1. Ein Pkw-Eigentümer kann vom Inhaber einer Kfz-Werkstatt, in der sein Fahrzeug repariert werden soll, gemäß § 985 BGB die Herausgabe des Fahrzeugs verlangen. Hat nicht der Eigentümer, sondern ein Dritter den Reparaturauftrag in eigenem Namen erteilt, steht dem Inhaber der Kfz-Werkstatt gegenüber dem Eigentümer kein Unternehmerpfandrecht zu.
  2. Einen Anspruch auf Zahlung des Werklohns hat der Unternehmer allein gegen seinen Auftraggeber. Diesen Anspruch kann er dem Herausgabeanspruch des – vom Auftraggeber verschiedenen – Kfz-Eigentümers nicht im Wege eines Zurückbehaltungsrechts entgegensetzen.

OLG Karlsruhe, Urteil vom 16.02.2012 – 9 U 168/11

Sachverhalt: Die Klägerin ist Eigentümerin eines Oldtimers. Dieses Fahrzeug brachte ihr Ehemann am 09.06.2010 zu dem Beklagten, der Inhaber einer Autolackiererei ist. Der Ehemann der Klägerin beauftragte den Beklagten, das Fahrzeug zu lackieren und Rostschäden auszubessern. Am 10.08.2010 sandte der Beklagte dem Ehemann der Klägerin einen Kostenvoranschlag für die in Auftrag gegebenen Arbeiten zu. Zwischen den Parteien ist außer Streit, dass der Ehemann der Klägerin gegenüber dem Beklagten im eigenen Namen und nicht etwa im Namen der Klägerin auftrat.

Zu einem späteren Zeitpunkt sandte der Beklagte einen geänderten, auf den 03.11.2010 datierten Kostenvoranschlag an den Ehemann der Klägerin. Dieser Kostenvorschlag endete mit einem etwas höheren Betrag als der Kostenvoranschlag vom 10.08.2010. Außerdem waren die in Auftrag gegebenen Arbeiten – anders als im früheren Kostenvoranschlag – mit „Verkaufsreparaturlackierung ohne Garantie“ beschrieben. Wann der Ehemann der Klägerin den Kostenvoranschlag erhalten hat, ist zwischen den Parteien streitig.

Auf den Kostenvoranschlag vom 03.11.2010 reagierte der Ehemann der Klägerin mit einer E-Mail vom 28.12.2010. Er war mit einer „Verkaufslackierung“ nicht einverstanden und forderte den Beklagten auf, den Kostenvoranschlag zu korrigieren, da eine (minderwertige) „Verkaufslackierung“ nicht dem erteilten Auftrag entspreche. Der Beklagte forderte den Ehemann der Klägerin daraufhin mit einer E-Mail vom 29.12.2010 auf, den neuen Kostenvoranschlag, „wie bereits persönlich besprochen“, zu unterschreiben und eine Anzahlung von 1.000 € zzgl. MwSt. zu leisten oder das Fahrzeug im jetzigen Zustand gegen Bezahlung der bisher erbrachten Leistungen abzuholen. Der Ehemann der Klägerin widersprach dem Beklagten noch am selben Tag in einer weiteren E-Mail. Es sei keine „Verkaufslackierung“ vereinbart gewesen. Er erwarte „die Umsetzung des Auftrages wie besprochen“. Daraufhin erklärte der Beklagte per E-Mail, er nehme nun von einer weiteren Bearbeitung des Fahrzeugs Abstand. Zudem stellte er unter dem 03.01.2011 eine Rechnung über die bisher nach seiner Meinung geleisteten Arbeiten, die mit einem Betrag von 1.266,83 € schloss.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 11.04.2011 forderte die Klägerin den Beklagten auf, das Fahrzeug herauszugeben bzw. zu erklären, dass er bereit sei, das Fahrzeug ohne jeden Vorbehalt herauszugeben. Der Beklagte erwiderte darauf, dass er das Fahrzeug nur gegen Bezahlung der bisherigen Tätigkeit herausgeben werde.

Die Klägerin hat im Verfahren vor dem Landgericht von dem Beklagten die Herausgabe des Oldtimers sowie die Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 651,80 € nebst Zinsen verlangt. Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, das Fahrzeug an die Klägerin herauszugeben, und zwar Zug um Zug gegen Bezahlung der Rechnung des Beklagten in Höhe von 1.266,83 €. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und ausgeführt, dem Beklagten stehe ein Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 I BGB zu. Gemäß § 242 BGB (Treu und Glauben) könne sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass nicht sie, sondern ihr Ehemann Vertragspartner des Werkvertrags gewesen sei.

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung der Klägerin hatte im Wesentlichen Erfolg.

Aus den Gründen: II. … Der Beklagte kann dem Herausgabeanspruch der Klägerin keine Gegenrechte entgegenhalten. Die Berufung ist lediglich insoweit unbegründet, als die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten geltend macht.

1. Der Beklagte ist gemäß § 985 BGB zur Herausgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs verpflichtet. Die Klägerin ist unstreitig Eigentümerin, und der Beklagte hat das Fahrzeug bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung weiterhin in seinem Besitz.

2. Dem Beklagten steht ein Recht zum Besitz, welches er gemäß § 986 I BGB dem Anspruch der Klägerin entgegenhalten könnte, nicht zu.

a) Der Beklagte hat zwar den Besitz dadurch erlangt, dass ihm der Ehemann der Klägerin das Fahrzeug zur Durchführung von Lackierarbeiten übergab. Ein Recht zum Besitz konnte der Beklagte aus diesem Vorgang gegenüber der Klägerin jedoch nur so lange geltend machen, wie die Klägerin – als Eigentümerin – mit dem Verbleib des Fahrzeugs beim Beklagten einverstanden war. Ab dem Zeitpunkt, zu dem die Klägerin das Fahrzeug herausverlangte, endete das Recht des Beklagten zum Besitz, das an das Einverständnis der Klägerin mit der Durchführung von Reparaturarbeiten geknüpft war.

b) Der Beklagte hat an dem Fahrzeug kein Unternehmerpfandrecht (§ 647 BGB) erworben, welches er der Klägerin gemäß § 986 I BGB entgegenhalten könnte. Ein Unternehmerpfandrecht konnte der Beklagte – die Voraussetzungen eines Pfandrechts im Übrigen unterstellt – nach dem Wortlaut des Gesetzes nur an einer Sache des Bestellers erlangen. Besteller war unstreitig nicht die Klägerin, sondern ihr Ehemann. Da sich das Fahrzeug im Eigentum der Klägerin befindet, kommt ein Pfandrecht nicht in Betracht. Es kommt dabei weder darauf an, ob die Klägerin dem Lackierauftrag zugestimmt hat, noch darauf, ob dem Beklagten bei Auftragserteilung die Eigentumsverhältnisse bekannt waren (vgl. hierzu Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl. [2012], § 647 Rn. 3 m. w. Nachw.).

c) Dem Beklagten steht auch kein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 I BGB zu.

aa) Auch ein Zurückbehaltungsrecht kann ein Recht zum Besitz i. S. von § 986 I BGB begründen. Allerdings führt das Zurückbehaltungsrecht nicht zur Klageabweisung, sondern lediglich zu einer Verurteilung Zug um Zug (vgl. BGH, Urt. v. 25.09.1985 – VIII ZR 270/84, NJW-RR 1986, 282 [283]).

bb) Die Voraussetzungen für ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 I BGB liegen – im Verhältnis zum Anspruch der Klägerin – nicht vor.

aaa) Ein Zurückbehaltungsrecht kommt nur bei einem gegenseitigen Anspruch, also einem Anspruch, welcher dem Beklagten im Verhältnis zur Klägerin zusteht, in Betracht. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von § 273 I BGB. Dem Beklagten steht ein vertraglicher Anspruch gegen die Klägerin – unabhängig von den sonstigen Voraussetzungen eines solchen Anspruchs – nicht zu. Denn Besteller des Werkvertrags war nicht die Klägerin, sondern ihr Ehemann. Insoweit könnte ein vertraglicher Zahlungsanspruch nur gegenüber dem Ehemann in Betracht kommen, was für einen gegenseitigen Anspruch im Verhältnis zur Klägerin gemäß § 273 I BGB jedoch nicht ausreicht.

bbb) Auf die Frage, ob von einem „einheitlichen Lebensverhältnis“ auszugehen ist, wie das Landgericht meint, kommt es nicht an. Denn das „einheitliche Lebensverhältnis“ (Konnexität) ist nur eine zusätzliche Voraussetzung für ein Zurückbehaltungsrecht bei einem gegenseitigen Anspruch (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl. [2012], § 273 Rn. 9 ff.). Ohne ein Gegenseitigkeitsverhältnis der beiderseitigen Ansprüche (s. oben aaa) kann ein einheitliches Lebensverhältnis keine Rechtsgrundlage für ein Zurückbehaltungsrecht bilden.

ccc) Auch der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ändert daran nichts. Der Grundsatz von Treu und Glauben kann nicht zu einer generellen Durchbrechung der gesetzlichen Regelung in § 273 I BGB (Zurückbehaltungsrecht nur bei einem gegenseitigen Anspruch) führen. Eine unzulässige Rechtsausübung (vgl. dazu Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 242 Rn. 38 ff.) kommt nicht in Betracht. Denn ein unredliches Verhalten der Klägerin (beispielsweise durch eine Täuschung des Beklagten hinsichtlich des Eigentums am Fahrzeug) ist nicht ersichtlich.

ddd) Dem Beklagten steht gegenüber der Klägerin auch kein Anspruch gemäß § 812 I 1 BGB (ungerechtfertigte Bereicherung) zu. Auf die Frage, ob das Fahrzeug der Klägerin durch Leistungen des Beklagten an Wert gewonnen hat, kommt es dabei nicht an. Der Beklagte hat – seinen Vortrag insoweit als richtig unterstellt – Leistungen aufgrund der vertraglichen Vereinbarung mit dem Ehemann der Klägerin erbracht. Daher hat er i. S. von § 812 I 1 BGB keine Leistung gegenüber der Klägerin erbracht, sondern nur gegenüber ihrem Ehemann (vgl. zum Begriff der Leistung in § 812 I 1 BGB Palandt/Sprau, a. a. O., § 812 Rn. 57 ff.).

d) Der Beklagte kann ein Recht zum Besitz auch nicht aus § 273 II BGB (fälliger Anspruch wegen Verwendungen) herleiten. Denn diese Regelung enthält keinen eigenständigen Verwendungsersatzanspruch, sondern nimmt lediglich auf anderweitig begründete Verwendungsersatzansprüche Bezug. Da dem Beklagten gegenüber der Klägerin ein Verwendungsersatzanspruch aus einem anderen Rechtsgrund nicht zusteht (s. dazu oben und im Übrigen auch unten 3.), kommt ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 II BGB nicht in Betracht (vgl. zur Auslegung von § 273 II BGB Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 273 Rn. 23).

1. Schließlich steht dem Beklagten entgegen seiner Auffassung auch kein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 1000 Satz 1 BGB (Zurückbehaltungsrecht des Besitzers) zu. Nach dieser Vorschrift kann der Besitzer eine Herausgabe der Sache zwar verweigern, wenn ihm Ansprüche wegen zu ersetzender Verwendungen zustehen. Die Voraussetzungen für einen Verwendungsersatzanspruch des Beklagten liegen jedoch nicht vor, wobei es nicht darauf ankommt, ob der Beklagte notwendige Verwendungen i. S. von § 994 I BGB oder nützliche Verwendungen i. S. von § 996 BGB getätigt hat. Denn ein Verwendungsersatzanspruch nach diesen Regelungen käme nur dann in Betracht, wenn zum Zeitpunkt der Verwendungen ein sogenannter Eigentümer-Besitzer-Verhältnis bestanden hätte, das heißt, wenn der Beklagte bei Erbringung der Verwendungen gegenüber der Klägerin nicht zum Besitz berechtigt gewesen wäre (vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 71. Aufl. [2012], vor § 994 Rn. 2, 7, 8 m. w. Nachw.). Bei Erbringung der vom Beklagten vorgetragenen Arbeiten an dem Fahrzeug bestand jedoch keine sogenannte Vindikationslage (= nichtberechtigter Fremdbesitz). Bevor das Fahrzeug von der Klägerin bzw. von ihrem Ehemann herausverlangt wurde, war der Beklagte zum Besitz berechtigt im Hinblick auf die in Auftrag gegebenen Lackierarbeiten. Daher kann er ein Entgelt oder einen Wertersatz für die erbrachten Arbeiten nur im Rahmen seines Vertrags vom Ehemann der Klägerin verlangen, für den er die Leistungen erbracht hat, und nicht von der Klägerin.

2. Die Berufung der Klägerin ist hingegen nicht begründet, soweit sie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 651,80 € nebst Zinsen von dem Beklagten verlangt.

Eine Anspruchsgrundlage ist nicht ersichtlich. Insbesondere steht der Klägerin insoweit kein Verzugsschadensersatz (§§ 286, 280 I, II BGB) zu. Die vorgerichtlichen Anwaltskosten sind durch das Schreiben des Rechtsanwalts der Klägerin vom 11.04.2011 entstanden. Der Beklagte befand sich zu diesem Zeitpunkt nicht in Verzug, da die Klägerin ihn bis dahin noch nicht zur Herausgabe des Fahrzeugs aufgefordert hatte. Soweit der Beklagte eine Herausgabe gegenüber dem Ehemann schon vorher von bestimmten Bedingungen abhängig gemacht hatte, ist dies im Verhältnis zur Klägerin ohne Bedeutung. Denn die Rechtsverhältnisse des Beklagten zum Ehemann der Klägerin einerseits und zur Klägerin andererseits sind zu trennen. Gegenüber dem Ehemann der Klägerin konnte der Beklagte möglicherweise vertragliche Gegenrechte geltend machen, während dies gegenüber dem auf Eigentum gestützten Herausgabeanspruch der Klägerin nicht möglich war (s. oben). Daher kann das Verhalten des Beklagten gegenüber dem Ehemann der Klägerin nicht ohne Weiteres gleichzeitig auch als Erfüllungsverweigerung gegenüber der Klägerin i. S. von § 286 II Nr. 3 BGB gedeutet werden …

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