1. Ohne gegenteilige Anhaltspunkte darf ein durchschnittlicher Gebrauchtwagenkäufer davon ausgehen, dass das Fahrzeug so alt ist, wie das im Fahrzeugbrief (Zulassungsbescheinigung Teil II) eingetragene und im Kaufvertrag in Bezug genommene Datum der Erstzulassung vermuten lässt. Der Durchschnittskäufer darf erwarten, dass das Fahrzeug in demjenigen Jahr gebaut worden ist, auf das der Zeitpunkt der mitgeteilten Erstzulassung schließen lässt. Eine längere Spanne als zwölf Monate zwischen Produktion und dem Zeitpunkt der Erstzulassung muss er in der Regel nicht einkalkulieren.
  2. Erklärungen, die ein Kraftfahrzeughändler unter Einschränkungen wie „laut Fahrzeugbrief“ oder „laut Vorbesitzer“ abgibt, sind weder Zusicherungen noch Beschaffenheitsgarantien.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.06.2008 – I-1 U 231/07

Sachverhalt: Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger das Recht hat, von einem Kaufvertrag über einen Pkw zurückzutreten.

Dem Vertrag liegt die „verbindliche Bestellung eines gebrauchten Fahrzeugs“ vom 23.06.2006 zugrunde. Gegenstand der Bestellung ist ein als „gebrauchtes Fahrzeug“ bezeichneter VW Golf V mit einer Laufleistung von 10 km, später einverständlich korrigiert auf 228 km. Das Datum der „Erstzulassung lt. Fzg-Brief“ ist mit „27.04.2006“ notiert. Eine Baujahrsangabe fehlt im Bestellschein. Unstreitig wurde das Fahrzeug bereits Ende September 2003 produziert. Exportiert und reimportiert wurde es nicht, wie im Bestellschein ausdrücklich vermerkt ist. In der Zeitspanne von rund 31 Monaten zwischen dem Datum der Produktion und dem Datum der Erstzulassung sieht der Kläger einen erheblichen, zum Rücktritt berechtigenden Mangel. Er habe angenommen, ein Fahrzeug des Baujahrs 2006 zu erhalten. Mit Anwaltsschreiben vom 08.12.2006 trat der Kläger vom Kauf zurück und erklärte außerdem die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung.

Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: II. … Mit dem Landgericht ist der Senat der Ansicht, dass der Kläger zum Rücktritt vom Kauf berechtigt ist (§ 437 Nr. 2, §§ 323 I, 326 V BGB).

1. Das Fahrzeug ist mangelhaft. Das folgt jedenfalls aus § 434 I 2 Nr. 2 BGB. Ob die Kaufvertragsparteien mündlich eine Beschaffenheitsvereinbarung über das Alter getroffen haben, wie vom Kläger behauptet und unter Beweis gestellt, kann offenbleiben. Nach den Vertragsurkunden, insbesondere der schriftlichen Bestellung vom 23.06.2006, sieht der Senat keine tragfähige Grundlage für die Annahme einer Beschaffenheitsvereinbarung über das Fahrzeugalter. Der Kläger hat den VW Golf nicht als „Neuwagen“ oder als „Jahreswagen“ gekauft, womit Vereinbarungen über das Alter, anerkanntermaßen ein Merkmal der Beschaffenheit eines Kraftfahrzeugs, verbunden wären. Vielmehr wurde das Fahrzeug als „gebraucht“ gekauft, wenn auch mit einer für ein Gebrauchfahrzeug ungewöhnlich niedrigen Laufleistung von 10 km. Typischerweise ist das eine Fahrleistung von Fahrzeugen der Kategorie „Tageszulassung/Kurzzulassung“.

a) Ausweislich des Kaufvertragsformulars wurde der VW Golf am 27.04.2006 erstmals zum Straßenverkehr zugelassen, damit rund zwei Monate vor der Bestellung durch den Kläger. Der Senat sieht in der Bestellscheineintragung „Erstzulassung lt. Fzg-Brief: 27.04.2006“ keine Beschaffenheitsangabe, sondern lediglich eine Wissensmitteilung. Das ist die Konsequenz aus der Entscheidung des BGH vom 12.03.2008 (Urt. v. 12.03.2008 – VIII ZR 253/05, NJW 2008, 1517). Hiernach sind Erklärungen, die ein Kraftfahrzeughändler unter Einschränkungen wie „lt. Fzg-Brief“ oder „laut Vorbesitzer“ abgibt – anders als unter der Geltung des alten Kaufrechts –, nicht mehr als Zusicherungen bzw. Beschaffenheitsgarantien einzustufen. Selbst eine Beschaffenheitsvereinbarung kommt nach Ansicht des BGH nur noch in einem eindeutigen Fall in Betracht. Verneint hat der BGH eine Beschaffenheitsvereinbarung bei der Angabe „Unfallschäden lt. Vorbesitzer: nein“, für die Angabe „PS/kW lt. Fzg-Brief“ sowie für die Mitteilung „Gesamtfahrleistung laut Vorbesitzer“. Angaben zur Erstzulassung, die, wie im Streitfall, auf den Fahrzeugbrief (heute: Zulassungsbescheinigung Teil II) Bezug nehmen, werden in der oben angegebenen Entscheidung des BGH zwar nicht ausdrücklich angesprochen. Die Neubewertung von Händlerinformationen des hier in Rede stehenden Typs gilt jedoch für die Angabe „Erstzulassung lt. Fzg-Brief“ gleichermaßen. Dabei verkennt der Senat nicht, dass der BGH in einer älteren Entscheidung die handschriftliche Eintragung eines genauen Datums hinter dem vorgedruckten Wort „Erstzulassung“ als Beschaffenheitsangabe angesehen hat (BGH, Urt. v. 16.10.1991 – VIII ZR 140/90, NJW 1992, 170). Abgesehen davon, dass seinerzeit die Bezugnahme auf den Fahrzeugbrief als Quelle der Information gefehlt hat, stellt der BGH heute, unter den geänderten Rahmenbedingungen nach der Schuldrechtsmodernisierung, beim Gebrauchtwagenkauf generell höhere Anforderungen selbst an die Annahme einer bloßen Beschaffenheitsvereinbarung.

b) Aber selbst wenn man die Angabe „Erstzulassung lt. Fzg-Brief: 27.04.2006“ als verbindliche Zusage der Richtigkeit des mitgeteilten Datums der Erstzulassung qualifiziert, ist damit noch keine Vereinbarung über das Alter des Fahrzeugs getroffen.

Wie das Landgericht, wenn auch in anderem Zusammenhang, zu Recht hervorhebt, kann das Datum der Erstzulassung im Einzelfall, nicht allgemein, ganz erheblich vom Herstellungsdatum abweichen. Das ist dem Senat aus einer Vielzahl ähnlicher Rechtstreitigkeiten bekannt. Für Abweichungen zwischen den beiden Zeitpunkten gibt es selbst bei Fahrzeugen, die, wie der streitgegenständliche VW Golf, nicht reimportiert sind, vielfältige Gründe. Auf der anderen Seite darf nicht verkannt werden, dass ein Kraftfahrzeughändler dazu in der Lage ist, seine Kundschaft über das (Gesamt-)Alter eines gebrauchten Kraftfahrzeuges zumindest durch Mitteilung des Baujahres oder des Modelljahres zu informieren. Dies gilt insbesondere für Vertragshändler, die ein Produkt ihrer eigenen Marke anbieten. Sie und ihre Verkaufsberater verfügen über die erforderlichen Informationen, um zumindest das Modelljahr, wenn nicht gar das genaue Produktionsdatum, feststellen zu können.

Von besonderer Bedeutung ist insoweit die Fahrzeugidentifizierungsnummer bzw. Fahrgestellnummer. Diese 17-stellige Nummer hat einen speziellen Aufbau. Ausweislich der vom Kläger vorgelegten Urkunde („Fahrgestellnummer des VW-Golf entschlüsseln“) kodiert das zehnte Zeichen das Modelljahr. Es soll im Mai/Juni beginnen und wird immer mit der Jahreszahl bezeichnet, in der es endet. Die Zahl 4, die bei der Nummer für das Fahrzeug des Klägers an zehnter Stelle steht, weist demnach auf das Modelljahr 2004 hin. Ein VW Golf des Modelljahrs 2004 kann in 2004, aber auch bereits im Jahr 2003 produziert worden sein. So liegen die Dinge hier. Der Produktionsmonat ist unstreitig September 2003. Diese Zusammenhänge sind einem Durchschnittskäufer bei Abschluss des Kaufvertrags weitgehend unbekannt. Anders als ein Kfz-Händler kann er die Fahrzeug-Identifizierungsnummer bzw. Fahrgestellnummer nicht ohne Weiteres entschlüsseln, zumal Aufbau und Codierung der Nummern von Hersteller zu Hersteller unterschiedlich sind und selbst bei ein und demselben Hersteller, wie beispielsweise VW, je nach Fahrzeugalter differieren. Ohne präzise Information des Händlers über das Fahrzeugalter bleibt einem (durchschnittlichen) Kaufinteressenten als Orientierungsgröße lediglich das mitgeteilte Datum der Erstzulassung. Nach Ansicht des OLG Karlsruhe (Urt. v. 26.05.2004 – 1 U 10/04, NJW 2004, 2456) liegt in der Aufnahme des Datums der Erstzulassung in den Vertragstext die konkludente Vereinbarung, dass das Datum der Herstellung „jedenfalls nicht mehrere Jahre davon abweicht“ (ebenso OLG Nürnberg, Urt. v. 21.03.2005 – 8 U 2366/04, NJW 2005, 2019; OLG Celle, Urt. v. 13.07.2006 – 11 U 254/05, SVR 2006, 463; LG Bautzen, Urt. v. 20.07.2005 – 2 O 339/05, DAR 2006, 281; s. auch OLG Oldenburg, Urt. v. 28.10.2005 – 6 U 155/05, MDR 2006, 630). Mit welcher Abweichung der Käufer rechnen müsse, wo also die Zeitgrenze zwischen vertragsgemäß und vertragswidrig verläuft, bleibt in den meisten Entscheidungen offen, weil die Abweichungen in den Streitfällen so erheblich waren, dass eine untere Grenze nicht festgelegt werden musste.

c) Der erkennende Senat hat bereits Bedenken, ob die Annahme einer konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung in Fällen der vorliegenden Art überhaupt gerechtfertigt ist. Für vorzugswürdig hält er eine Lösung anhand der objektiven Kriterien des § 434 I 2 Nr. 2 BGB. Hiernach ist eine Sache mangelfrei, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Die gewöhnliche Verwendung steht hier nicht im Streit. Indes ist ein Gebrauchtwagen nicht schon dann mangelfrei, wenn er sich für die gewöhnliche Verwendung eignet, also zulassungsfähig und fahrtüchtig ist (BGH, Urt. v. 10.10.2007 – VIII ZR 330/06, NJW 2008, 53). Auch die beiden anderen Voraussetzungen müssen vorliegen, andernfalls ist das Kaufobjekt mangelhaft.

Mit Blick auf den streitgegenständlichen VW Golf ist Mangelhaftigkeit deshalb anzunehmen, weil das Fahrzeug älter war als üblich und auch älter, als der Kläger unter den gegebenen Umständen erwarten konnte. Im Inland produzierte Pkw, die nicht in den Export gehen, werden überwiegend innerhalb von zwölf Monaten nach der Produktion zum öffentlichen Verkehr (erst-)zugelassen. Das ist der normale Lauf der Dinge, wie er – nicht zuletzt als Folge der sogenannten Zwölfmonatsrechtsprechung des BGH (Urt. v. 15.10.2003 – VIII ZR 227/02, NJW 2004, 160; Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 180/05, NJW 2006, 2694) – seit einigen Jahren zu beobachten ist. Ohne gegenteilige Anhaltspunkte darf ein durchschnittlicher Gebrauchtwagenkäufer davon ausgehen, dass das Fahrzeug dieser „Normalbeschaffenheit“ entspricht, es so alt ist, wie das im Fahrzeugbrief (Zulassungsbescheinigung Teil II) eingetragene und im Kaufvertrag in Bezug genommene Datum der Erstzulassung vermuten lässt. Dieses Datum ist, wie bereits angedeutet, praktisch der einzige Anhalt für den nicht gezielt aufgeklärten Käufer, soweit es um die Einschätzung des Fahrzeugalters geht. Schutzwürdig ist der Käufer in der Erwartung, dass das Fahrzeug in demjenigen Jahr gebaut worden ist, auf das der Zeitpunkt der mitgeteilten Erstzulassung schließen lässt (ebenso LG Bautzen, Urt. v. 20.07.2005 – 2 O339/05, DAR 2006, 281). Eine längere Spanne als zwölf Monate zwischen Produktion und dem Zeitpunkt der Erstzulassung muss der Durchschnittskäufer eines Pkw in der Regel nicht einkalkulieren (so auch Ludyga, DAR 2007, 232).

d) Im Streitfall liegen zwischen dem Datum der Herstellung (September 2003) und dem Zeitpunkt der Erstzulassung (27.04.2006) rund 31 Monate. Das begründet, wie ausgeführt, einen Sachmangel gemäß § 434 I 2 Nr. 2 BGB. Nach der Verkehrsanschauung ist die Lagerdauer für die Wertschätzung eines Kraftfahrzeugs von wesentlicher Bedeutung. Das gilt auch für solche Käufer, die kein neues im Sinne von fabrikneues Kraftfahrzeug erwerben. Der Kläger wollte erkennbar einen „jungen“ Gebrauchtwagen mit einer Händlerzulassung erwerben. Angesichts einer Laufleistung von 10 km und einer erst zwei Monate zurückliegenden Erstzulassung handelte es sich eher um einen Neuwagen als um ein Gebrauchtfahrzeug. Auch deshalb hat der Senat keine durchgreifenden Bedenken, eine vertragswidrige Beschaffenheit und damit einen Sachmangel anzunehmen (vgl. auch BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 180/05, NJW 2006, 2694 [Jahreswagen]).

2. Ein Recht vom Vertrag zurückzutreten, stünde dem Kläger gleichwohl nicht zu, wenn der Rücktritt nach § 323 V 2 BGB ausgeschlossen wäre. Das ist entgegen der Ansicht der Berufung nicht der Fall.

Ein Käufer kann vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung nur unerheblich ist. Diesen Ausschlussgrund darzulegen und die entsprechenden Tatsachen zu beweisen, ist Sache des Verkäufers. Das Verteidigungsvorbringen der Beklagten rechtfertigt es nicht, von einem Fall der Unerheblichkeit auszugehen. Denn die „Pflichtverletzung“ … ist nach ihrem eigenen Vortrag nicht unerheblich i. S. des § 323 V 2 BGB.

a) Das Landgericht hat sich mit der sogenannten Bagatellfrage zwar nicht ausdrücklich auseinandergesetzt. Seine Ausführungen lassen indes keinen Zweifel daran, dass es von einer erheblichen Pflichtverletzung der Beklagten ausgegangen ist. Immerhin sieht es den objektiven Tatbestand des Betrugs als erfüllt an. Dem Verkäufer der Beklagten, dem Zeugen P, legt das Landgericht zur Last, den Kläger durch eine bewusst unvollständige Angabe über das Vorhandensein einer verkehrswesentlichen Eigenschaft getäuscht zu haben. Das ist nichts anderes als der Vorwurf der arglistigen Täuschung. Träfe er zu, wäre der Kläger selbst dann zum Rücktritt berechtigt, wenn die Vertragswidrigkeit, rein objektiv betrachtet, als unerheblich eingestuft werden müsste (vgl. BGH, Urt. v. 24.03.2006 – V ZR 173/05, NJW 2006, 1960 = DAR 2006, 448 [Grundstückskauf]). Wenn der Verkäufer über das Vorhandensein eines Mangels arglistig getäuscht hat, ist eine unerhebliche Pflichtverletzung in der Regel zu verneinen.

b) Ob der Kläger das Opfer einer arglistigen Täuschung geworden ist, wie er behauptet, kann der Senat offenlassen. Fahrlässigkeit aufseiten der Beklagten liegt auf jeden Fall vor. Abgesehen davon hat der Mangel selbst bei einer Betrachtung, die das Verschulden ausklammert, genügend Gewicht, um den Rücktritt des Klägers zu rechtfertigen. Das folgt allerdings nicht schon daraus, dass es hier um einen nicht behebbaren Mangel geht. Dass bei einem nicht behebbaren Mangel wie dem hier in Rede stehenden stets eine erhebliche Pflichtverletzung anzunehmen sei, ist nach Ansicht des Senats eine zu strenge Sichtweise (siehe auch BGH, Urt. v. 12.03.2008 – VIII ZR 253/05, NJW 2008, 1517 [unter II a. E.]).

Wie der erkennende Senat in einer Vielzahl von Entscheidungen zur Erheblichkeitsproblematik (§ 323 V 2 BGB, § 281 I 3 BGB) näher ausgeführt hat, ist eine umfassende Interessenabwägung geboten. Ob eine erhebliche oder nur unerhebliche Pflichtverletzung vorliegt, bestimmt sich in einem Fall der Mangelhaftigkeit im Sinne der objektiven Kriterien des § 434 I 2 Nr. 2 BGB nach objektiven Gesichtspunkten, insbesondere nach dem objektiven Ausmaß der Vertragswidrigkeit und der sich daraus ergebenden Beeinträchtigung des Äquivalenzinteresses des Käufers (vgl. Senat, Urt. v. 08.01.2007 – I-1 U 177/06, NJOZ 2008, 601 = ZGS 2007, 157). Der BGH hat entschieden, dass von einer unerheblichen Pflichtverletzung auszugehen ist, wenn der Sachmangel den Wert oder die Tauglichkeit der Kaufsache nur unerheblich i. S. von § 459 I 2 BGB a.F. mindert. Einschlägige Rechtsprechung zu „Altersfällen“, die unter der Geltung des § 459 BGB a.F. entschieden worden sind, kann als Richtschnur nicht herangezogen werden. Allerdings hat der BGH auch in Fällen aus der Zeit vor der Schuldrechtsmodernisierung wiederholt betont, dass es sich bei dem Alter um eine wesentliche Eigenschaft eines Kraftfahrzeugs handelt. Auch in seiner aktuellen Rechtsprechung betont der VIII. Zivilsenat des BGH, dass es entscheidend auf das Gesamtalter des Fahrzeugs einschließlich der vor der Erstzulassung liegenden Standzeit ankomme. Das sei nicht nur bei dem Kauf von Neuwagen so, sondern auch bei dem Erwerb von Jahreswagen (BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 180/05, NJW 2006, 2694). Keiner näheren Begründung bedarf es, dass der Wert eines Fahrzeugs, das regelmäßig als längerfristiges Wirtschaftsgut angeschafft wird, erheblich durch die Tatsache beeinflusst wird, aus welchem Baujahr es stammt. Neben der Laufleistung ist das Alter der entscheidende wertbildende Faktor. Die noch vertragsgemäße Standzeit bzw. Lagerdauer von maximal zwölf Monaten war im Streitfall bei Weitem überschritten. Seit der Herstellung des VW Golf im September 2003 bis zur Erstzulassung im April 2006 waren rund 31 Monate verstrichen. Bei Annahme einer Toleranzzeit von zwölf Monaten ist das eine Überalterung nicht von 15 Monaten wie die Berufung errechnet hat, sondern von mindestens eineinhalb Jahren. Das liegt nach Einschätzung des Senats bei einem so jungen Fahrzeug, wie der Kläger es erwerben wollte, jenseits der Bagatellgrenze des § 323 V 2 BGB.

Auf dieser Linie liegt auch die Entscheidung des OLG Nürnberg vom 21.03.2005 – 8 U 2366/04, NJW 2005, 2019 –, wonach ein Käufer zum Rücktritt berechtigt ist, wenn ein Fahrzeug mit der Angabe „Modelljahr 2002“ verkauft wird, es aber aus dem Modelljahr 2001 stammt. Eine Abweichung von zwölf Monaten hat dem OLG Nürnberg demnach genügt, um eine erhebliche „Pflichtverletzung“ anzunehmen. Dabei hat es von der Prüfung abgesehen, ob der objektive Marktwert eines Fahrzeugs des Modelljahres 2002 von dem eines Fahrzeugs des Modelljahres 2001 abweicht.

Auch der Senat sieht keine Veranlassung, durch ein Sachverständigengutachten klären zu lassen, ob und inwieweit sich das zu hohe Gesamtalter des VW Golf wertmäßig niederschlägt. Die Erheblichkeitsfrage i. S. des § 323 V 2 BGB darf in einem Fall der vorliegenden Art nicht auf das Wertverhältnis verkürzt werden. Es betrifft nur einen Aspekt bei der Gesamtabwägung. Sie wäre zum Nachteil des Klägers unvollständig, ließe man außer Betracht, welche negativen Auswirkungen die überlange Standzeit auf den Zustand des Fahrzeugs und seiner Einzelteile, wie etwa die Reifen, hat. Das kann der Senat ohne sachverständige Beratung kraft eigener Sachkunde feststellen. Nachteilige Auswirkungen für den Kläger hat der Mangel auch insoweit, als es um einen Weiterverkauf des Fahrzeugs geht. Als redlicher Verkäufer müsste der Kläger aufdecken, dass der Wagen nicht in 2006 und auch nicht in 2005 hergestellt worden ist, wie das Datum der Erstzulassung vermuten lässt, sondern aus dem Modelljahr 2004 stammt. Auch wenn es sich bei dem VW Golf des hier in Rede stehenden Typs um ein marktgängiges Fahrzeug handelt, ist es nicht unwahrscheinlich, dass der Kläger einen geringeren Erlös erzielen wird als im Fall des Verkaufs eines Fahrzeugs mit vertragsgemäßem Alter. Zu berücksichtigen ist schließlich, dass der Kläger, für die Beklagte und ihren Verkaufsberater zumindest erkennbar, Wert auf ein junges Auto gelegt hat. Diesen Wunsch hat die Beklagte aus Gründen missachtet, die jedenfalls den Vorwurf der Fahrlässigkeit rechtfertigen. Bei der gebotenen Sorgfalt war es für die Beklagte und ihren Mitarbeiter ohne Weiteres möglich, den Kläger durch eine sachgerechte Information über das wahre Alter des Fahrzeugs ins Bild zu setzen. Die Unannehmlichkeiten, die dem Kläger durch die vertragswidrige Lieferung entstanden sind, können bei der Gesamtabwägung nicht außer Betracht bleiben.

Ist der Rücktritt des Klägers nach alledem gerechtfertigt, so ist der Kaufvertrag nach Maßgabe des angefochtenen Urteils rückabzuwickeln. Insoweit erhebt die Berufung keine Einwendungen. …

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