1. Ein Mangel an einem Kraftfahrzeug ist immer dann im Wege der Nachbesserung unbehebbar, wenn er vom Verkäufer nicht restlos, dauerhaft und wertminderungsfrei beseitigt werden kann. Das ist nicht nur bei „Unfallschäden“ anzunehmen; vielmehr stellen diese lediglich den Standardfall eines unbehebbaren Mangels beim Gebrauchtwagenkauf dar.
  2. Die Vermutung des § 476 BGB kommt erst zum Tragen, wenn dem Käufer der Nachweis gelungen ist, dass überhaupt ein Sachmangel i. S. des § 434 BGB vorhanden ist („Ob-Überhaupt-Beweis“).

OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.08.2008 – I-1 U 168/07

Sachverhalt: Der Kläger verlangt nach einem Gebrauchtwagenkauf im Wege der Minderung die Rückzahlung eines Teils des Kaufpreises sowie den Ersatz von Lackierkosten.

Dem Streit liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde: Gemäß schriftlicher Bestellung vom 06.09.2005 kaufte der Kläger von dem beklagten Autohaus einen Pkw (Erstzulassung 29.06.2005) zum Preis von 12.000 €. Die Beklagte hatte das Fahrzeug Anfang Juni 2005 als Neufahrzeug erworben. Nach der Zulassung am 29.06.2005 wurde das Fahrzeug als Vorführwagen eingesetzt. Bei der Übernahme durch den Kläger am 20.09.2005 soll der Wagen nach der Behauptung der Beklagten in einwandfreiem Zustand gewesen sein; insbesondere habe man mit dem Wagen keinen Unfallschaden gehabt. Er sei auch nicht nachlackiert worden. Demgegenüber behauptet der Kläger, dass das Fahrzeug vor der Übergabe an ihn nachlackiert worden sei. Das sei ihm zunächst nicht aufgefallen, jedoch anlässlich eines Werkstattaufenthalts entdeckt worden.

Unstreitig war der Wagen Anfang März 2006 in einer Werkstatt. Dort wurden im Auftrag des Klägers Arbeiten am hinteren Stoßfänger und den linksseitigen Türen bzw. einer Tür sowie Lackierungsarbeiten im Umfang von insgesamt 800,01 € (brutto) durchgeführt. Diesen Betrag macht der Kläger im Wege des Schadensersatzes mit der Begründung geltend, es hätten erhebliche Farbabweichungen zur linken Fahrzeugseite bestanden, die hätten ausgeglichen werden müssen. Das gehe zulasten der Beklagten, denn nur durch das Fehlen der Originallackierung bzw. infolge der Nachlackierung seien die „Anpassungsarbeiten“ erforderlich gewesen. Zusätzlich verlangt der Kläger die Rückzahlung von 4.800 €. Diesen Betrag habe er infolge des Fahrzeugmangels zu viel gezahlt, sodass er eine entsprechende Minderung verlangen könne.

Das Landgericht hat die Klage ohne Beweisaufnahme mit der Begründung abgewiesen, ein Schadensersatzanspruch des Klägers (§ 280 I BGB) setze ein Verschulden der Beklagten voraus. Dafür sei nichts ersichtlich. Auch habe der Kläger der Beklagten nicht die erforderliche Frist zur Nacherfüllung gesetzt, sodass er zu einer Minderung des Kaufpreises nicht berechtigt sei. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: II. … Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

1. Nicht tragfähig ist allerdings die Auffassung der erstinstanzlichen Richterin, dem geltend gemachten Anspruch auf Minderung (§§ 437 Nr. 2 Fall 2, 441 BGB) stehe bereits der Umstand entgegen, dass der Kläger keine Frist zur Nacherfüllung, hier Nachbesserung, gesetzt habe. Nach dem vom Kläger vorgetragenen und unter Beweis gestellten Sachvortrag handelt es sich um einen Fall der Unmöglichkeit der Nacherfüllung in beiden Varianten.

Der Kläger hat ausdrücklich behauptet, ihm sei ein „Unfallfahrzeug“ verkauft worden. Entgegen der Ansicht des Landgerichts stellt dies keine „Behauptung ins Blaue hinein“ dar. Der Kläger hat zwar kein bestimmtes Unfallereignis vorgetragen, beispielsweise eine Kollision im Straßenverkehr oder eine sonstige Beschädigung, etwa auf dem Betriebsgelände der Beklagten. Da der Kläger insoweit über keinerlei Informationen verfügte, war er außerstande, in diesem Punkt einen konkreten Sachvortrag zu unterbreiten. Da die Beklagte vorgerichtlich, nämlich mit Schreiben vom 05.04.2006, mitgeteilt hatte, in ihrem Bereich keinen Unfallschaden repariert zu haben und auch keine Nachlackierung durchgeführt zu haben, bestand für den Kläger keine Veranlassung, in dieser Frage weitere Nachforschungen anzustellen, um seinen Verdacht, einen Unfallwagen gekauft zu haben, durch konkrete Einzeltatsachen zu einem etwaigen Unfallereignis zu untermauern. Dies umso weniger, als das Fahrzeug auf die Beklagte erstzugelassen war. Diese hatte den Wagen … erworben und bis zur Bestellung durch den Kläger als Vorführwagen eingesetzt, wobei die vergleichsweise geringe Fahrstrecke von knapp 1.100 km zurückgelegt wurde. Bei dieser Sachlage konnte und durfte der Kläger seine Behauptung, ihm sei ein „Unfallfahrzeug“ verkauft worden, allein auf den Zustand der Lackierung stützen. Behauptet hat er, die linke Seite des Fahrzeugs sei nachlackiert worden, ferner die Motorhaube. Der hierbei verwendete Lack sei nicht derjenige gewesen, den der Hersteller verwende.

Ergänzt wird dieser Sachvortrag durch den vom Kläger überreichten Prüfbericht … Darin heißt es unter der Rubrik „Was wurde festgestellt?“: Erkennbare Nachlackierung: Motorhaube, Tür vorne rechts, Tür hinten links, Seitenteil links. Lackwerte bis 225 μ. Diese Feststellungen  … hat der Kläger sich ersichtlich zu eigen gemacht und ergänzend weiter vorgetragen, dass die Nachlackierungen wahrscheinlich von zwei Personen bzw. zu unterschiedlichen Zeitpunkten vorgenommen worden seien. Dieser Sachvortrag reicht aus, um einen Fahrzeugmangel darzulegen, dessen Beseitigung rechtlich unmöglich ist.

Im Wege der Nachbesserung unbehebbar ist ein Mangel immer dann, wenn er vom Verkäufer nicht restlos, dauerhaft und wertminderungsfrei beseitigt werden kann. Unbehebbarkeit in diesem Sinne ist nicht nur bei „Unfallschäden“ anzunehmen. Dies ist lediglich der Standardfall der Unbehebbarkeit in Fällen des Gebrauchtwagenkaufs. Die Eigenschaft, ein „Unfallfahrzeug“ zu sein, ist in der Tat irreversibel. Sie haftet dem Fahrzeug auf Dauer an und kann durch keine Nachbesserungsmaßnahme beseitigt werden. Allerdings dürfen die Begriffe „Unfallwagen“ bzw. „Unfalleigenschaft“ nicht zu eng verstanden werden. Es geht nicht nur um Unfallereignisse im Straßenverkehr. Auch die vom Landgericht angesprochenen „Transport- oder Einparkschäden“ sind rechtlich Unfallschäden im Sinne der Rechtsprechung zur Unbehebbarkeit eines Mangels.

Selbst wenn ein Fahrzeug nicht als „Unfallfahrzeug“ einzustufen ist, kann eine dem Käufer nicht aufgedeckte Beschädigung der Karosserie als ein unbehebbarer Mangel zu qualifizieren sein. Wenn bei der Beseitigung der Beschädigung ein technischer oder merkantiler Minderwert zurückbleibt, stellt dies einen Umstand dar, der im Wege der Nachbesserung nicht aus der Welt zu schaffen ist.

Unabhängig von der Frage, ob die Beklagte die Nacherfüllung ernsthaft und endgültig verweigert hat, wie der Kläger mit beachtlichen Gründen geltend macht, entfällt die Nacherfüllung und damit auch die an sich grundsätzlich erforderliche Fristsetzung aus Gründen der Unmöglichkeit (§ 326 V BGB, entsprechend anwendbar auf die Minderung). Gleichwohl erweist sich das angefochtene Urteil im Ergebnis als richtig. Die Beklagte haftet weder unter dem Gesichtspunkt der Sachmängelhaftung noch aus einem anderen rechtlichen Grund.

2. Soweit der Kläger vertragliche Ansprüche, hier: Minderung und Schadensersatz, verfolgt, steht seiner Klage nicht der Umstand entgegen, dass er mit vorgerichtlichem Schreiben vom 29.03.2006 die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erklärt hat. Anders wäre es nur, wenn die Anfechtung wirksam wäre. Das ist nicht der Fall. Von einer arglistigen Täuschung des Klägers kann nach den gesamten Umständen des Falls nicht ausgegangen werden. Damit bleibt Raum für vertragliche Ansprüche, insbesondere aus Sachmängelhaftung.

a) Grundvoraussetzung für den Anspruch aus Minderung ist eine Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs im Zeitpunkt der Übergabe. Davon hat der Senat sich nicht überzeugen können. Erwogen hat er, dem Kläger die Beweisvermutung des § 476 BGB zugutekommen zu lassen. Sie verhilft dem Kläger jedoch nicht zum Erfolg. Denn dem Kläger ist nicht der ihm auch in seiner Eigenschaft als Verbraucher obliegende Nachweis gelungen, dass überhaupt ein Sachmangel i. S. des § 434 BGB vorhanden ist. Nur wenn ein solcher Sachmangel feststünde und er sich innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 476 BGB gezeigt hätte, könnte zugunsten des Klägers die Beweisvermutung eingreifen, dass dieser Mangel bereits im Zeitpunkt der Auslieferung des Fahrzeugs an ihn (20.09.2005) vorhanden war.

b) Der vom Kläger zu führende sogenannte Ob-Überhaupt-Beweis ist ihm nicht gelungen. Der Senat kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere mit Rücksicht auf das von ihm eingeholte Gutachten, nicht die Feststellung treffen, dass ein Sachmangel überhaupt vorhanden ist. Der Fall wäre das, wenn der vom Kläger erworbene Pkw sich für die gewöhnliche Verwendung nicht eignet oder eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art nicht üblich ist oder von einer Beschaffenheit ist, die der Kläger nach der Art der Sache nicht erwarten konnte (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB).

Dass dem Fahrzeug eine vereinbarte Beschaffenheit fehlt, ist vom Kläger nicht vorgetragen. Dafür ist auch nichts ersichtlich. Gleiches gilt für die Mangelhaftigkeit nach § 434 I 2 Nr. 1 BGB (vertraglich vorausgesetzte Verwendung). Für die gewöhnliche Verwendung war der [Wagen] zweifellos geeignet. Der Wagen konnte vom Kläger bestimmungsgemäß genutzt werden. Wenn ein Fall der Mangelhaftigkeit anzunehmen ist, dann allein im Hinblick auf die beiden anderen Kriterien des § 434 I 2 Nr. 2 BGB. Die übliche Beschaffenheit würde dem Wagen gewiss fehlen, wenn es sich um ein „Unfallfahrzeug“ handelte. Das ist nicht der Fall, selbst wenn man von einem weiten Verständnis des Unfallbegriffs ausgeht.

c) Die Behauptung des Klägers, ihm sei ein „Unfallfahrzeug“ verkauft worden, hat nach dem Ergebnis der gutachterlichen Prüfung keine Bestätigung gefunden. Dass der Sachverständige S die Definition „Unfallfahrzeug“ im Hinblick auf die von ihm festgestellten Nachlackierungen bestimmter Teile für unangebracht hält, ist allerdings nicht entscheidend. Maßgebend ist vielmehr, ob das Fahrzeug von einer Beschaffenheit war, die bei einem Vorführwagen unüblich und auch nicht erwartungsgerecht ist.

Wenn keine besonderen Umstände vorliegen, kann der Käufer i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB erwarten, dass das Fahrzeug keinen Unfall erlitten hat, bei dem es zu mehr als „Bagatellschäden“ gekommen ist. Dies gilt in verstärktem Maße beim Kauf eines Vorführwagens mit einer vergleichsweise geringen Laufleistung von etwas mehr als 1.000 km. Bei einem solchen Fahrzeug ist die bei Pkw ohnehin eng zu ziehende Bagatellschadensgrenze zugunsten des Vorführwagenkäufers noch strenger zu ziehen.

Doch auch unter Anlegung dieses strengen Maßstabes kann der Senat nicht feststellen, dass [das Fahrzeug] von unüblicher und vom Kläger nicht zu erwartender Beschaffenheit gewesen ist. Fest steht allerdings, dass der Wagen an zwei Stellen nachlackiert worden ist. An der hinteren linken Seitenwand und auch an der Motorhaube sind Lackierarbeiten vorgenommen worden, die von dem Sachverständigen S als „Nachlackierungen“ bezeichnet werden. Den Grund für diese Arbeiten hat der Sachverständige ebenso wenig ermitteln können wie den Zeitpunkt. Letzteres wäre gegebenenfalls für die Klage unschädlich, weil dem Kläger insoweit die Beweisvermutung des § 476 BGB, wie im Senatstermin angedeutet, helfen könnte. Nicht befreit ist der Kläger indes, wie bereits ausgeführt, von dem Nachweis einer vertragswidrigen Beschaffenheit.

Nachlackierungen als solche stellen auch bei einem Vorführwagen nicht stets und zwingend einen Fall der Mangelhaftigkeit i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB dar. So sind Nachlackierungen, die der Hersteller im Werk veranlasst hat, im Allgemeinen beanstandungsfrei. Anders können die Dinge bei Nachlackierungen bzw. Neulackierungen außerhalb des Herstellerwerks liegen.

Von einem solchen Fall ist zugunsten des Klägers auszugehen, zumal der Sachverständige bemerkt hat, die Nachlackierungen seien mit hoher Sicherheit „anschließend“, d. h. nach Verlassen des Werks, durchgeführt worden. Das bedeutet, dass sie nur in der Sphäre der … oder der Beklagten oder des Klägers stattgefunden haben können. Insoweit hat der Sachverhalt nicht aufgeklärt werden können. Nach dem Gutachten des Sachverständigen ist lediglich auszuschließen, dass Unfallbeschädigungen im Sinne von Blechverformungen an der Motorhaube und an der Seitenwand hinten links der Grund gewesen sind. Insoweit hat sich die Mitteilung der Beklagten im Schreiben vom 05.04.2006, man habe an dem Fahrzeug „keinen Unfallschaden“ repariert, als richtig herausgestellt. Ob die Beklagte Lackierarbeiten an dem Fahrzeug vorgenommen hat oder nicht, kann der Senat nicht feststellen. Denkbar ist, dass man im Zuge der Entfernung der an dem Fahrzeug befindlichen Schriftzüge die fraglichen Stellen nachlackiert hat. Mehr als eine bloße Vermutung ist das indes nicht. Wenn dies der Grund sein sollte, könnte der Kläger daraus keine Rechte herleiten, denn gemäß Kaufvertrag war die Beklagte dazu verpflichtet, die Schriftzüge ohne Rückstände zu entfernen. Allerdings durfte sie dabei nicht den Lack beschädigen, und eine etwa erforderliche Nachlackierung musste fachlich einwandfrei erfolgen (für Mangelfreiheit trotz Nachlackierung auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 08.11.2002 – 3 U 37/02, und OLG Koblenz, Urt. v. 05.09.2002 – 5 U 140/02).

Die Nachlackierungen als solche sind nicht zu beanstanden. Der Kläger hat sie über Monate nicht bemerkt. Unregelmäßigkeiten im Lack sind erst anlässlich eines Werkstattaufenthalts von Mitarbeitern der Firma R im Januar/Februar 2006 festgestellt worden. Die Ungewissheit darüber, wer die Nachlackierungen aus welchem Grund vorgenommen hat, begründet unter den gegebenen Umständen keine Vertragswidrigkeit.

Nach alledem ist dem Kläger nicht der Nachweis gelungen, dass das von ihm gekaufte Fahrzeug mangelhaft gewesen ist. Infolgedessen ist die Berufung … zurückzuweisen. …

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