte wenden mit Differenzierungen vor allem in der angenommenen Lebensdauer der Fahrzeuge diese Berechnungsmethode im Prinzip ebenfalls an (vgl. OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 09.07.1969 – 11 U 11/69, NJW 1969, 1967; Urt. v. 21.07.1980 – 17 U 164/79, VersR 1981, 388; Urt. v. 17.12.1980 – 17 U 105/80, DAR 1981, 219; OLG Karlsruhe, Urt. v. 07.10.1971 – 4 U 114/70, VersR 1973, 471; KG, Urt. v. 10.01.1980 – 22 U 2685/79, DAR 1980, 245).

b) Haben Verkäufer und Käufer sich – wie hier – im Wege eines Vergleichs darauf geeinigt, der Wertverlust des vom Käufer gefahrenen – und dann durch einen neuen ausgetauschten – Wagens solle unter Zugrundelegung eines linearen Abschreibungssatzes ermittelt werden, so kommt es entscheidend allein auf zwei Werte an: den Wert des Fahrzeugs (Kaufpreis) und die von diesem Fahrzeugtyp bei normalen Gebrauchsanforderungen zu erwartende Gesamtfahrleistung.

Der Kaufpreis linear verteilt auf die Gesamtfahrleistung ergibt den Abschreibungsbetrag pro gefahrenen Kilometer. Kostet der Opel Senator 40.500 DM und beträgt die zu erwartende Gesamtfahrleistung bei diesem Fahrzeugtyp 100.000 km, so ergibt das eine Abschreibung von – aufgerundet – 0,41 DM pro Kilometer. Beträgt die zu erwartende Gesamtfahrleistung dagegen 200.000 km, wie der Beklagte geltend gemacht hat, so ergäbe sich eine Abschreibung von 0,20 DM pro Kilometer. Im zuerst genannten Fall müsste der Beklagte einen Wertverlust von 9.840 DM \(({\frac{40.500}{100.000}}\times24.000)\), im zweiten Fall einen Wertverlust von 4.800 DM \(({\frac{40.500}{200.000}}\times24.000)\) ausgleichen.

Dass, wie die Revision geltend macht, die Kilometervergütung nicht vom vollen Wert (= Kaufpreis) des Fahrzeugs auszugehen hat, sondern mit Rücksicht auf die vom Beklagten behaupteten Mängel von einem entsprechend geminderten Wert, kann dem Vergleich, der gerade dazu diente, den Streit über die angeblichen Mängel zu beenden, nicht entnommen werden. Dementsprechend hat der Beklagte die von ihm für richtig gehaltene Kilometervergütung von 0,10 DM auch selbst vom vollen Wert des Wagens berechnet und in den Tatsacheninstanzen lediglich geltend gemacht, die erforderlichen „Werkstattfahrten“ seien von der Gesamtfahrstrecke abzuziehen.

c) Welche Gesamtfahrleistung ein Fahrzeug vom Typ Opel Senator im Allgemeinen erreicht, hat das Berufungsgericht selbst nicht festgestellt, sondern hat, der Entscheidung des OLG Hamm vom 20.03.1980 (27 U 201/79, DAR 1980, 285) folgend, einen Wert von 100 000 km angenommen. Abgesehen davon, dass eine Gesamtfahrleistung von 100.000 km nach allgemeiner Lebenserfahrung insbesondere bei Fahrzeugen von hohem Gebrauchswert zu niedrig angesetzt sein dürfte (vgl. Reinking/Eggert, a. a. O, Rn. 343; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 21.07.1980 – 17 U 164/79, VersR 1981, 388; Urt. v. 17.12.1980 – 17 U 105/80, DAR 1981, 219), fehlt es selbst für eine Schätzung gemäß § 287 ZPO an gesicherten und allgemein zugänglichen Erkenntnissen darüber, ob überhaupt für alle auf dem Markt befindlichen Fahrzeuge – vom Kleinwagen über die Abstufungen der Mittelklasse bis zu den Luxusfahrzeugen – ein einheitlicher Durchschnittswert für die zu erwartende Gesamtfahrleistung angenommen werden darf. Gerade bei Fahrzeugen der gehobenen Klasse und der Luxusklasse dürfte die Annahme einer Gesamtfahrleistung von 100 000 km an der Wirklichkeit vorbeigehen.

Müßte der Bemessung des Wertverlustes bzw. der Gebrauchsvorteile eine voraussichtliche Gesamtfahrleistung von 150 000 km zugrunde gelegt werden, wie das OLG Frankfurt am Main gemeint hat (Urt. v. 21.07.1980 – 17 U 164/79, VersR 1981, 388; Urt. v. 17.12.1980 – 17 U 105/80, DAR 1981, 219), so würde dies im vorliegenden Falle bedeuten, dass der Beklagte einen Wertverlust von insgesamt \(({\frac{40.500}{150.000}}\times24.000=)\) 6.480 DM vergüten, mithin nur noch 3.980 DM zu zahlen hätte.

4. Das angefochtene Urteil konnte danach keinen Bestand haben.

In der anderweiten Verhandlung wird mithilfe von Sachverständigen zu klären sein, von welcher Gesamtfahrleistung nach dem Stand der Herstellungstechnik bei einem Pkw Opel Senator ausgegangen werden kann.

Da die Sache anderweit verhandelt werden muss, hat der Beklagte Gelegenheit, zur Höhe des der Klägerin aus abgetretenem Recht zustehenden Zinsanspruchs Ausführungen zu machen.

IV. Da der endgültige Erfolg oder Misserfolg des Rechtsmittels vom Ergebnis der anderweiten Verhandlung und Entscheidung abhängt, war dem Berufungsgericht auch die Entscheidung über die Kosten der Revision vorzubehalten.

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