Ein unter Mitwirkung eines gewerblichen Kfz-Verkäufers zustande gekommener Darlehensvertrag unterliegt im Regelfall nicht den Vorschriften über Fernabsatzverträge, wenn der Verkäufer mit dem Finanzdienstleister in dauernden Geschäftsbeziehungen steht, er personenbezogene Daten vom Darlehensnehmer erfragt, diese in einem automatisierten Verfahren an den Finanzdienstleister überträgt, und der Verkäufer in der Lage ist, elementare Fragen zum Darlehensvertrag mit dem Darlehensnehmer zu erörtern.

OLG Saarbrücken, Urteil vom 14.08.2014 – 4 U 120/13

Sachverhalt: Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einem Darlehensvertrag auf Zahlung in Anspruch.

Die Klägerin gewährte der Beklagten 2008 ein Darlehen über 16.300 €, um ihr den Kauf eines Pkw bei der Firma F in O. zu ermöglichen. Das Darlehen sollte in 35 Monatsraten zu je 205,44 € sowie einer Schlussrate von 12.000 € zurückgezahlt werden. Die Monatsraten zahlte die Klägerin bis zum Januar 2011 ordnungsgemäß.

Mit Schreiben vom 12.01.2011 widerrief sie dann den Kreditvertrag und den Kfz-Kaufvertrag. Sie stellte die Zahlungen ein, forderte die Klägerin zur Abholung des Fahrzeugs auf und verlangte die Rückzahlung aller bereits geleisteten Beträge, wobei sich die Beklagte eine Nutzungsentschädigung von 4.178,10 € anrechnen ließ.

Die Klägerin holte das von der Beklagten erworbene Fahrzeug am 14.06.2011 von ihr zurück. Es wurde anschließend zu einem Betrag von 5.000 € entsprechend einem zuvor geschätzten Händlereinkaufswert verwertet.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass der Widerruf verspätet erklärt worden sei. Unter Berücksichtigung des Verwertungserlöses nimmt sie die Beklagte aus dem Darlehensvertrag auf Zahlung von noch 9.762,65 € nebst Zinsen in Anspruch.

Die Beklagte hat zuletzt widerklagend die Zahlung von 344,97 € nebst Zinsen verlangt. Sie hat gemeint, dass die Klägerin dadurch, dass sie das Fahrzeug zurückgeholt habe, konkludent ihr Einverständnis mit der Rückabwicklung des Darlehensvertrags zu den von ihr, der Beklagten, gestellten Bedingungen erklärt habe. Zwischen dem 01.02.2011 und dem 14.06.2011 habe sich die Klägerin in Annahmeverzug befunden und müsse ihr, der Beklagten, deshalb Stellplatzgebühren (273,33 €) und anteilige Versicherungskosten (71,64 €) ersetzen.

Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage und verfolgt die Widerklage weiter. Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: II. … A. Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg, da die angefochtene Entscheidung weder auf einem Rechtsfehler beruht, noch die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine für die Beklagte günstigere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 I ZPO).

1. Der Klägerin steht der vom Landgericht zugesprochene Zahlungsanspruch gemäß § 488 I 2 BGB zu. Hierbei ist festzuhalten, dass die Beklagte keine Einwendungen gegen die auf der Grundlage eines wirksamen, unwiderrufenen Kreditvertrags berechnete Klageforderung erhoben hat.

2. Entgegen der Auffassung der Berufung kann die Frage nach der Wirksamkeit des Widerrufs nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften nicht deshalb dahinstehen, weil sich die Parteien verbindlich über die Rückabwicklung des Kreditvertrags geeinigt hätten. Eine diesbezügliche rechtsgeschäftliche Einigung hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung frei von Rechtsfehlern verneint:

a) Ein explizit auf die einvernehmliche Rückabwicklung des Kreditvertrages gerichteter Antrag liegt nicht vor:

aa) Der mit Schreiben der Beklagten vom 12.01.2011 ausgeübte Widerruf stellt eine einseitige rechtsgeschäftliche Erklärung dar, die nicht darauf gerichtet war, von der Klägerin zum Zwecke eines Vertragsschlusses angenommen zu werden.

bb) Ebenso wenig zielte das mit Schreiben vom 02.05.2011 erklärte Einverständnis der Klägerin mit der Abmeldung des Fahrzeugs darauf ab, eine Einigung über die Rechtswirksamkeit des Widerrufs herbeizuführen. Im Wortlaut stellt der Verfasser des Schreibens klar heraus, dass er das Einverständnis ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz für das weitere Verfahren erkläre. Diesem Wortlaut ist nicht der Erklärungsgehalt beizumessen, dass die Klägerin gewissermaßen konkludent mit ihrem Einverständnis einen Antrag auf einvernehmliche Rückabwicklung des Darlehens verbinden wollte.

b) Auch auf die gescheiterten Vergleichsverhandlungen über die Rückabwicklung der miteinander verbundenen Verträge kann die Beklagte ihre Rechtsposition nicht stützen. In der vorprozessualen Korrespondenz konnte eine rechtsgeschäftliche Einigung über eine einvernehmliche Rückabwicklung gerade nicht erzielt werden:

aa) Während die Klägerin der Beklagten im Schreiben vom 13.05.2011 anbot, die Rückabwicklung unter Rücknahme des Fahrzeugs und Zahlung weiterer rund 3.000 € zu vollziehen, bestand die Beklagte darauf, ihrerseits eine Zahlung von 1.795,37 € zu erhalten. An diesen unterschiedlichen Vorstellungen hielten beide Parteien bis zum Abbruch der Vergleichsbemühungen fest, weshalb nach den zu §§ 145 ff. BGB anerkannten Rechtsgrundsätzen eine vertragliche Einigung nicht zustande kam.

bb) Entgegen der Auffassung der Berufung besitzt die Rücknahme des Pkw nicht den konkludenten Erklärungsgehalt eines rechtsgeschäftlichen Einverständnisses mit der Abwicklung des Kreditvertrags:

Der Rücknahme des Fahrzeugs ging das Schreiben der Klägerin vom 01.06.2011 voraus. In diesem Schreiben vertrat die Klägerin ihre bereits zuvor geäußerte Rechtsauffassung und forderte die Beklagte allein unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht zur Herausgabe des Pkw auf. Damit wird aus Sicht der Adressatin – der Beklagten – hinreichend klar, dass die Klägerin mit der Annahme des Pkw keine rechtsgeschäftlichen Erklärungen verbinden wollte, sondern an ihrer schon zuvor geäußerten Rechtsmeinung festhielt.

cc) Diesem Verständnis steht nicht entgegen, dass die Klägerin mit Schreiben vom 06.03.2012 vorsorglich die Anfechtung erklärte, „soweit (die) Erklärungen als Anerkenntnis ihrer entgegenstehenden Rechtsauffassung verstanden werden konnten“. Diese Anfechtung geschah ersichtlich aus Vorsicht zur Vermeidung rechtlicher Risiken. Das Nachverhalten ist nicht geeignet, den zuvor abgegebenen Willenserklärungen einen Erklärungsgehalt beizumessen, der diesen Erklärungen aus der damaligen Sicht der Beklagten nicht zukam.

c) Es ist der Beklagten zuzugestehen, dass das Vergleichsangebot der Klägerin auf der Vorstellung beruhte, dass der Widerruf des Kreditvertrags unter Beachtung der Rechtsprechung des 8. Zivilsenats des OLG Saarbrücken (Urt. v. 12.08.2010 – 8 U 347/09) wirksam gewesen sei. Es erscheint daher nicht fernliegend, eine diesbezügliche gemeinsame Vorstellung beider Vertragsparteien als Geschäftsgrundlage i. S. des § 313 BGB anzusehen. Diese rechtliche Qualifikation verhilft der Berufung indessen nicht zum Erfolg, da der Vertrag, dessen Geschäftsgrundlage die Vorstellung über die Wirksamkeit des Widerrufs gewesen sein mag, nie zustande gekommen ist. Entgegen der Auffassung der Berufung kann den rechtsgeschäftlichen Erklärungen nicht entnommen werden, dass sich die Parteien unabhängig vom rechtlichen Schicksal der Rückabwicklungsvereinbarung isoliert und rechtsverbindlich darauf verständigten, die Geschäftsgrundlage des Vergleichs – die Vorstellung von der Wirksamkeit des Widerrufs – jedem künftigen Streit zu entziehen.

d) Schließlich liegen die Voraussetzungen einer rechtsmissbräuchlichen Aufgabe des vorprozessualen Rechtsstandpunktes nicht vor: Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte im Vertrauen auf die Aufrechterhaltung des Rechtsstandpunkts Vermögensdispositionen getroffen hat, weshalb ein schutzwürdiges Interesse der Beklagten an der Aufrechterhaltung des Vertrauenstatbestandes bestünde (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Aufl., § 242 Rn. 56).

3. Damit hängt der Erfolg des Rechtsmittels davon ab, ob die Beklagte den Widerruf nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen am 12.01.2011 noch fristgerecht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 355 I BGB in der bis zum 10.06.2004 geltenden Fassung (im Folgenden: BGB a.F.) erklärte. Dies hat das Landgericht im Ergebnis zutreffend verneint.

a) Die Beklagte macht geltend, dass der Kreditvertrag den Vorschriften des Fernabsatzvertrags unterliege (sei es über eine direkte Anwendung des § 312d I BGB a.F. oder über die gesetzliche Verweisung nach § 312d V 2 BGB a.F.). Da – so die rechtliche Argumentation der Beklagten – die Klägerin bei der Widerrufsbelehrung von den Mustern des § 14 BGB-InfoV abgewichen sei (dazu sogleich), seien die Vorgaben des § 14 IV BGB-InfoV zu beachten, wonach in der Widerrufsbelehrung die ladungsfähige Anschrift des Unternehmers anzugeben sei. Diesen Anforderungen habe die Klägerin durch die Angabe einer Postfachadresse nicht genügt, weshalb die Widerrufsfrist des § 355 I BGB a.F. vor Ausspruch des Widerrufs nicht zu laufen begonnen habe.

b) Bereits im rechtlichen Ausgangspunkt ist der Berufung nicht zu folgen: Der streitgegenständliche Kreditvertrag ist kein Fernabsatzvertrag i. S. von § 312b BGB in der bis zum 22.02.2011 geltenden Fassung:

aa) Fernabsatzverträge sind Verträge, die unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden (§ 312b I BGB). Demnach liegt ein Fernabsatzvertrag nicht vor, wenn zumindest eine der zum Vertragsschluss führenden Erklärungen in anderer Form übermittelt worden ist. Davon ist auszugehen, da der Kreditantrag vom 24.11.2008 der Beklagten in den Räumen der Firma F von dem Zeugen K persönlich übergeben wurde.

bb) Dem steht nicht entgegen, dass der Kreditantrag nicht unterschrieben war und er infolgedessen dem Schriftformerfordernis des § 492 I 1 BGB nicht genügte. Gemäß § 492 I 2 BGB bedarf die Erklärung des Darlehensgebers keiner Unterzeichnung, wenn sie mithilfe einer automatischen Einrichtung erstellt worden ist. Diese rechtliche Option hat die Klägerin genutzt: Die Klägerin hat mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 19.08.2013 im Einzelnen dargelegt, dass die Ausfertigung des Kreditvertrages unter Einsatz einer EDV-Verbindung (dem sog. Rata@net) in einem automatisierten Verfahren erstellt wurde. Diese Darstellung überzeugt schon deshalb, weil der Kreditvertrag den äußeren Anschein einer automatisierten Erstellung erweckt und überdies in den korrespondierenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Klausel Teil I A Nr. 2) darauf hinweist, dass das Vertragsangebot in einem automatisierten Verfahren erstellt worden ist. Soweit die Beklagte im Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 06.01.2014 den Einsatz der automatischen Einrichtung bestreitet, ist das Bestreiten ohne Substanz: Da der Verlauf der Vertragsverhandlungen – EDV-Übertragung der aufgenommenen Daten und Unterzeichnung der wenig später ausgefertigten Urkunde& – unbestritten geblieben ist, liegt eine individuelle Errichtung des Vertragsangebots fern.

cc) Eine Anwendung des § 312b I BGB a.F. ist nicht deshalb geboten, weil das Vertragsangebot gemäß Klausel Teil I A Nr. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen unter der (aufschiebenden) Bedingung einer Genehmigung geschlossen worden ist, die die Klägerin mit Schreiben vom 01.08.2008 konkludent erteilte: Wie bereits der Gesetzeswortlaut des § 158 I BGB zeigt, schiebt die aufschiebende Bedingung lediglich die Rechtswirksamkeit eines bereits abgeschlossenen Rechtsgeschäfts hinaus und tritt nicht selber an die Stelle der für den Vertragsschluss erforderlichen Vertragserklärungen. Vielmehr besteht die Willenseinigung beim bedingten Vertrag darin, die in den Vertragserklärungen getroffenen Rechtswirkungen auf den Zeitpunkt des Bedingungseintritts hinauszuschieben. Nach diesem Verständnis ist der Austausch von korrespondierenden Willenserklärungen auch bei einem unter einer Bedingung geschlossenen Rechtsgeschäft konstitutive Voraussetzung für dessen Wirksamkeit, weshalb auch ein unter einer Bedingung abgeschlossenes Rechtsgeschäft im Sinne der Legaldefinition des § 312b I 1 BGB nicht ausschließlich unter Einsatz von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen worden ist, solange auch nur der für das Zustandekommen des Rechtsgeschäfts erforderliche Antrag dem Vertragspartner persönlich überreicht worden ist.

dd) Zwar ist eine Anwendung des § 312b I BGB auch dann geboten, wenn beim Vertragsschluss ein Bote beauftragt wird, der dem Verbraucher zwar persönlich gegenübertritt, aber weder über den Vertragsinhalt noch die Beschaffenheit der vertraglichen Leistung nähere Auskünfte geben kann (BGHZ 160, 393 [398 f.]; Erman/Saenger, BGB, 13. Aufl., § 312b Rn. 4a). Allerdings liegen die tatsächlichen Voraussetzungen für diese einschränkende Auslegung des § 312b I BGB im Sachverhalt nicht vor:

aaa) Der Rechtsgrundsatz beruht auf der Erwägung, dass ein Verbraucher, der einer Empfangsperson gegenübersteht, die lediglich Botenfunktion besitzt, ebenso schutzwürdig ist wie bei einem Vertragsschluss, der durch den Austausch eines Fernkommunikationsmittels zustande kommt. Paradigmatisch liegt eine derartige, die Anwendung des § 312b BGB gebietende Botenfunktion bei Post- und Kurierboten oder – wie im Sachverhalt des in BGHZ 160, 393 entschiedenen Falles – bei Postmitarbeitern vor, die lediglich im Wege des sogenannten „Postident 2-Verfahren“ die Identität des Kunden überprüfen. In Abgrenzung dazu finden die Vorschriften des Fernabsatzvertrags keine Anwendung, wenn dem Verbraucher Vermittler, Verhandlungsgehilfen oder sonstige Repräsentanten des Unternehmens gegenübertreten, die in der Lage sind, den Verbraucher in einem Gespräch über die angebotene Ware oder Dienstleistung zu informieren (BGHZ 160, 398 f.).

bbb) Angewandt auf den vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt, ist der Zeuge K der letztgenannten Gruppe zuzuordnen:

Die Tätigkeit des Zeugen K ging schon deshalb über eine reine Botendienstleistung hinaus, weil es der Zeuge K war, der den Kontakt zwischen der Klägerin und der Beklagten herstellte: Die Beklagte äußerte im Rahmen der Kaufverhandlungen den Wunsch, den Kaufpreis unter Anrechnung einer Anzahlung zu finanzieren. Hierauf ergriff der Zeuge K die Initiative, um eine Finanzierung bei der Klägerin zu realisieren, mit der das Autohaus über einen Rahmenvertrag verbunden war. Bei einer solchen Sachlage strahlt das Vertrauen, das der Autokäufer dem Verkäufer entgegenbringt, regelmäßig auch auf die Seriosität der vom Verkäufer vorgeschlagenen Finanzierungsdienstleistung aus, weshalb der tatsächliche Beitrag des Verkäufers bzw. Kreditvermittlers zum Vertragsschluss mit dem Finanzdienstleister nicht mit der Dienstleistung eines Boten zu vergleichen ist. Auch hegt der Senat keinen Zweifel daran, dass sich die der Unterzeichnung des Kreditvertrags vorausgegangenen „Verhandlungen“ nicht darauf beschränkten, eine von der Beklagten als vertretbar bezeichnete Ratenhöhe (205,54 €) in ein EDV-gestütztes Formular zu übernehmen: Die konkrete Ausgestaltung einer Kfz-Finanzierung hängt von mehreren Parametern (Laufzeit, Höhe der Raten, Höhe der Anzahlung) ab, die ein Kreditnehmer nach aller Lebenserfahrung gegeneinander abwägt. Dass auch im vorliegenden Fall über die bloße Aufnahme personenbezogener Daten ein inhaltlicher Austausch zwischen der Beklagten und dem Zeugen K stattgefunden hat, belegt überdies der auf Seite 3 des Kreditvertrags aufgedruckte Passus, wonach die Beklagte ausdrücklich auf die ihr angebotene Absicherung durch eine Restschuldversicherung gegen bestimmte Risiken verzichte. Letztendlich kommt es nicht darauf an, ob der Zeuge K mit der Beklagten substanzielle Fragen zu möglichen Finanzierungsalternativen erörterte. Entscheidend ist vielmehr, dass der Zeuge K aufgrund der Geschäftsbeziehung der Firma F zur Klägerin – anders als ein Bote – unschwer in der Lage gewesen wäre, elementare Fragen zum Kreditvertrag – insbesondere zu dem auf Seite 1 abgedruckten Zahlenwerk – zu erörtern. Hinzu kommt, dass der Zeuge K die Selbstauskunft erstellte und zu diesem Zweck gehalten war, die von der Beklagten erfragten Daten sorgfältig zu erfassen. Auch dieser Beitrag zur Vertragsanbahnung ging über eine bloße Botenfunktion weit hinaus, weshalb bei zusammenfassender Würdigung die Anwendung der Schutzvorschriften des Fernabsatzes nicht interessengerecht erscheint.

ee) Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass der Anwendungsbereich des § 312b BGB nicht deshalb eröffnet ist, weil die Annahmeerklärung der Beklagten ihrerseits postalisch an die Klägerin übermittelt wurde: Die erforderliche ausschließliche Nutzung von Fernkommunikationsmitteln liegt nicht vor, wenn nur eine Vertragserklärung in anderer Form übermittelt wurde.

c) Ungeachtet der vorstehenden Erwägungen vermag sich der Senat auch den Argumenten der Berufung zur fehlenden Einhaltung der Informationspflichten nicht anzuschließen:

aa) Zwar hat der 8. Zivilsenat des OLG Saarbrücken im Urteil vom 12.08.2010 – 8 U 347/09 – die Rechtsauffassung vertreten, dass unter „Anschrift“ i. S. des § 355 II BGB a.F. … die „ladungsfähige Anschrift“ zu verstehen sei, weshalb die Angabe eines Postfachs nicht genüge. Dieser Rechtauffassung hat sich der BGH im Urteil vom 25.01.2012 (VIII ZR 95/11, MDR 2012, 268) jedoch nicht angeschlossen, sondern mit Blick auf die Funktion der Adressatenangabe, die darin besteht, den Verbraucher zweifelsfrei darüber zu informieren, an wen der Widerruf zu richten ist, die Auffassung vertreten, dass die Angabe einer Postfachadresse als Widerrufsadresse beim Fernabsatzvertrag den gesetzlichen Anforderungen der BGB-InfoV an eine Belehrung des Verbrauchers über sein Widerrufsrecht genüge. Diese Rechtsauffassung verdient Beachtung.

bb) Soweit die Berufung der Beklagten moniert, die Widerrufsbelehrung sei deshalb zu beanstanden und habe den Lauf der Widerrufsfrist nicht ausgelöst, weil der Gestaltungshinweis Nr. 6: „Dies kann dazu führen, dass Sie ihre vertraglichen Zahlungspflichten für den Zeitraum bis zum Widerruf gleichwohl erfüllen müssen.“ in der der Beklagten überlassenen Vertragsurkunde nicht enthalten sei, verhelfen auch diese Erwägungen der Berufung nicht zum Erfolg.

aaa) Die Berufung verkennt, dass die Verwendung des in Anlage 2 zu § 14 I und III BGB-InfoV (in der am 01.04.2008 in Kraft getretenen Fassung) enthaltenen Musters keine zwingende Voraussetzung für die Erfüllung der gesetzlichen Belehrungspflichten ist:

Gemäß § 312c II Fall 2 BGB a.F. hat der Unternehmer dem Verbraucher die in der Rechtsverordnung nach Art. 240 EGBGB bestimmten Informationen in dem dort bestimmten Umfang und der dort bestimmten Art und Weise in Textform zu erteilen. Art. 240 EGBGB hat den Bundesminister der Justiz dazu ermächtigt, … durch Rechtsverordnung festzulegen, über welche – in Art. 240 EGBGB weiter beschriebenen – Einzelheiten des Vertrages Verbraucher zu informieren sind. Von dieser Ermächtigung hat der Bundesminister der Justiz durch den Erlass der BGB-InfoV Gebrauch gemacht.

bbb) Die inhaltlichen Anforderungen an die nach § 312c I, II BGB a.F. einzuhaltenden Informationspflichten werden in § 1 BGB-InfoV a.F. detailliert beschrieben. Zwar bestimmt § 14 I und III BGB-InfoV, dass die Anforderungen des § 355 II BGB und der diesen ergänzenden Vorschriften des BGB hinsichtlich der Belehrung über das Widerrufsrecht eingehalten sind, wenn der Verwender ein Formular verwendet, das dem Muster der Vorschrift entspricht. Jedoch dient die Vorschrift nach ihrer gesetzlichen Intention in erster Linie dem Schutz des Verwenders und besagt gerade nicht, dass die Informationspflichten des § 1 BGB-InfoV a.F. zwingend und notwendig nur durch eine wortidentische Übernahme des Mustertextes zu erfüllen sind. Vielmehr ist die im Wesentlichen wortgetreue Übernahme des Mustertextes nur dann erforderlich, wenn sich der Verwender auf die gesetzliche Schutzwirkung des § 14 I und III BGB-InfoV a.F. berufen will (BGH, Urt. v. 18.03.2014 – II ZR 109/13, MDR 2014, 703). Dessen ungeachtet steht es dem Verwender frei, über ein bestehendes Widerrufs- oder Rückgaberecht zu belehren, ohne eines der Muster zu verwenden (Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, BT-Drs. 16/2005, S. 3). Weicht der Verwender vom Mustertext ab, besteht mithin Anlass, in eine inhaltliche Prüfung einzutreten, ob die Abweichungen so gravierend sind, dass die Widerrufsbelehrung den gesetzlichen Anforderungen des § 1 BGB-InfoV a.F. nicht mehr genügt (BGH, Urt. v. 18.03.2014 – II ZR 109/13, MDR 2014, 703).

ccc) Diese inhaltliche Überprüfung führt hier indessen zu dem Ergebnis, dass jedenfalls bei der vorliegend zu beurteilenden Finanzdienstleistung eine Aufnahme des Gestaltungshinweises Nr. 6 zur sachgerechten Information des Verbrauchers über sein Widerrufsrecht nicht erforderlich war:

aaaa) Die inhaltlichen Anforderungen an eine Belehrung über das Widerrufsrecht wurden zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses in § 1 I BGB-InfoV a.F. normiert. Gemäß § 1 I Nr. 10 BGB-InfoV muss der Unternehmer über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufs- oder Rückgaberechts sowie die Bedingungen, Einzelheiten der Ausübung, insbesondere Namen und Anschrift desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist, und die Rechtsfolgen des Widerrufs oder der Rückgabe informieren, einschließlich der Informationen über den Betrag, den der Verbraucher im Fall des Widerrufs oder der Rückgabe gemäß § 357 I BGB für die erbrachte Dienstleistung zu zahlen hat. Diesen Anforderungen wird die konkrete Gestaltung gerecht. Eine gesonderte Information darüber, dass der Widerruf dazu führen könne, dass der Verbraucher die vertraglichen Zahlungspflichten für den Zeitraum bis zum Widerruf gleichwohl erfüllen müsse, war im vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt schon deshalb nicht geboten, weil eine solche Information eher zur Verwirrung des Verbrauchers beigetragen hätte. Denn beim Ratenkreditvertrag kommt eine derartige Zahlungspflicht nicht in Betracht:

bbbb) Die vertragliche Zahlungspflicht des Darlehensnehmers besteht bei Verträgen der vorliegenden Art allein darin, das empfangene Darlehen nebst Zinsen in der vertraglich vereinbarten Weise zurückzuzahlen. Mit Ausübung des wirksamen Widerrufs ist diese vertragliche Pflicht erloschen: Der Darlehensgeber ist nunmehr nach den Vorschriften des Rücktritts zur Rückzahlung der erhaltenen Raten, der Darlehensnehmer zur Rückzahlung der empfangenen Valuta verpflichtet. Bei dieser Sach- und Rechtslage fließen auch alle vor Ausübung des Widerrufs geleisteten Darlehensraten in die Rückabwicklung ein. Diese Rechtsfolge würde durch den Gestaltungshinweis Nr. 6 verschleiert, der den juristisch nicht geschulten Verbraucher zu der unzutreffenden Ansicht verleiten könnten, dass die bis zur Erklärung des Widerrufs geleisteten Darlehensraten einer Rückabwicklung entzogen seien.

cccc) Vielmehr hat der Gestaltungshinweis Nr. 6 offensichtlich in Anlehnung an Art. 7 I der Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und Rates über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen Aufnahme in den Mustertext gefunden: Nach dieser Bestimmung, die mit dem Titel „Zahlung für eine vor Widerruf des Vertrages erbrachte Dienstleistung“ überschrieben ist, darf von einem Verbraucher, der sein Widerrufsrecht ausgeübt hat, lediglich die Zahlung für die vom Anbieter gemäß dem Fernabsatzvertrag tatsächlich erbrachte Dienstleistung verlangt werden. Bereits in ihrer Begrifflichkeit zielt diese Bestimmung auf solche „echte“ Dienstleistungen ab, die der Dienstverpflichtete über den vertraglichen Zeitraum wiederkehrend erbringt, wovon der Berechtigte zeitanteilig profitiert. Eine solche zeitanteilige Betrachtung ist im Fall des Ratenkredits nicht sachgerecht: Die Leistungspflicht des Kreditgebers aktualisiert sich nicht zeitanteilig während der Laufzeit des Kredits. Vielmehr erbringt der Kreditgeber seine vertragliche Hauptleistung mit der Auszahlung des Darlehens regelmäßig – so auch im vorliegenden Fall – in einer einzigen Leistungshandlung zu Beginn des Vertragsverhältnisses. In einer solchen Situation bleibt für eine zeitlich differenzierte Betrachtung der Widerrufsfolgen kein Raum.

Daher zielt die Richtlinie 2002/65/EG in Art. 7 auf zeitanteilig wiederkehrend zu erbringende Dienstleistungen ab und bezweckt die Harmonisierung solcher Rechtssysteme, die den vertraglichen Erfüllungsanspruch für die vor der Zeit des Widerrufs tatsächlich erbrachten Finanzdienstleistungen dauerhaft bestehen lassen. Im Fall des Verbraucherdarlehens besteht dieser Harmonisierungsbedarf indessen nicht, da die Widerrufsfolgen bereits nach nationalem Recht den gesamten Leistungsaustausch erfassen. Dies berücksichtigend wurde die Beklagte auch ohne Aufnahme des Gestaltungshinweises Nr. 6 über die Rechtsfolgen des Widerrufs sachgerecht informiert.

dddd) Die Frage, ob die positive Aufnahme des Zusatzes im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Ratenkredits zur Unwirksamkeit der Belehrung führte …, besitzt im vorliegenden Rechtsstreit keine Entscheidungsrelevanz: Selbst wenn die Aufnahme des Gestaltungshinweises nicht zur Unwirksamkeit der Belehrung geführt hätte, folgt daraus nicht zugleich, dass eine hinreichende Verbraucherinformation mit Blick auf die vertragsspezifischen Risiken des Ratenkredits der Aufnahme des Gestaltungshinweises zwingend bedarf.

cc) Schließlich beanstandet die Berufung, die Klägerin habe der Beklagten unter Verstoß gegen § 1 III BGB-InfoV keine Informationen über die Hauptgeschäftstätigkeit des Unternehmers und die für seine Zulassung zuständige Aufsichtsbehörde (Nr. 1), über das auf den Fernabsatzvertrag anwendbare Recht oder über das zuständige Gericht (Nr. 5), über einen möglichen Zugang des Verbrauchers zu einem außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren (Nr. 7) und über das Bestehen eines Garantiefonds oder anderer Entschädigungsregelungen (Nr. 8) erteilt. Auch dieser Berufungsangriff greift nicht durch:

aaa) Die Beklagte verkennt, dass die gerügten Informationen – bis auf die Angaben zu § 1 II Nr. 8 BGB-InfoV – in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin enthalten sind (Teil III A Nr. 3, D Nr. 1–3). Das Fehlen der Angaben zum Bestehen eines Garantiefonds ist indessen unschädlich, da eine solche Information nur für Kapitalanleger von Bedeutung ist: Garantiefonds wurden angelegt, um den Kapitalanleger im Fall der Insolvenz der Anlagegesellschaft vor einem Verlust des angelegten Kapitals zu bewahren. In den Genuss eines derartigen Garantiefonds kann ein Darlehensnehmer im Fall der Insolvenz des Darlehensgebers nicht gelangen.

bbb) Soweit die Beklagte erstmals im Berufungsrechtszug rügt, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin seien nicht Vertragsbestandteil geworden (Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 15.10.2013), trifft diese Rechtsbehauptung nicht zu: Die Klägerin hat bereits mit der Klageschrift als Anlage K 1 die Selbstauskunft der Beklagten und den Kreditvertrag vorgelegt, der ausweislich der in der Fußzeile enthaltenen Angabe aus einem sieben Seiten umfassenden Formularsatz besteht. In den fortlaufend nummerierten Seiten sind auf den Seiten 4 bis 7 die Kreditbedingungen abgedruckt. Da die Beklagte weder erstinstanzlich noch im zweiten Rechtszug substanziierten Sachvortrag zu der Urkunde gehalten und insbesondere nicht vorgetragen hat, die von ihr selbst auf Seite 3 unterschriebene zusammenhängende Urkunde nur in Teilen erhalten zu haben, ist für die prozessuale Betrachtung davon auszugehen, dass die Beklagte anlässlich der Unterzeichnung des Kreditvertrags auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen 1der Klägerin erhalten hat. Dessen ungeachtet wäre das im Berufungsrechtszug neue Verteidigungsmittel gemäß § 531 II ZPO präkludiert.

4. Die Hilfsaufrechnung bleibt ohne Erfolg, da das neue Verteidigungsmittel bereits prozessual keine Berücksichtigung finden kann (§ 533 ZPO).

a) Erstmals im Berufungsrechtszug hat die Beklagte mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 15.10.2013 vorgetragen, dass der Erlös aus der Verwertung des Fahrzeugs weit unter dem Schwacke-Wert von 8.168 € gelegen habe. Diesem Vortrag ist die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 09.11.2013 entgegengetreten und hat dargelegt, welche Anstrengungen die Klägerin hinsichtlich der Verwertung des Fahrzeugs unternommen habe. Sie hat insbesondere unter Vorlage einer Wertermittlung nach „eurotaxSCHWACKE“ behauptet, dass der Händlereinkaufspreis bei 6.650 € gelegen habe und dass das Fahrzeug auf Auktionen vom 21.07. und 28.07.2011 vergeblich zu einem Gebotspreis von 5.900 € angeboten worden sei, woraufhin das Fahrzeug schließlich am 31.08.2011 zu einem Gebot von 5.000 € verkauft worden sei. Auf diesen Vortrag hat die Beklagte mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 06.01.2014 erwidert und darauf beharrt, dass eine Verwertung zum Gegenwert von 5.000 € willkürlich gewesen sei. Erstmals in diesem Schriftsatz hat die Beklagte die Hilfsaufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch von 2.857,14 € erklärt.

b) Der dargelegte Prozessverlauf belegt, dass die Aufrechnung nicht auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat (Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Aufrechnung im Berufungsrechtszug nach § 533 Nr. 2 ZPO): Das Landgericht konnte im ersten Rechtszug keine Feststellungen über die erstmals im Berufungsrechtszug bestrittenen Wertverhältnisse und die Umstände der Verwertung treffen, weshalb der Sachverhalt einer weiteren tatrichterlichen Aufklärung bedarf. Gründe für eine Zulassung des neuen Angriffsmittels und des korrespondierenden Sachvortrags gemäß § 530 II ZPO liegen nicht vor, da der unterlassene Sachvortrag im ersten Rechtszug gemäß § 531 II Nr. 4 ZPO auf einer Nachlässigkeit beruhte.

5. Auch die Widerklage bleibt ohne Erfolg: Da der Widerruf des Darlehens aus den vorstehend dargelegten Gründen nicht wirksam war, befand sich die Klägerin mit der Rücknahme des Fahrzeugs nicht in Annahmeverzug  …

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