Der – über § 29 I ZPO auch das örtlich zuständige Gericht bestimmende – Leistungsort für die Rückabwicklung eines Kaufvertrags nach einem Rücktritt des Käufers ist derjenige Ort, an dem sich die zurückzugebende Sache zur Zeit des Rücktritts vertragsgemäß befindet („Austauschort“). Daran ändert sich nichts, wenn der Kläger mit seinem Rückabwicklungsbegehren, das er auf ein gesetzliches Rücktrittsrecht stützt, andere Ansprüche, die zu dem gleichen Ergebnis führen würden, aber von anderen örtlich zuständigen Gerichten zu entscheiden wären, verbindet.

OLG Saarbrücken, Beschluss vom 06.01.2005 – 5 W 306/04

Sachverhalt: Die Klägerin verlangt von dem Beklagten – Zug zum Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs – die Rückzahlung des Kaufpreises für einen Pkw, den der Beklagte ihr verkauft und übereignet hat. Mit der Behauptung, der Beklagte habe ihr Vorschäden verschwiegen, ist die Klägerin vom Kaufvertrag zurückgetreten und hat zunächst mit ihrer am 10.07.2004 zugestellten Klage dessen Rückabwicklung verlangt. Im Verlauf des Rechtsstreits hat sie den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten, da ihr der Beklagte lediglich zwei statt der tatsächlich sechs Vorbesitzer angegeben habe.

Der Beklagte hat die örtliche Zuständigkeit des von der Klägerin angerufenen AG Saarlouis gerügt. Dieses hat sich zunächst dahin geäußert, dass es sich für das Rückabwicklungsbegehren für örtlich zuständig halte. Später hat es die Klägerin angehört, weil im Hinblick auf die erklärte Anfechtung Bedenken gegen die örtliche Zuständigkeit bestünden. Die Klägerin hat daraufhin mitgeteilt, sie gehe aus „zweierlei Rechtsgründen“ gegen die Beklagte vor. Sodann hat das AG Saarlouis den Rechtsstreit auf einen hilfsweise gestellten Verweisungsantrag der Klägerin an das für den Wohnsitz des Beklagten zuständige AG Trier verwiesen. Das AG Trier hat den Rechtsstreit „nicht übernommen“, weil der Verweisungsbeschluss § 261 III Nr. 2 ZPO missachte. Das AG Saarlouis hat die „erneute Übernahme der Sache“ abgelehnt und den Rechtsstreit dem OLG Saarbrücken zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

Das OLG Saarbrücken hat bestimmt, dass das AG Saarlouis zuständig ist.

Aus den Gründen: II. Das OLG Saarbrücken ist zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits zwischen dem AG Saarlouis und dem AG Trier nach § 36 I Nr. 6, II ZPO berufen, weil beide Amtsgerichte sich „rechtskräftig“ für unzuständig zur Entscheidung des Rechtsstreits erklärt haben …

1. Die Zuständigkeit [des AG Saarlouis] folgt allerdings nicht bereits daraus, dass dem Beklagten die Rüge der örtlichen Unzuständigkeit nach § 296 III ZPO versagt wäre. Zwar hat der Beklagte erst nach Ablauf der ihm gesetzten Frist zur Klageerwiderung gerügt, das AG Saarlouis sei örtlich unzuständig. Nach zwar nicht unbestrittener, wohl aber überwiegend vertretener Rechtsauffassung, der sich der Senat anschließt, fallen indessen verspätete Rügen, die die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts betreffen, aufgrund der besonderen Regelungen der §§ 39, 504 ZPO nicht unter die Präklusion, die § 296 III ZPO anordnet (BGH, NJW 1997, 397 [398]; OLG Frankfurt a. M., OLGZ 1983, 99 [101]; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 296 Rn. 8a; Musielak/Huber, ZPO, 4. Aufl., § 296 Rn. 34).

2. Das AG Saarlouis ist für das Verlangen der Klägerin nach Rückabwicklung des Kaufvertrags mit dem Beklagten auf der Grundlage der §§ 437 Nr. 2, 440, 323, 346 f. BGB gemäß § 29 I ZPO örtlich zuständig. Das hat das AG Saarlouis zu Recht selbst so gesehen. Denn der die Zuständigkeit nach § 29 I ZPO bestimmende Leistungsort für die Rückabwicklung eines Kaufvertrags nach Rücktritt ist der „Austauschort“, also derjenige Ort, an dem sich die Sache zur Zeit des Rücktritts vertragsgemäß befindet (BGH, NJW 1983, 1479; MDR 1962, 399; BayObLG, MDR 2004, 646).

Daran ändert sich auch dann nichts, wenn mit dem auf ein gesetzliches Rücktrittsrecht gestützten Rückabwicklungsbegehren andere Ansprüche, die zu dem gleichen Ergebnis führen würden, jedoch von anderen örtlich für sie zuständigen Gerichten zu entscheiden wären, verbunden werden.

3. Die örtliche Zuständigkeit des AG Saarlouis – für den auf den Rücktritt der Klägerin wegen Mängeln des gekauften Kraftfahrzeugs gestützten Anspruch – ist nicht durch die grundsätzlich nach § 281 II Satz 4 ZPO eintretende Bindungswirkung seines Verweisungsbeschlusses auf das AG Trier übergegangen. Die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses tritt nämlich ausnahmsweise dann nicht ein, wenn sich die Verweisung so weit von der gesetzlichen Grundlage entfernt, dass sie im Hinblick auf das Gebot des gesetzlichen Richters und das Willkürverbot des Grundgesetzes nicht hingenommen werden kann, oder wenn die Verweisung unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ergangen ist (st. Rspr. des Senats, zuletzt Beschl. v. 08.12.2003 – 5 W 253/03-58; Senat, OLGR 2002, 331 [333]; weitere Nachw. bei Zöller/Greger, a. a. O., § 281 Rn. 17 f.).

a) Dem Verweisungsbeschluss fehlt es allerdings nicht schon deshalb an einer Bindungswirkung, weil die örtliche Zuständigkeit des AG Trier als des für den Wohnsitz des Beklagten allgemein zuständigen Amtsgerichts für die Geltendmachung eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs nach Anfechtung des Kaufvertrags der Parteien wegen arglistiger Täuschung angenommen wird. Allerdings wird in der Rechtslehre zunehmend und mit sehr beachtlichen Gründen vertreten, bei dem Anspruch auf Herausgabe des Erlangten nach § 812 I 1 Fall 1 BGB – der nach einer wirksamen Anfechtung eines Vertrags wegen arglistiger Täuschung gegeben ist – handele es sich zwar nicht um einen von § 29 I ZPO erfassten Anspruch aus einem Vertragsverhältnis; gehe es indessen um eine auf einem Verhalten des Beklagten beruhende bereicherungsrechtliche Rückabwicklung, bei der das Gegenseitigkeitsverhältnis des fehlgeschlagenen Vertrages in das Rückabwicklungsverhältnis hineinwirke, so seien Ansprüche aus § 812 I 1 Fall 1 BGB aufgrund anfechtungsbedingter Nichtigkeit des Vertrags nicht anders zu beurteilen als gewährleistungsrechtliche Rückwicklungsansprüche. Sich damit nicht auseinandergesetzt zu haben, ist indessen keineswegs unvertretbar, weil die frühere Rechtsprechung des BGH und des BayObLG … die örtliche Zuständigkeit für die Entscheidung über einen Bereicherungsanspruch nach Anfechtung eines Vertrags wegen arglistiger Täuschung bei dem für den Wohnsitz des Anfechtungsgegners zuständigen Gericht gesehen hat.

b) Geradezu unvertretbar ist die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses auch nicht deshalb, weil das AG Saarlouis seine durch Eintritt der Rechtshängigkeit begründete Zuständigkeit nicht als nach § 261 III Nr. 2 ZPO fortdauernd betrachtet hat. Nach § 261 III Nr. 2 ZPO wird zwar die Zuständigkeit des Prozessgerichts durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt. Die Vorschrift findet nämlich ihre Grenze im Falle einer Klageänderung, die es dem angerufenen Gericht erlaubt, seine örtliche Zuständigkeit für dieses Begehren neu zu prüfen (BGH, NJW 2001, 2478). Wenn das AG Saarlouis – inzident – annimmt, die tatsächliche Grundlage des auf die Ausübung des gesetzlichen Rücktrittsrechts gestützten Rückabwicklungsbegehrens sei das Verschweigen von Vorschäden, die tatsächliche Grundlage des mit identischem Klageantrag verfolgten bereicherungsrechtlichen Herausgabeverlangens indessen das arglistige Verschweigen einer größeren Anzahl von Vorbesitzern, so kann dies vertretbar die Annahme zweier unterschiedlicher Streitgegenstände stützen. Zwar mag es näher liegen anzunehmen, dass die Klägerin denselben Lebenssachverhalt – die sie bewusst irreführende Veräußerung eines mängelbehafteten Kraftfahrzeugs – lediglich unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten – gegebenenfalls auch jenen der unerlaubten Handlung, für die eine örtliche Zuständigkeit des AG Saarlouis nach § 32 ZPO begründet sein könnte – gewürdigt sehen will, um sicherzustellen, dass sie ihr Ziel auch bei Verneinung von Arglist erreichen kann. Von einer objektiv willkürlichen Sicht der Dinge durch das AG Saarlouis kann jedoch keine Rede sein.

c) Das AG Saarlouis hat jedoch der Klägerin rechtliches Gehör versagt. Zwar hat es sie formal zu der Änderung seiner Rechtsauffassung und der Annahme einer örtlichen Zuständigkeit des AG Trier für einen bereicherungsrechtlichen Anspruch angehört. Rechtliches Gehör gewährt ein Gericht jedoch in Wirklichkeit nur dann, wenn es einer Partei nicht nur Gelegenheit zur Stellungnahme gibt, sondern wenn es die Stellungnahme der Partei auch zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht (Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl., Art. 103 Rn. 23 m. w. Nachw.). Das hat das AG Saarlouis versäumt.

Zur Frage der örtlichen Zuständigkeit angehört, hat nämlich die Klägerin ausdrücklich vorgetragen, sie gehe „zweierlei Rechtsgründen“ gegen den Beklagten vor. Damit hat die Klägerin verdeutlicht, dass sie keineswegs – die Annahme des AG Saarlouis unterstellt, es handele sich um zwei unterschiedliche Streitgegenstände – ihr auf die Ausübung des gesetzlichen Rücktrittsrechts gestütztes Rückabwicklungsverlangen fallengelassen hat und lediglich einen bereicherungsrechtlichen Herausgabeanspruch geltend machen wolle. Damit hat das AG Saarlouis, das sich für das ursprüngliche Rückabwicklungsbegehren zu Recht für zuständig gehalten hat, Antrag, Vorbringen und Interessenlage der Klägerin nicht zur Kenntnis genommen. Zwar kann der ursprünglich erhobene Anspruch auf Rückabwicklung nur begründet sein, wenn der Kaufvertrag der Parteien nicht durch eine wirksame Anfechtung der Klägerin vernichtet worden ist. Dass die Anfechtung der Klägerin indessen wirksam ist, ist nicht entschieden. Äußerungen des Beklagten zur Zahl der Vorbesitzer des Kraftfahrzeugs und seinem Wissen um sie fehlen und sind mangels wirksamer Setzung einer die Präklusion erlaubenden Frist durch das AG Saarlouis auch nicht auszuschließen. Daher kann keinesfalls davon ausgegangen werden, dass die Klägerin ihr in die unbestreitbare örtliche Zuständigkeit des AG Saarlouis fallendes Rückabwicklungsbegehren aufgegeben hat oder fallen lassen wird.

Sollte das AG Saarlouis in seinem weiteren Verfahren zu der Überzeugung gelangen, die Anfechtung der Klägerin wegen arglistiger Täuschung greife durch, und sollte es weiterhin die Rechtsauffassung vertreten, ihre Einführung in den Rechtsstreit stelle einen anderen Streitgegenstand dar, und sollte es darüber hinaus weiterhin die Auffassung vertreten, auch ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung aufgrund einer wirksamen Anfechtung des Käufers wegen arglistiger Täuschung über die Mangelfreiheit der Kaufsache sei am Wohnsitz des Verkäufers zu erfüllen, sollte es unter Würdigung der Entscheidung des BGH (NJW 2003, 828) eine entsprechende Anwendung von § 17 II 1 GVG nicht für möglich halten und auch den zur arglistigen Täuschung vorgetragenen Sachverhalt nicht einem den klägerischen Antrag tragenden Anspruch aus unerlaubter Handlung subsummieren können, so käme dann in der Tat bei Abweisung des ursprünglichen vertragsrechtlichen Rückabwicklungsbegehrens eine Teilverweisung an das AG Trier zur Entscheidung über das bereicherungsrechtliche Herausgabeverlangen in Betracht. Darüber zu befinden, obliegt allerdings allein dem für den von der Klägerin weiter geltend gemachten Anspruch auf Rückabwicklung allein zuständigen AG Saarlouis.

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